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Gültig ab: 14.03.2005 00:00
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Zustimmung aus allen Fraktionen

Bild: Blick in den Plenarsaal
EU-Verfassung im Bundestag.

Bild: Langer Tisch mit Verträgen und Vertretern der Gründerstaaten
Römische Verträge.

Bild: geöffnete Akte
Einheitliche Europäische Akte.

Bild: gebundener und aufgeschlagener Vertrag
Maastricht-Vertrag.

Bild: Aufgeschlagene Seite mit roten Siegeln am Rand
Vertrag von Amsterdam.

Bild: Die Unterzeichner stehen hinter dem Tisch
Vertrag von Nizza.

Bild: Gerhard Schröder und Joschka Fischer
Verfassungskonvent.

Bild: Rainder Steenblock
Rainder Steenblock.

Bild: Michael Roth
Michael Roth.

Bild: Deckblatt mit gelben Sternen
„Demokratischer, effizienter, transparenter“.

Bild: Sabine Leutheusser-Schnarrenberger
Sabine Leutheusser-Schnarrenberger.

Bild: Peter Hintze
Peter Hintze.

Bild: Tisch mit Glocke und Papierblätter mit den Aufschriften Deutsch und Francais
„Europa bekommt Gesicht und Stimme“.

Bild: Die EU-Fahne
Die Farben der EU.

Bild: Blick aus dem Regieraum auf Stuhlreihen
„Das gibt der EU viel mehr Legitimation“.

EU-Verfassung im Bundestag

Ende Februar hat der Bundestag in erster Lesung den Vertrag über eine Verfassung für Europa beraten. Bis zum Sommer wollen die Abgeordneten die Verfassung bevor sie mit Zweidrittelmehrheit ratifiziert werden soll. Schon in der Eröffnungsdebatte wurde deutlich, dass eine breite Mehrheit aus allen Fraktionen der Verfassung zustimmen wird. Blickpunkt Bundestag zeigt, warum das so ist und welche Schwächen die Abgeordneten bei aller Zustimmung zur Verfassung dennoch sehen.

Napoleon hatte eine klare Vorstellung von der idealen Verfassung: kurz und dunkel müsse sie sein. Wenn der Text knapp und vage ist, ist auch der Spielraum für Interpretationen groß. Die Verfassung des Staates schmiegt sich dann am besten in die Hand des Herrschers. Wenn eine Verfassung dagegen präzise und verständlich ist, dann taugt sie wenig als Machtinstrument. Dann bietet sie den Bürgerinnen und Bürgern Schutz vor Übergriffen des Staates.

Zu kurz waren die europäischen Gründungsverträge nie. In aller Ausführlichkeit sind dort Verfahren beschrieben, die die Arbeit der Europäischen Union regeln. So ausführlich allerdings, dass sie für die meisten Bürger undurchsichtig und dunkel waren. Wer was darf in Europa und warum – nicht einmal die Fachleute waren sich da immer sicher.

Mit der Verfassung soll sich das ändern. „Demokratischer, effizienter, transparenter“ ist die Verfassung nach den Worten von Peter Hintze, dem europapolitischen Sprecher der CDU/CSU. Was die Lesbarkeit angeht, kann es Europas Verfassung mittlerweile mit dem deutschen Grundgesetz aufnehmen.

Für den Bürger lohnt ein genauer Blick in die neue Verfassung. Denn mit der Verfassung erreicht man einen wichtigen Durchbruch, der es der Union ermöglicht, einen eigenen Rechtekatalog aufzustellen. Die Charta der Grundrechte wird in die Verfassung einbezogen, ihre Bestimmungen sind rechtsverbindlich, ohne dass dies allerdings eine Erweiterung der Zuständigkeiten der Union bedeutet. „Mit der Verfassung werden zum ersten Mal die Grundrechte auf europäischer Ebene rechtsverbindlich“, sagt der Europapolitiker der SPD, Michael Roth. Ein Fortschritt, der nicht zu unterschätzen ist, vor allem weil die EU in der Innen- und Rechtspolitik, also dort wo es um die Gestaltung der Bürgerrechte geht, eine immer größere Rolle spielt.

Dass insgesamt in der Verfassung mehr von Bürgern und Staaten die Rede ist, hält auch Rainder Steenblock für die größte Errungenschaft. „Mit der Verfassung definiert sich Europa als Gemeinschaft von Staaten und von Menschen“, sagt der europapolitische Sprecher von Bündnis 90/Die Grünen. Dass dies so ist, hat auch mit dem Zustandekommen der Verfassung zu tun: Der Verfassungstext war vor allem die Arbeit des Konvents.

Nicht Regierungsvertreter, wie bei Verträgen üblich, sondern Abgeordnete aus den nationalen Parlamenten und aus dem Europäischen Parlament waren im EU-Konvent die maßgeblichen Autoren der Verfassung. Für den Bundestag saßen Jürgen Meyer von der SPD und als sein Stellvertreter Peter Altmaier von der CDU/CSU im EU-Konvent. Wie effizient der Konvent gearbeitet hat, zeigt, dass die Regierungen anschließend bis auf wenige Änderungen den Text übernommen haben.

Königsrecht erstritten

Es gibt noch weitere Gründe, zufrieden mit der Verfassung zu sein: Sabine Leutheusser-Schnarrenberger von der FDP freut sich, dass das Europäische Parlament und die nationalen Parlamente gestärkt sind. „Das gibt der EU viel mehr Legitimation“, sagt die europapolitische Sprecherin der FDP. In der Tat hat sich das Europäische Parlament mit der Verfassung das Königsrecht einer Volksvertretung erstritten: Neben dem Ministerrat kann es nun gleichberechtigt über den gesamten Haushalt der EU mitbestimmen. Darüber hinaus wird das Europaparlament auch bei der Gesetzgebung gestärkt, da es nun in fast allen Bereichen gleichberechtigt mit dem Rat über Gesetze beschließen kann. Auch den Kommissionspräsidenten wird das Europäische Parlament künftig wählen.

Nicht nur das Europäische Parlament wird durch die EU-Verfassung gestärkt. Sie regelt auch, was die EU-Institutionen und die Mitgliedsstaaten zu entscheiden haben. So wichtig eine starke Volksvertretung auf europäischer Ebene ist, ein solches Parlament kann nie so nah an den Bedürfnissen der Bürger sein wie ein nationales Parlament oder ein Gemeinderat. Deshalb sollte die Gemeinschaft im Sinne der Subsidiarität nur das regeln, was über die nationalen, regionalen oder lokalen Möglichkeiten hinausgeht. Klarer als bisher wird in der Verfassung beschrieben, welche Bereiche die Gemeinschaft und welche die Mitgliedsstaaten regeln.

Regeln aus dem Grundgesetz

Für diese nicht ganz einfache Unterscheidung hat die Verfassung auf die Regeln im deutschen Grundgesetz zurückgegriffen. So unterscheidet die EU-Verfassung zwischen drei Bereichen. Zum einen Bereiche, in denen die Union ausschließlich zuständig ist. Dazu gehören die Zollunion oder die Handelspolitik. Zweitens Bereiche, in denen die Zuständigkeit der Union und der Mitgliedsstaaten geteilt ist. Dazu gehören die Bereiche Umwelt, Verbraucherschutz oder Verkehr. Und schließlich gibt es Bereiche, in denen die Union nur unterstützend oder koordinierend tätig werden kann, wie in Tourismus, Kultur oder Verwaltungszusammenarbeit.

Für Peter Hintze von der CDU/CSU ist besonders wichtig, dass die EU in Zukunft nicht mehr aufgrund allgemeiner Ziele in den Verträgen eigene Kompetenzen begründen kann. „Damit wird eine schleichende Kompetenzverlagerung verhindert“, sagt der CDU/CSU-Abgeordnete. Zudem wird Europa durch die Verfassung in einem Bereich gestärkt: Die Union bekommt einen Außenminister, der dafür sorgen soll, dass Europa in der Welt mehr als bisher mit einer Stimme spricht. Er leitet die gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik der Union, führt den Vorsitz im Rat „Auswertige Angelegenheiten“ und ist gleichzeitig Vizepräsident der Kommission. „Europa bekommt Gesicht und Stimme“, ist Michael Roth überzeugt.

Sollte die EU ihre Kompetenzen überschreiten, dann kann sich der Bundestag in Zukunft wie alle anderen nationalen Parlamente dagegen wehren (siehe Interview). Wie jedoch dieses Klagerecht des Bundestages gegen eine Kompetenzüberschreitung der EU gestaltet werden soll, darüber gehen die Vorstellungen der Fraktionen auseinander. So will die SPD, dass nur eine Mehrheit des Bundestages eine solche Klage beim Europäischen Gerichtshof in Luxemburg einreichen kann. Die CDU/CSU will dagegen, dass bereits ein Drittel der Mitglieder für eine solche Klage ausreicht. Damit hätte auch die Opposition die Möglichkeit, eine Kompetenzüberschreitung durch den Europäischen Gerichtshof prüfen zu lassen. Die FDP will wiederum, dass dieses Recht auch einer einzelnen Fraktion zustehen soll.

Nicht alle Wünsche erfüllt

Bei aller Zustimmung zur EU-Verfassung sind auch für die Europapolitiker im Bundestag nicht alle Wünsche in Erfüllung gegangen. Peter Hintze von der CDU/CSU hätte es gern gesehen, wenn mit der Verfassung Europa auch Kompetenzen an die Nationalstaaten, die Länder oder die Kommunen zurückgegeben hätte. Und ihm wäre eine Würdigung der christlichen Wurzeln Europas lieber gewesen als der allgemeine Verweis auf das religiöse Erbe, wie er nun in der Präambel der EU-Verfassung steht.

Sabine Leutheusser-Schnarrenberger von der FDP hätte dem Europäischen Parlament gern das Recht gegeben, eigene Vorschläge für Gesetze zu machen. „Dann hätte das Parlament mit dem Ministerrat auf Augenhöhe verhandeln können“, erklärt die Abgeordnete. Mit der Verfassung können weiterhin nur die EU-Kommission und in einigen Bereichen auch die Mitgliedstaaten Vorschläge für EU-Gesetze machen.

Michael Roth von der SPD hätte sich gewünscht, dass die Verfassung durch eine Volksabstimmung statt durch Bundestag und Bundesrat beschlossen würde. Das hätte die politische Klasse in Deutschland dazu gebracht, die Bürger besser über die Ziele und Inhalte der Verfassung zu informieren und um Unterstützung zu werben. Mehr Legitimität für die Verfassung hätte sich Sabine Leutheusser-Schnarrenberger durch ein Referendum versprochen. Ihre Fraktion hat als einzige einen entsprechenden Gesetzentwurf zur Änderung des Grundgesetzes eingebracht.

Die CDU/CSU-Fraktion lehnt Volksabstimmungen dagegen grundsätzlich ab. „Wenn wir zu der Verfassung Nein sagen, dann ist das zum Schaden für unser Land. Und wenn es keine wirkliche Entscheidung zwischen Ja und Nein gibt, dann macht auch ein Referendum keinen Sinn“, begründet Peter Hintze diese Haltung.

Auch Rainder Steenblock von den Grünen ist gegenüber einem deutschen Referendum über die Verfassung skeptisch. „Ein solches Referendum kann leicht zu innenpolitischen Manövern missbraucht werden“, fürchtet er. Mit Sorge blickt er wie die anderen Abgeordneten auf die Referenden in Großbritannien, aber auch in Frankreich und Polen, wo ein Ja zur Verfassung keineswegs als sicher gilt. Rainder Steenblock wäre es am liebsten, wenn EU-weit ein Referendum über die Verfassung stattfinden könnte, in dem dann die Mehrheit der europäischen Bevölkerung den Ausschlag geben würde. Doch weil die EU auch mit der Verfassung eher ein Staatenbund als ein Bundesstaat sein wird, ist das in Europa noch Zukunftsmusik.

Text: Matthias Rumpf
Fotos: studio kohlmeier, Picture-Alliance
Erschienen am 15. März 2005

Weitere Informationen:

  • Römische Verträge
    Der Grundstein für die Europäische Union wurde am 25. März 1957 mit den Römischen Verträgen gelegt. Die sechs Gründerstaaten Deutschland, Frankreich, Italien, die Niederlande, Belgien und Luxemburg vereinbarten eine Zollunion, die gemeinsame Agrarpolitik und eine Zusammenarbeit über Fragen der Kernenergie. 1951 wurde die Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS) gegründet.

  • Einheitliche Europäische Akte
    Mit der Unterzeichnung der Einheitlichen Europäischen Akte 1986 fiel der Startschuss für das Binnenmarktprogramm. Tausende von Gesetzen und Rechtsvorschriften der mittlerweile zwölf Mitgliedstaaten wurden einander angeglichen, so dass am 1. Januar 1993 Personen, Waren, Dienstleistungen und Kapital frei die Grenzen passieren konnten.

  • Maastricht-Vertrag
    Am 7. Februar 1992 schufen die Mitgliedstaaten mit dem Vertrag von Maastricht die EU und die Voraussetzungen für die Einführung des Euros. Außerdem vereinbarten sie eine engere Zusammenarbeit in der Außen-, Innen- und Justizpolitik.

  • Vertrag von Amsterdam
    Der Vertrag von Amsterdam vom 2. Oktober 1997 brachte vor allem mehr Macht für das Europäische Parlament. Das EP kann nun in den meisten Bereichen gleichberechtigt mit den Mitgliedstaaten über die europäischen Gesetze entscheiden. Die EU wächst auf 15 Mitglieder.

  • Vertrag von Nizza
    Im Dezember 2000 versuchten die Staats- und Regierungschefs auf dem EU-Gipfel von Nizza die Voraussetzungen für die Erweiterung der Union zu schaffen. Dabei ging es vor allem um die Machtverteilung zwischen den Mitgliedstaaten. Am Ende des längsten Gipfeltreffens der EU stand der Vertrag von Nizza mit einem Ergebnis, das die Union mit 25 Mitgliedern zu blockieren drohte.

  • Verfassungskonvent
    Nach der Erfahrung von Nizza sollten nicht mehr allein Diplomaten und Regierungen über die EU bestimmen. Stattdessen arbeitete von Februar 2002 bis Juli 2003 eine Versammlung aus Parlamentariern und Regierungsvertreten eine Verfassung für die EU aus. Am 29. Oktober 2004 wurde die Verfassung von den Staats- und Regierungschefs der EU in Rom unterzeichnet.


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