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Gültig ab: 05.04.2006 13:32
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Gewählt wird man zu Hause








































Abgeordnete im Wahlkreis

Karin Evers-Meyer kämpft leidenschaftlich dafür, dass die Dinge gut werden. Ihre Art, Politik zu machen, ist für die Menschen im Wahlkreis nachvollziehbar. Das zu schaffen, braucht es Kopf und Herz.

Wasser, Moor, Heide, Strand, Küste, Inseln, städtische Räume, freundliche, offene Menschen – außer Bergen haben wir alles, was das Herz begehrt.“ Die SPD-Abgeordnete Karin Evers-Meyer schaut aus dem Fenster auf das mächtige Reichstagsgebäude, eingehüllt in dichtes Schneetreiben. Eigentlich sollte Frühling sein da draußen, damit die Sehnsucht nach der beschriebenen Landschaft sich im Körper ausbreiten und einen Purzelbaum schlagen kann. „Ich liebe Friesland, ich bin dort groß geworden, meine Kinder sind da aufgewachsen. Wenn ich dort als Politikerin unterwegs bin, kann ich immer auf Erfahrungen zurückgreifen, auf Erlebnisse, Menschen, die ich kenne und die mich kennen. Und wenn ich hier in Berlin bin, habe ich das alles im Gepäck. Etwa den jungen Mann, der durch einen Unfall gelähmt ist und dessen Familie nun das Haus behindertengerecht umbauen muss. Ich versuche zu klären, wie man helfen kann, wer helfen kann. Oder das große Chemieprojekt INEOS, eine Werkserweiterung, die Arbeitsplätze schaffen wird und endlich kurz vor dem Durchbruch steht. Wir brauchen Arbeitsplätze. 14 Prozent Arbeitslosigkeit in meinem Wahlkreis sind nicht hinnehmbar. Oder die Rentnerin, die mich kürzlich angesprochen hat, weil ihre Rente zum Leben nicht reicht.“ Die 56-Jährige lächelt und wischt eine kleine Müdigkeit aus dem Gesicht. Sie trägt eine Kette mit himmelblauen Perlen. Die schlagen sich wacker gegen den grauen Tag vor dem Fenster.

Barrierefreie Räume

Seit kurzem ist Karin Evers-Meyer nicht nur Bundestagsabgeordnete, sie hat auch ein gewichtiges Ehrenamt bekommen: Beauftragte der Bundesregierung für die Belange behinderter Menschen. „Ich will“, sagt sie, „so viel wie möglich für Integration werben. Man darf Menschen nicht in Schubladen packen. Niemand darf das. Wir diskutieren gerade landauf, landab über das Antidiskriminierungsgesetz. Da muss alles rein, was wichtig ist. Das ist eine gewaltige Aufgabe. Barrierefreie öffentliche Räume“, sagt sie und malt mit der rechten Hand einen Bogen in die Luft, „dafür setze ich mich in meinem Wahlkreis seit jeher ein. Und es geht, wenn die Verantwortlichen es wirklich wollen. Glauben Sie mir.“

Wenn die Abgeordnete in ihrem Wahlkreis unterwegs ist, dann kommen immer eine Menge Kilometer zusammen. Der Wahlkreis 27 Friesland-Wilhelmshaven umfasst ein großes Stück Festland und die Inseln Langeoog, Wangerooge und Spiekeroog. Bei Niedrigwasser kommt man auf die nur mit dem Flugzeug. Auf Wangerooge fährt eine niedliche Eisenbahn – rote Lokomotive, blaue Wagons – das Gepäck der Reisenden und Einheimischen durch die Landschaft. Der Flughafen sieht aus wie die Kulisse für einen Kaurismäki-Film und das schönste Café mit der schönsten Aussicht heißt „Café Pudding“. Alles anders, alles spannend, alles weit. Karin Evers- Meyer verbringt viel Zeit mit den Menschen in ihrem Wahlkreis. Ein Tag ist für sie lang und dafür da, die Welt ein bisschen aus den Angeln zu heben. Oder es wenigstens zu versuchen. Zum Beispiel so:

Morgens um 8.30 Uhr wird auf dem Marinestützpunkt Wilhelmshaven längst gearbeitet. Karin Evers- Meyer ist hier bekannt und gern gesehen. Sie weiß Bescheid, ihr muss man nicht erst lange erklären, welche Probleme es gibt und was aktuell anliegt. In der vergangenen Legislaturperiode saß die Abgeordnete im Verteidigungsausschuss. Zurzeit liegt die Fregatte „Karlsruhe“ zur Instandsetzung im Marinearsenal. Das wird man sich nachher anschauen. Erst einmal ein Gespräch im Stützpunkt mit dem Kommandeur und Standortältesten, Kapitän zur See Holger Ott. In den kommenden vier Jahren sind umfangreiche Infrastrukturmaßnahmen geplant – der Bau einer Feuerwache, der Umbau zweier Unterkunftsgebäude, die Sanierung eines Bürogebäudes, der Hafenanlagen und Kaimauern. 9.000 Menschen sind an diesem zweitgrößten Bundeswehrstandort der Republik beschäftigt. „Ich muss“, sagt die Abgeordnete später, „alles mal getan, angefasst, gefühlt, mitgemacht haben. Soweit das möglich ist.“ Wieweit das möglich ist, hat sie bei der Marine bewiesen, als sie vor einiger Zeit vierzehn Tage in Uniform an einer Wehrübung teilnahm. Mit allem Drum und Dran. Das hat ihr Erfahrung vermittelt und Achtung eingebracht.

Um halb elf verlässt man, etwas durchgefroren, aber nicht unfröhlich, die „Karlsruhe“, um nach Wittmund zu fahren. Hier warten der Kommunale Behindertenbeauftragte Helmut Gössling und der Landesbehindertenbeauftragte Karl Finke und zwei Parteikollegen der Abgeordneten. Der ostfriesische Landkreis Wittmund lebt stark vom Tourismus. Erholung ist hier an vielen Orten barrierefrei möglich. „Das hat Zukunft“, sagt die Abgeordnete, „und es ist vorbildlich. Wenn ein Rollstuhlfahrer das Meer sehen möchte, muss er die Möglichkeit haben, auf den Deich zu kommen, er braucht einen Aussichtspunkt, wo er sicher mit seinem Rollstuhl steht, und er braucht einen Steg ins Meer, damit er das Wasser fühlen kann.“ Natürlich, das klingt logisch und somit einfach. Aber viele Menschen müssen sich engagieren und an einem Strang in die gleiche Richtung ziehen, damit aus der Logik auch Realität wird.

Gemeinsames Lernen

Und Realität kann dann aussehen wie Bensersiel. Dahin fährt man nach dem Gespräch mit den Behindertenbeauftragten der Kommune und des Landes. In Bensersiel ist Taka-Tuka- Land, jedenfalls im Tourismuszentrum, wo mitten in einer großen, bunten Halle das Pferd von Pippi Langstrumpf steht – „Kleiner Onkel“, ziemlich groß. Abgeordnete wissen, dass zu fast jedem Termin ein Rundgang gehört. So auch hier und man könnte fast glauben, dass irgendwann Sommer sein wird und Taka-Tuka-Land voller Urlauber ist. Fast, denn da draußen weht ein eisiger Wind und die Abgeordnete wickelt ihren Schal fest um den Hals. Aber was sie sieht, gefällt ihr und ist genau das, was überall sein sollte. „Behinderte müssen hinkommen können, wo sie hinwollen. Es kann doch nicht sein, dass es heute noch Gaststätten gibt, in denen sie nicht bedient werden, weil für sie kein Zugang und kein Platz geschaffen wurde.“ Karin Evers-Meyer landet immer wieder bei diesem Thema. Sie kann und darf es nicht lassen. Und sie lässt es nicht.

Gegen drei Uhr am Nachmittag geht es nach Wangerooge. Mit dem Flugzeug, denn es ist Niedrigwasser, Fähren fahren da nicht. Im Flugzeug sitzt auch der Bürgermeister von Wangerooge, Holger Kohls. Auf der Insel trifft die Abgeordnete einen uralten Bekannten, Bodo, der hier das Gepäck der Ankommenden in die kleine Eisenbahn lädt und über die Insel fährt. „Er ist seit vierzig Jahren auf der Insel, aber in meinem Heimatort groß geworden. Vierzig Jahre reichen ja nicht, um als Insulaner zu gelten. Drei Generationen müssen es schon sein.“

Zuerst besucht man die Inselschule, eine Gesamtschule mit gymnasialer Oberstufe. Gemeinsames Lernen in kleinen Klassen – das klingt wie Zukunftsmusik und ist hier Gegenwart.

Der Bund hat den Ausbau der Schule gefördert, nun ist ein neues Mehrzweckgebäude entstanden, das gut zu dem einstigen Kasernengebäude im Klinkerstil passt. Karin Evers-Meyer konnte zur Einweihung nicht kommen und holt die Besichtigung nun nach. Sie hat sich, gemeinsam mit anderen, sehr dafür stark gemacht, dass die Gelder für den Ausbau kommen, und heute gibt es ein Ergebnis, das sich sehen lassen kann.

Der Abgeordneten sind gute und beste Bildungsangebote wichtig. „Wir haben in meinem Wahlkreis eine Schulabbrecherquote von 15 Prozent. Warum? Weil es hier zum Beispiel viele Familien gibt, die in der dritten Generation von Sozialhilfe leben. Es fehlt an Angeboten zur Frühförderung. Gerade in Regionen wie dieser, wo auch die Arbeitslosigkeit sehr hoch ist.“

Nach dem Schulbesuch geht es zum Bürgermeister. Bei dem gibt es Tee, aufgebrüht in der richtigen Kanne mit dem richtigen Rosenmuster. Schmeckt allerdings ein wenig nach Vanille und die Abgeordnete fragt, ob dies dann noch als echt friesischer Tee durchgehen könne. Man einigt sich auf „gerade so“. Friesen haben den höchsten Pro-Kopf-Verbrauch an Tee, weil sie ein Seefahrervolk waren und noch ein bisschen sind und Tee und Porzellan frühzeitig herbrachten und weil das Wasser früher so schlecht schmeckte. „Ich kenne da eine Gaststätte in Dangast“, erzählt Karin Evers-Meyer und bekommt so einen sehnsüchtigen Blick, „da gibt es den weltbesten Rhabarberkuchen. Seit 70 Jahren soll der unverändert sein. Viereinhalb Tonnen Rhabarber pro Jahr werden da für Kuchen verbraucht.“

Fragen der Genossen

Am späten Nachmittag Rückflug nach Harlesiel und von da weiter nach Wilhelmshaven. Dort findet abends eine Mitgliederversammlung des SPD-Ortsvereins Voslapp statt. Ort des Geschehens ist die Gaststätte „Knurrhahn“. „Es gibt in meinem Wahlkreis 35 Ortsvereine und ich versuche, jeden mindestens einmal im Jahr zu besuchen. Fragen werden da immer gestellt, und nicht zu wenige. Jetzt geht es meist um die große Koalition. Vertragt ihr euch, kriegt ihr eure Themen durch, lasst ihr euch nicht unterbuttern? Das wollen die Genossen natürlich wissen.“ Der „Knurrhahn“ hält innen, was er außen verspricht – irgendwie wirkt alles typisch und ein wenig nostalgisch. Man trinkt ein friesisch-herbes Bier, isst später noch was, sitzt an einem langen Tisch und diskutiert sich in den Abend. Die Bundestagsabgeordnete Karin Evers- Meyer war neun Jahre Landrätin des Landkreises Friesland, sie war Ratsfrau und hat im Niedersächsischen Landtag gesessen. Wenn sie durch ihren Wahlkreis fährt, tut sie dies weiterhin mit neugierigem Blick. Sie weiß, dass die Dinge sich ändern und dass man seine Möglichkeiten nutzen sollte, sie zum Guten zu wenden. „Gewählt wird man zu Hause“, sagt sie, „Politik muss sich aus dem speisen, was man erfährt, sieht, fühlt, lernt, hört.“ Wenn die Friesin in Berlin sitzt, mit Blick auf das Reichstagsgebäude, dem der Schnee inzwischen ein paar weiße Mützen verpasst hat, und über ihre Arbeit redet, ihren Wahlkreis, tut sie das mit eindrucksvoller Vehemenz. Vielleicht kann sie ja Berge versetzen. Nach Friesland. Dann bliebe da kaum noch ein Wunsch offen.

Text: Kathrin Gerlof
Fotos: studio kohlmeier
Erschienen am 10. April 2006

Weitere Informationen:

Karin Evers-Meyer (SPD):
E-Mail: karin.evers-meyer@bundestag.de
Webseite: www.evers-meyer.de

Infos zum Wahlkreis:

Webseite: www.wilhelmshaven.de
Webseite: www.landkreis.wittmund.de
Webseite: www.friesland.de


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