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Informationen über dieses Dokument: Seitentitel: Innere Sicherheit 2.0
Gültig ab: 18.06.2008 10:19
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Innere Sicherheit 2.0

Kamera zur Videoüberwachung.
Streitpunkt Videoüberwachung: Auch bei Wohnungen unverdächtiger Personen soll sie nach den Regierungsplänen zur Novelle des BKA — Gesetzes möglich werden, wenn dort Verdächtige verkehren
© Picture-Alliance/Keystone

Verbrechensbekämpfung im digitalen Zeitalter

Onlinerazzia, Spähangriff, Vorratsdatensammlung — im Zuge der Terrorismusbekämpfung entwickelt der Staat einen gewaltigen Datenhunger. Sogar die Festplatte des heimischen Computers soll nicht mehr tabu sein. So sieht es das geplante, neue BKA-Gesetz vor. Überschreitet es die Grenzen des freiheitlichen Rechtsstaates? Im Streitpunkt von BLICKPUNKT BUNDESTAG diskutieren darüber der stellvertretende Vorsitzende der Unionsfraktion Wolfgang Bosbach und der frühere Bundesinnenminister Gerhart Baum.

Ein Trojaner beherrscht die politische Debatte. Wie einst die Griechen mit dem hohlen hölzernen Pferd, in dem sie ihre Soldaten versteckten, den trojanischen Krieg gewannen, möchte Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble mit dem „Bundestrojaner”, der geheim auf den Computern Terrorismusverdächtiger installiert wird, im Kampf gegen den internationalen Terrorismus Boden gewinnen. Die geplante Onlinedurchsuchung ist einer der umstrittensten Teile des neuen BKA-Gesetzes, das die Bundesregierung bis zur Sommerpause dem Parlament vorlegen will.

Der digitale Zugriff auf den Computer in der grundgesetzlich geschützten Wohnung ist der Versuch einer Antwort auf die veränderten und immer raffinierter werdenden Kommunikationsstrategien des weitgehend anonymen, politisch wie religiös motivierten Terrorismus. Wie stark die Sicherheitsbehörden international hinter der Kommunikation potenzieller Attentäter herhinken, hatte auf fatale Weise der Anschlag auf das New Yorker World Trade Center am 11. September 2001 gezeigt.

Auch in Deutschland sehen Experten erhebliche Defizite. So konnte die Polizei im September 2007 bei der Anti-Terror-Operation „Alberich” drei Islamisten nur deshalb festnehmen, weil sie am Rande der Legalität agierte und entscheidende Tipps vom amerikanischen Geheimdienst erhielt. Die drei „Sauerland-Bomber” hatten aus einem Internetcafé in Stuttgart konspirative E-Mails mit Adressaten in Pakistan ausgetauscht und wollten aus Wasserstoffperoxid sprengfähiges Material herstellen, um damit Anschläge auf Flughäfen und amerikanische Einrichtungen zu verüben.

Befürworter wie Kritiker der Onlineüberwachung stimmen darin überein, dass der Staat bei der inneren Sicherheit auf die neuen Herausforderungen reagieren muss. Streitpunkt bleibt aber, wie dabei eine angemessene Balance von notwendiger Sicherheit und bürgerlicher Freiheit erreicht werden kann. Die Sorge, vorbeugende Eingriffe in die Freiheitsrechte könnten einen allgegenwärtigen Überwachungsstaat befördern, reicht bis zum Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe, das in den letzten Jahren immer wieder Sicherheitsgesetze der Bundesregierung verwarf oder korrigierte. Auch bei der geplanten Onlinedurchsuchung hat das Gericht vorsorglich hohe rechtliche Hürden aufgestellt und so etwas wie ein „Grundrecht auf die Festplatte” konstatiert. Der Präsident des Gerichtes, Hans-Jürgen Papier, drückte seine Besorgnis vor dem gläsernen Bürger kürzlich so aus: „In einem Staat, der keine Rückzugsbereiche der Privatheit übrig lässt, möchte ich nicht leben.”

Ist dies im digitalen Zeitalter, in dem nicht nur der Staat, sondern auch zunehmend private Unternehmen einen gewaltigen Datenhunger selbst auf persönlichste Lebensgewohnheiten der Bürger entwickeln, ein irrationaler Anspruch?

Die Auseinandersetzung um das neue BKA-Gesetz zeigt, wie schwer eine allgemein akzeptierte Linie zu finden ist. So verweisen Sicherheitspolitiker auf den legitimen Anspruch der Bürger, vor nicht wegzuleugnenden Gefahren des Terrorismus nach bestem Wissen geschützt zu werden. Kritiker sehen dagegen vor allem in der Häufung von Sicherheitsgesetzen die eigentliche Problematik: Was im Einzelnen gerade noch hinnehmbar sei, gefährde in der Summierung den liberalen Rechtsstaat.
 

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Erschienen am 18. Juni 2008

Weitere Informationen:

Bundesverfassungsgericht
Die Urteile des Bundesverfassungsgerichts können Sie im Internet einsehen:
www.bundesverfassungsgericht.de


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