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Ein "Blauer Ring" aus Worten - eine Neon-Installation des italienischen K�nstlers Nannucci: "Freiheit ist denkbar als M�glichkeit des Handelns unter Gleichen/Gleichheit ist denkbar als M�glichkeit des Handelns f�r die Freiheit". Zu lesen ist dieses Zitat der Publizistin Hannah Arendt �ber den f�nf Ebenen der Parlamentsbibliothek des Deutschen Bundestages im Berliner Marie-Elisabeth-L�ders-Haus.
"Das Besondere an dieser Bibliothek ist ihre einzigartige Servicequalit�t f�r die Parlamentarier, sagt Holger Scheerer, Bereichsleiter Benutzung und Information. Holger Scheerer muss es wissen, denn der Historiker arbeitet seit 19 Jahren in der Parlamentsbibliothek. "Bis 2004 war die Bibliothek noch in Bonn auf sieben Bibliotheksstandorte verteilt - was die Ausleihe und die Aufbewahrung sehr viel schwieriger gemacht hat", erinnert sich Scheerer.
Als im Jahr 2004 die Bibliothek vom Rhein an die Spree zog, bekam sie endlich einen Standort, an dem alle Best�nde Platz fanden. Im Berliner B�chermagazin sind heute 1,4 Millionen B�cher untergebracht - etwa 38 Kilometer gebundenes Papier. Die Hauptsammelgebiete sind heute Politik, Recht, Wirtschaft, Sozialwissenschaften und die Neuere Geschichte.
Dabei hatte die Bibliothek, als sie 1949 ihre T�tigkeit aufnahm, gerade einmal 1.000 B�nde im Bestand - die B�cher der Reichstagsbibliothek waren durch den Krieg weitgehend vernichtet worden.
Trotz der Vernichtung gibt es in der heutigen Bibliothek viele sehr alte Buchbest�nde, weil in den 1950er und 1960er Jahren viele antiquarische B�nde hinzugekauft wurden. Alte Inkunabeln (in beweglichen Lettern gedruckten Schriften, die bis zum 31. Dezember 1500 hergestellt wurden) und Rara (alte oder seltene Literatur, Einzelst�cke, Erstausgaben) wie in Universit�tsbibliotheken gibt es allerdings nicht.
Zum heutigen Millionenbestand kommen die B�cher aus den Handbibliotheken der Bundestagsverwaltung und der Aussch�sse, die ebenfalls von der Bundestagsbibliothek verwaltet werden. Damit ist die Parlamentsbibliothek des Deutschen Bundestages neben den Parlamentsbibliotheken in Washington, Tokio und Rom eine der gr��ten und umfangreichsten der Welt.
Die Bibliothek verzeichnet jedes Jahr einen Zugang von etwa 15.000 B�nden und bezieht 7.500 Periodika, von denen etwa 5.500 amtlichen und halbamtlichen Charakter tragen. Auch zahlreiche elektronische Publikationen gibt es in der Bibliothek, darunter mehr als 1.000 Zeitschriftentitel.
"Das Nutzerverhalten hat sich durch das Internet in den letzten Jahren enorm ver�ndert", sagt Holger Scheerer und f�gt an: "Die schnelle Information, die elektronisch sofort und unkompliziert abgerufen werden kann, ist gerade f�r die Abgeordneten sehr wichtig.
L�ngere Texte jedoch liest man nach wie vor lieber auf Papier. Deshalb sind unsere Ausleihzahlen trotz Internet auch nicht gesunken, sondern im Vergleich zum Jahr 2000 um mehr als 50 Prozent gestiegen".
Im Lesesaal mit umlaufender Galerie k�nnen die Abgeordneten, die Mitarbeiter der Fraktionen und der Bundestagsverwaltung, ehemalige Mitglieder des Deutschen Bundestages sowie die aktiven und ehemaligen Mitglieder des Europ�ischen Parlamentes, Journalisten, Mitarbeiter der diplomatischen Vertretungen und der im Raum Berlin ans�ssige Bundes- und Landesbeh�rden an 50 Lesepl�tzen am Fu�e der Spree in einem Bestand von 20.000 B�nden nachschlagen.
Im Zeitschriftenlesesaal stehen den Nutzern mehr als 1.000 Zeitschriftentitel zur Verf�gung und in Ebene zwei - der Beratungsebene - gibt es zwanzig Computerarbeitspl�tze f�r die Recherche im Internet sowie im Intranet. Wer mit bestimmten Recherchetechniken nicht vertraut ist, wird von den Mitarbeitern fachkundig und professionell beraten.
Die Bundestagbibliothek besch�ftigt insgesamt 86 Kollegen, von denen 13 mit den Nutzern nicht nur ausf�hrliche Beratungsgespr�che f�hren, sondern auch Material zu bestimmten Themen zusammenstellen oder Literaturrecherchen zu den nachgefragten Gebieten anstellen.
Parlamentarier, Mitarbeiter von Ministerien oder Bundestagsangestellte k�nnen B�cher, Chroniken oder Zeitschriften auch elektronisch �ber den Bibliothekskatalog des Hauses bestellen. Die Zeit von der Bestellung bis das Buch zur Abholung bereit liegt betr�gt nicht mehr als 30 Minuten.
Von jedem Intranet-Arbeitsplatz im Bundestag k�nnen B�cher im B�chermagazin "geordert" werden und kommen �ber die Ladestation - die Lebensader - in den Besucherbereich. "Manchmal ist der Besteller noch nicht bei uns angekommen, da liegt seine Lieferung schon abholbereit im Regal" erz�hlt Holger Scheerer.
Denn abholen m�ssen die Nutzer die B�cher in der Bibliothek immer noch pers�nlich. An dieser Stelle unterscheidet sich die Parlamentsbibliothek nicht von einer Stadt- oder Universit�ts-B�cherei. Auch die Ausleihzeiten von bis zu vier Wochen sind identisch, und wie in anderen Bibliotheken gibt es auch in der Parlamentsbibliothek mal s�umige Ausleiher.
Die Zeitschriften der Bibliothek werden nach Ablauf eines Jahres von einer Vertrags-Buchbinderei jahrgangsweise gebunden - denn eine l�ckenlose Archivierung erm�glicht einen �berblick �ber die mediale Entwicklung auf dem Zeitschriftenmarkt. Die hauseigene Buchbinderei f�hrt kleine Reparatur- und Bindearbeiten arbeiten aus, damit B�cher, die besonders h�ufig ausgeliehen werden, erhalten bleiben.
Um den Nachwuchs der Parlamentsbibliothek muss sich die Bundestagsverwaltung keine Sorgen machen. "Es interessieren sich zum Gl�ck immer noch viele junge Menschen f�r eine Ausbildung in der Bibliothek. Freude am Buch und am Lesen ist nach wie vor eine Grundvoraussetzung daf�r. Im Bundestag sollten sie dar�ber hinaus nat�rlich politisches Interesse mitbringen und bereit sein, als Dienstleister arbeiten zu wollen", sagt Holger Scheerer. (bsl)