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"Zu sperrig, zu komplex, zu sehr in Bewegung", um sich in eine Schublade sperren zu lassen - so hat Bundestagsvizepräsident Dr. Wolfgang Thierse (SPD) die Arbeiten von Lutz Dammbeck in seiner Rede zur Eröffnung der Ausstellung "Atlasmacher" am Montag, 19. April 2010 beschrieben. Die Ausstellung im Kunst-Raum des Deutschen Bundestages im Berliner Marie-Elisabeth-Lüders-Haus ist vom 20. April bis 11. Juli 2010 jeweils dienstags bis sonntags von 11 und 17 Uhr geöffnet. Der Eintritt ist frei.
Grenzüberschreitung, Perspektivenwechsel, Mehrdimensionalität – so beschrieb Thierse die Methode des Künstlers in einer ersten Annäherung. In der DDR aufgewachsen, habe Lutz Dammbeck sein gesellschaftskritisches Sensorium trainieren können und müssen. Er lenke den Blick auf die technisch und ideologisch hochgerüstete Gesellschaft mit all ihren Verheißungen, Widersprüchen und Verrücktheiten, sagte der Vizepräsident.
"Geschenkt wird dem Betrachter jedenfalls nichts", so Thierse zum Wechselspiel zwischen Besucher und Ausstellung. "Er muss die vernetzten Gedankengänge des Künstlers zu rekonstruieren versuchen. Er muss mitdenken, mitarbeiten, sich dazu Zeit nehmen. Mit einem schnellen Durchgang ist es nicht getan. Erst wenn man sich Zeit nimmt, erschließt sich dieser vielschichtige künstlerische Kosmos. Erst dann wird Dammbecks Atlas lesbar."
Zum Ende seiner Eröffnungsrede dankte er dem Künstler für die aufwendig konzipierte Ausstellung und verknüpfte dies mit dem Wunsch an die Besucher, den Atlas mit der gleichen Intensität zu lesen.
"Als eine der bisher größten Herausforderungen" bezeichnete Dr. Andreas Kaernbach, Kurator der Kunstsammlung des Deutschen Bundestages, diese Ausstellung. Die Schwierigkeit habe darin gelegen, diese Räume nicht als Präsentationsfläche für einzelne Kunstwerke anzubieten, sondern eine "gesamtinstallative Ausstellung" einzubringen und sie neu vom Künstler entwickeln zu lassen.
Die installative Ausstellung "Atlasmacher"im Kunst-Raum des Deutschen Bundestages ist Teil des Herakles-Konzepts des Künstlers. Seit Anfang der 1980er-Jahre verbindet er Film, Skulptur, Performance, Malerei, Collage, Dokumentarisches wie künstlerisch Verfremdetes zu einem ganzheitlichen Kunst- und Lebensprojekt. Im Zentrum seines Werkes steht die Gefährdung der Autonomie des Individuums in der Moderne. Neben der Beschreibung totalitärer Herrschaftsstrukturen geht es hier auch darum, subtilere manipulative Verfahren in offenen Gesellschaften aufzudecken.
In der eigens für den Kunst-Raum im Marie-Elisabeth-Lüders-Haus entwickelten Installation ergänzt und erweitert Lutz Dammbeck seine Recherchen um neue Themenfelder. Er fragt nach der Bedeutung der Sozialwissenschaften, der Psychologie und neuer Technologien für die Neuformierung von Gesellschaft, konkret im Rahmen der so genannten "Re-Education"-Bemühungen der Amerikaner im Westen Deutschlands nach 1945.
Zu sehen sind Teile der "Herakles-Notizen", der Experimentalfilm "Herakles Höhle", die Installation "Re_Re-Education". Im Stile einer klassischen "Wunderkammer" sind hier Exponate aus Wissenschaft und Kunst zusammengeführt worden. Es finden sich Exponate der Zoologischen Sammlungen der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg neben Videodokumenten zum Zustand von Kultur und Wissenschaft - auch Ausschnitte aus Dammbecks Dokumentarfilm "Das Netz - Unabomber, LSD und Internet" werden gezeigt.
Die Vernissage wurde umrahmt vom RIAS-Kammerchor mit einem Madrigal von Thomas Weelkes (1576-1623) "Thule the period of Cosmographie" und einem Stück von Heiner Müller, vertont von Wolfgang Rihm.
Lutz Dammbeck, geboren 1948, ist Professor an der Hochschule für Bildende Künste Dresden und bereits mit der Installation "Herakles-Notizen" im Kunst-am-Bau-Programm des Reichstagsgebäudes vertreten.
Ausstellungsort: Kunst-Raum im Marie-Elisabeth-Lüders-Haus in Berlin-Mitte, Schiffbauerdamm; Zugang über die Spree-Uferpromenade
Öffnungszeiten: 20. April bis 11. Juli 2010, jeweils Dienstag bis Sonntag von 11 bis 17 Uhr
Auskünfte: Telefon: 030/227-32027 (während der Öffnungszeiten)