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Wer schon einmal in Budapest war, kennt dieses wunderschöne Bauwerk. Am Ufer der Donau erstreckt sich das im neugotischen Stil um die Jahrhundertwende geschaffene Parlamentsgebäude. Gleich daneben hat Szilard Meszaros seinen Arbeitsplatz. Der 26-jährige Jurist arbeitet in der Parlamentsverwaltung. "Ich beschäftige mich vorrangig mit Unterlagen, die an den Ausschuss für Verfassungsrecht gehen", sagt er. Für fünf Monate jedoch hat Meszaros seinen Arbeitsplatz an der Donau gegen einen Praktikumsplatz an der Spree eingetauscht. Seit Anfang März arbeitet er als IPS-Stipendiat im Büro des FDP-Abgeordneten Jens Ackermann. "Ich möchte live erleben, welche Unterschiede es zwischen den beiden Volksvertretungen gibt", begründet Meszaros sein Interesse am Internationalen Parlaments-Stipendium (IPS) des Deutschen Bundestages, in dessen Rahmen in diesem 115 Teilnehmer aus 27 Ländern vom 1. März bis 31. Juli ein Praktikum in Abgeordnetenbüros absolvieren.
Mit Jens Ackermann hat er im Bundestag einen "Chef" gefunden, dem die deutsch-ungarischen Beziehungen außerordentlich am Herzen liegen. Schließlich ist der aus Sachsen-Anhalt stammende Liberale Vorsitzender der Deutsch-Ungarischen Parlamentariergruppe. Klar, dass ein Großteil der Arbeit, die Meszaros im Büro Ackermann leistet, damit zu tun hat. "Es gibt viele Gespräche und Veranstaltungen bei denen ich Herrn Ackermann begleite", sagt er.
Zuletzt war dies der Fall, als es in der ungarischen Botschaft eine Diskussionsrunde zur "Romafrage" gab. Anfang Mai war Ackermann auf einer Delegationsreise in Ungarn. "Da habe ich bei der Vorbereitung mitgeholfen", erzählt Meszaros.
Mit dem Abgeordneten spricht er auch über die Sorgen, die ihm einige Entwicklungen in Ungarn bereiten. Nachdem in den vergangenen 20 Jahren versucht worden sei, aus Ungarn ein offenes europäisches Land zu machen, seien nun vielmehr nationalistische Tendenzen festzustellen, beklagt Meszaros.
Die rechtsradikale Partei sei sehr stark geworden und insbesondere im Osten des Landes gehe es in der Romafrage "ganz schön heftig zu". "Es gibt viele Konflikte zwischen Mehrheits- und Minderheitsbevölkerung", sagt er. Das spiele den Rechten in die Karten.
Während Szilard Meszaros in Ackermanns Arbeitsbereich der deutsch-ungarischen Beziehungen von Anfang an integriert war, fiel ihm das bei den Fachgebieten des FDP-Abgeordneten anfangs nicht so leicht. "Gesundheit und Tourismus sind nicht unbedingt meine Themen", räumt er ein. Und dennoch: "Es ist sehr interessant zu erleben, wie der Gesetzgebungsmechanismus praktisch abläuft."
Das Thema Krankenhaushygiene etwa habe Ackermann persönlich in der Koalition angestoßen. Erst sei es in der Arbeitsgruppe, dann im Arbeitskreis beraten worden, erzählt der Stipendiat Meszaros. "Inzwischen habe ich eine Power-Point-Präsentation über den Gesetzentwurf und die von Herrn Ackermann vorgelegten Änderungsanträge erstellt", sagt er. Bei der Gelegenheit habe er "die ganzen Fachbegriffe gelernt".
Derartig anspruchsvolle Aufgaben, zu denen auch die Mitgestaltung der Homepage des Abgeordneten gehört, hat er mit der Zeit immer häufiger erhalten. "Darüber freue ich mich sehr", sagt er.
Inzwischen wird gar die Zeit knapp, die er für sein Promotionsstudium aufwenden muss. "Das Studium läuft neben meiner Tätigkeit in Budapest", sagt Szilard Meszaros. "Derzeit absolviere ich offiziell ein Auslandssemester." Und in der Tat - der Jurist besucht in Berlin auch die Uni.
"Ich habe zwei Kurse an der Humboldt-Universität belegt", sagt er. Das ist zum einen die Juristische Methodenlehre und zum anderen ein Kurs unter dem kuriosen Titel "Aus der Wurstküche der Gesetzgebung". "Hier haben wir eine Dozentin, die schon seit vielen Jahren im Bundesjustizministerium als Referentin arbeitet und uns das Gesetzgebungsverfahren erläutert." Das theoretische Gegenstück zu den Praxiserfahrungen, die er derzeit macht, könnte man sagen.
Dass diese ihn künftig selbst einmal in die Rolle eines Abgeordneten bringen könnten, schließt Meszaros derzeit aus. Politische Ambitionen habe er nicht, sagt er. "Ich beschäftige mich lieber ausschließlich mit sachlichen Fragen als mit repräsentativen Aufgaben."
Bleibt bei all der Arbeit noch Zeit, um Berlin zu entdecken? Auf jeden Fall, sagt er: "Berlin by Night sowieso." Die Stipendiaten versuchten so viel wie möglich von den Kulturangeboten mitzunehmen, betont er. "Bei der Langen Nacht der Theater haben wir immerhin sechs Häuser geschafft." Derzeit wird zudem der Stipendiatenabend als Abschluss des Praktikums vorbereitet. "Das Drehbuch ist fertig", sagt er. "Jetzt beginnen die Proben für unser fünfminütiges Musical."
Seine perfekten Deutschkenntnisse, die seinen Berlinaufenthalt überhaupt erst möglich machen, verdankt Szilard Meszaros seiner Mutter, die selbst als Deutschlehrerin arbeitet. "Sie hat immer wieder gefordert, ich solle Deutsch lernen", erzählt er. Das geschah dann am Evangelischen Gymnasium mit deutschem Nationalitätenzweig in seiner westungarischen Heimatstadt Sopron (Ödenburg).
Sopron - war da nicht mal was? Richtig: Dort, an der österreichischen Grenze, fand im August 1989 das sogenannte paneuropäische Picknick statt. Sopron sei damals ein "historischer Ort" gewesen, sagt Meszaros, der, damals vierjährig, auf die Erzählungen seiner Eltern Bezug nimmt. Und tatsächlich - die damalige symbolische Grenzöffnung darf durchaus als ein Meilenstein der Wende und der späteren Einheit Deutschlands gesehen werden.
Irgendwie schließt sich so auch der Kreis, wenn ein Junge aus dem ungarischen Sopron 22 Jahre später in der Volksvertretung des wiedervereinigten Deutschlands ein Praktikum absolviert. (hau)