Die Mitglieder des Bundestagspräsidiums, allen voran der Bundestagspräsident, sind nicht nur regelmäßig sich abwechselnde Vorsitzende in den Plenardebatten. Sie achten auf die Stellung und das Ansehen der Volksvertretung und kümmern sich gemeinsam mit dem Ältestenrat um die Funktionsfähigkeit des Parlaments und seiner Verwaltung. BLICKPUNKT BUNDESTAG stellt die Aufgaben des Präsidiums und seine Mitglieder vor.
Kollegialität und Konsens – an diesen Prinzipien orientiert sich das Präsidium des Deutschen Bundestages. Es besteht aus dem Bundestagspräsidenten und den fünf von den fünf Fraktionen vorgeschlagenen Vizepräsidenten. Gewählt werden sie in geheimer Wahl für die Dauer der gesamten Wahlperiode. Der Präsident und seine Stellvertreter leiten abwechselnd die Plenarsitzungen und sind schon durch diese wichtige Funktion für die Bürger die sichtbaren Repräsentanten des Parlaments.
Das Präsidium, das in jeder Sitzungswoche tagt, wirkt mit bei allen Fragen, die die Leitung des Hauses betreffen, und fällt die wesentlichen Personalentscheidungen bei der Verwaltung des Bundestages. Da sich das Präsidium als kollegiales Beratungsorgan versteht, agiert der Präsident in der Praxis als Primus inter Pares, als erster unter Gleichen. Im Zweifelsfall aber gibt seine Stimme den Ausschlag. Denn er vertritt den Bundestag nach außen, ist protokollarisch der zweite Mann im Staate. Im Namen des Bundestages vereidigt er den Bundespräsidenten, den Bundeskanzler und die Bundesminister. Der Präsident ist oberster Dienstherr der Bundestagsmitarbeiter und übt das Hausrecht und die Polizeigewalt in den Parlamentsgebäuden aus.
In seinem Büro sitzt er vor einem imposanten Kunstwerk. „Seiltänzer” heißt das Doppelwerk des Malers Heinrich Brockmeier und der Bildhauerin Uschi Klaas. Über den Parteien schweben, Balance halten – das sind auch die Aufgaben von Norbert Lammert, der für vier weitere Jahre zum Bundestagspräsidenten gewählt wurde.
Souverän, humorvoll und sprachlich elegant – so hat der 61 Jahre alte Doktor der Sozialwissenschaften bislang sein Amt ausgeübt. Und dabei soll es auch bleiben. Florett statt Säbel, lautet seine Devise. Dass auch Florettstiche schmerzlich sein können, nimmt er in Kauf. Denn beliebig will der CDU-Mann aus Bochum nicht sein. Wer den Bundestag als oberstes Verfassungsorgan nicht ernst nimmt, bekommt die Schärfe des Präsidenten zu spüren. Musik, Fußball, Literatur – das sind die Interessen, die Norbert Lammert versucht, neben seinem Job als zweiter Mann im Staate im Auge zu behalten. Als „homo politicus” versteht er sich, als jemand, für den Politik immer aus mehr besteht als aus Fach- und Parteipolitik. Würden die 622 Abgeordneten Instrumente spielen, wäre er wohl als deren Dirigent ein glücklicher Mann.
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Politik liegt ihr im Blut. Schon ihr Vater, ein Gastwirt und Metzgermeister aus dem bayerischen Straubing, saß 18 Jahre lang im Bundestag. Da ist es kein Wunder, dass auch Gerda Hasselfeldt in die Politik strebte. Seit 1987 ist die studierte Volkswirtin und Mutter zweier erwachsener Kinder für die CSU Bundestagsabgeordnete. In Parlament und Bundesregierung machte sie rasch Karriere: 1989 wurde sie Bauministerin, zwei Jahre später übernahm sie das Gesundheitsressort. Später war sie finanzpolitische Sprecherin ihrer Fraktion, im Jahr 2002 rückte sie als Fraktionsvize in die engere Fraktionsführung auf. Mit ihrer Wiederwahl zur Vizepräsidentin gehört Gerda Hasselfeldt schon die zweite Legislaturperiode dem Bundestagspräsidium an.
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Vom Präsidentenstuhl ist er kaum noch wegzudenken: Seit 1998 sitzt Wolfgang Thierse, wortmächtiger SPD-Abgeordneter aus Berlin, dem Bundestag vor, zunächst sieben Jahre als Präsident, seit 2005 als Vizepräsident. In Breslau geboren, wuchs der Katholik in Thüringen auf, später studierte er in Berlin Germanistik und Kulturwissenschaft. Im Herbst 1989 schloss sich Thierse dem „Neuen Forum” an, später wurde er Vorsitzender der Ost-SPD. Als sprachgewaltige „Stimme der Ostdeutschen” versteht sich der 66-Jährige auch heute noch. Aber sein kritischer Blick reicht weiter: Wo immer er die Demokratie in Gefahr sieht, steht Wolfgang Thierse auf der Barrikade.
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Sein Traum wäre wohl das Finanzministerium gewesen. Aber als erfahrener Parlamentsroutinier weiß Hermann Otto Solms, dass Politik eine unsichere Größe ist. Seit elf Jahren ist der Liberale, der eigentlich Prinz zu Solms-Hohensolms-Lich heißt, Mitglied im Präsidium des Deutschen Bundestages – hoch geachtet in allen Lagern. Bisweilen wirkt der 69-Jährige etwas trocken, aber wer ihn als passionierten Motorradfahrer erlebt hat, weiß, dass dem Vater dreier Töchter nichts im Leben fremd ist. In seiner FDP arbeitete er sich vom Steuer- und Finanzreferenten bis zum Fraktionsvorsitzenden (1991–1998) hoch. Über 17 Jahre lang wacht er parallel als Schatzmeister über die Finanzen der FDP.
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Mit ihren roten Strubbelhaaren wirkt Petra Pau noch immer wie eine jugendliche Protestlerin. Dabei gehört die 46-jährige Lehrerin für Deutsch und Kunsterziehung längst zu den etablierten Kräften im Bundestag. Viermal holte die Linke-Politikerin in Berlin ein Direktmandat für ihre Partei – ein bemerkenswerter Rekord. Als die PDS 2002 an der Fünf-Prozent-Hürde scheiterte, hielt sie zusammen mit ihrer Parteifreundin Gesine Lötzsch einsam, aber konsequent die Fahne ihrer Partei im Bundestag hoch. Respektiert von allen Seiten leitet sie seit 2006 souverän und unaufgeregt die Sitzungen des Bundestages.
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Sie ist mit 43 Jahren die jüngste der fünf Vizepräsidenten. Politisch hat sich die studierte Theologin und Mutter zweier Söhne aber schon frühzeitig engagiert: 1989 gehörte Katrin Göring-Eckardt zu den Gründungsmitgliedern der Bürgerbewegungen von „Demokratie jetzt” und „Bündnis 90”. 1998 zog die grüne „Reala” in den Bundestag ein. Nur vier Jahre später stieg sie zusammen mit Christa Sager zur Fraktionschefin der Grünen auf. 2005 wurde sie erstmals zur Vizepräsidentin gewählt. Seit Mai 2009 ist Katrin Göring-Eckardt zu gleich Präses der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland und designierte Präsidentin des 33. Deutschen Evangelischen Kirchentages.
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Text: Sönke Petersen
Erschienen am 17. Dezember 2009
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