Geteilte Meinung über Neuordnung des Pflanzenschutzrechts

Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (Anhörung) - 26.10.2011

Berlin: (hib/EIS) Die geplante Neuordnung des Pflanzenschutzrechts (17/7317) stößt unter Experten auf geteiltes Echo. Acht Sachverständige äußerten sich vor dem Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz in einer öffentlichen Anhörung zur geplanten Anpassung der nationalen Gesetzgebung an mehrere Rechtsakte der Europäischen Union. Die Anpassung betrifft unter anderem die Durchführung verschiedener Zulassungs- und Genehmigungsverfahren für Pflanzenschutzmittel.

Begrüßt wurde der Neuentwurf von Dr. Hans Joachim Brinkjans vom Zentralverband Gartenbau. Er erwartet einen fortschreitenden Abbau der „Wettbewerbsverzerrungen zwischen den EU-Mitgliedsstaaten“. Für kleine Betriebe bedeute es eine entscheidende Verbesserung, dass die Möglichkeit der Zulassungen im Rahmen geringfügiger Verwendungen auf EU-Ebene ausgeweitet werde. Begrüßt wurde auch die geplante Erstellung von Grundsätzen der sogenannten guten fachlichen Praxis. Neu sei die Pflicht zur Fort- und Weiterbildung und eines Sachkundenachweises. „Wichtig ist, dass dies unbürokratisch umgesetzt wird,“ sagte Brinkjans.

Ablehnend stand Thomas Brückmann vom Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) der Novellierung gegenüber: „Keine unserer Anregungen ist in den Entwurf eingeflossen.“ Pflanzenschutzmittel werden in Deutschland nicht fachgerecht angewendet, bezog sich Brückmann auf Daten des Umweltbundesamtes. Über 60 Prozent der Tiere im Lebensraum der Agrarwirtschaft seien gefährdet und bedroht. „Deshalb sollten zehn Prozent der landwirtschaftlichen Nutzflächen von Pflanzenschutzmitteln freigehalten werden“, forderte er. Gewässer bedürften gesonderten Schutzes durch einen mindestens zehn Meter breiten Abstand zu Feldern, der beim Einsatz von Pflanzenschutzmitteln gewahrt werden müsse. Bückmann monierte auch, dass zwar die gute fachliche Praxis genannt, aber nicht definiert werde. Dadurch könne jeder hineininterpretieren, was er damit verstehen wolle.

Volker Koch-Achelpöhler vom Industrieverband Agrar forderte, dass darauf geachtet werden müsse, dass im Interesse der Harmonisierung der europäischen Gesetzgebung keine „Sonderwege“ gegangen werden. Der Zulassungsstandort Deutschland müsse wettbewerbsfähig gehalten werden. Der Schutz vor illegalen Produkte werde zu einer immer bedeutenderen Aufgabe: „Es sind bessere Nachweispflichten bei Reimporten erforderlich und es bedarf eines Straftatbestandes bei Fälschung solcher Mittel.“ Koch-Achelpöhler schlug als mögliche Strafe den Entzug sämtlicher Genehmigungen bei Verstößen vor, solche Waren zu handeln.

„Die Landwirte hoffen, dass durch die EU-weite Harmonisierung des Pflanzenschutzrechts Wettbewerbsverzerrungen abgebaut werden“, sagte Steffen Pingen vom Deutschen Bauernverband. „Die Harmonisierung darf nicht durch Verzerrungen oder strengere Standards als in anderen Ländern konterkariert werden.“ Nachbesserungsbedarf sah Pingen im Falle bestehender Zulassungsverfahren, denen entsprechende Übergangsfristen gewährt werden sollen. Er äußerte sich auch zu der Frage nach Sicherheitsabständen für angrenzende Gewässer, die durch die EU erst eingeführt werden sollten, dann aber nicht festgelegt worden seien. „Eine deutsche Regelung wäre ein Alleingang“, lehnte er die Einführung solcher Abstände ab.

Dr. Michael Reininger vom Deutschen Raiffeisenverband befürchtete, dass der grenzüberschreitende Handel von Pflanzenschutzmitteln zum Einfallstor für Verstöße wird. „Händler und Landwirte müssen sich sicher sein können, dass sie nur Originalprodukte verwenden“, sagte er. Verstöße müssen streng geahndet werden. „Strafen müssen auch durchgesetzt werden können, sonst stehen Handel und Landwirte am Ende am Pranger.“ Er kritisierte den Internethandel: „Was da geduldet wird, ist nicht nachvollziehbar.“ Ein Verbraucher könne per Mausklick ohne richtige Kontrolle seine Sachkunde bestätigen und dann Pflanzenschutzmittel erwerben. „Mit dem neuen Gesetz wird das hoffentlich beendet“, so Reininger. „Doch entstehende Angebotslücken könnten durch Angebote aus dem Ausland geschlossen werden.“

Florian Schöne vom Naturschutzbund Deutschland (NABU) zeigte sich überzeugt, dass durch Pflanzenschutzmittel entstehende Umweltbelastungen weiter zunehmen werden. Er stellte fest: „Je teurer landwirtschaftliche Produkte werden, um so mehr lohnt es sich für Landwirte, so viele Mittel wie möglich einzusetzen.“ Fruchtfolgen würden nicht mehr eingehalten. „Raps folgt auf Raps, Mais auf Mais.“ Sondergebiete seien einzelfallspezifisch erforderlich, in denen kein unbegrenzter Einsatz solcher Mittel erfolgen dürfe. Mindestabstände zu Gewässern sollten eingehalten werden. „Auch in Trinkwasserschutzgebieten“, sagte Schöne.

In dieselbe Kerbe schlug Martin Weyand vom Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW). Oberflächengewässer würden durch Pflanzenschutzmittel belastet. Im Sinnes des Ressourcenschutzes seien bisherige Anstrengungen noch nicht ausreichend. „Wir setzen uns deshalb für ein Gewässermonitoring ein, um die Ergebnisse aus den Zulassungsverfahren zu prüfen“, forderte Weyand. Ein zehn Meter Gewässerrandstreifen sei erforderlich. „Eine Entscheidung darüber darf den Bundesländern nicht überlassen werden“, sagte er.

Ralf Schulz vom Institute of Environmental Sciences der Universität Koblenz-Landau beklagte, dass die Wissenschaft ein „ernüchterndes Ausmaß nicht akzeptabler Konzentrationen von Pflanzenschutzmitteln in Gewässern“ feststelle. Insektizide würden ein Risiko für Gewässer darstellen und alle gemessenen Werte lägen über den Werten, die vorhanden sein dürften. Die Landwirtschaft müsse in geeigneter Weise Eintragsüberschreitungen mindern und die gute fachliche Praxis samt Regeln entsprechend nacharbeiten. Er forderte die Schaffung von Ausgleichsgebieten und Pufferstreifen.

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