Ich lese gerade das Buch „Paradiesstraße” von Ulla Lachauer.
Bittehnen, Paradiesstraße, Treffen mit Lena — solch einen Kalendereintrag
hat es bei Ulla Lachauer nie gegeben. Völlig unvermutet traf die Journalistin die ostpreußische Bäuerin
Lena Grigoleit, ihre Kuh bei sich führend, auf eben jener Paradiesstraße, die durch das ostpreußische Dorf
Bittehnen führt. Das war 1989, und aus dieser Begegnung entstand das wunderbare Buch „Paradiesstraße”.
„Ich bin ein Glückskind. ... Sonntagskinder, sagte meine Mutter, sind Glückskinder. Ich weiß nicht, was
man als Glück betrachtet. Jedenfalls habe ich in all dem Wirrwarr, den Stürmen und was der Mensch durchzustehen
hatte in meiner Heimat, immer noch Glück gehabt.” So beschreibt Lena Grigoleit, 79-jährig, ihr
Leben. Ihre Lebenserinnerungen hat Ulla Lachauer festgehalten. Wer befürchtet, es handle sich um eine
sentimentale Heimatschnulze, irrt.
Auf 130 Seiten lernen Leserinnen und Leser eine starke und kluge Frau kennen, deren Leben nach heutigen
Maßstäben hart, entbehrungsreich und leidvoll war. Die Liebe zu ihrer Heimat und die ungebrochene Zuversicht
der Lena Grigoleit sind das Herz dieses Buches. Es sind die kleinen großen
Weisheiten der „Paradiesstraße”, die dieses Buch so liebens- und lesenswert machen.
Als Buchhändlerin hatte ich das Glück, meine Leidenschaft für Bücher zum Beruf
zu machen. Jetzt, als Bundestagsabgeordnete, bleibt mir nur wenig Gelegenheit für
mein Hobby. Trotzdem finde ich immer Zeit zum Lesen: So schnell der ICE auch fährt, zwischen
Berlin und Hannover passen immer einige interessante Kapitel. Bücherwurm bleibt Bücherwurm! Auf meiner
Homepage erscheint monatlich ein Buchtipp. Die Tipps kommen aus meinem gesamten Team. Besonders
freue ich mich über die Anregungen meines Auszubildenden.
Dass Lesen darüber hinaus auch zu guten Begegnungen führen kann, erlebte ich unlängst. Schon im ersten
Gespräch mit Ulla Lachauer stellte ich fest, wie sehr wir darin übereinstimmen, dass Geschichte mehr sein muss
als Jahreszahlen und historische Großereignisse, sie muss lebendig werden, Gestalt erhalten, erzählt werden. So
wie die Geschichte von Lena Grigoleit.
Foto: Deutscher Bundestag
Erschienen am 22. März 2007
Gabriele Lösekrug-Möller, Jahrgang 1951, ist seit 2001 Bundestagsabgeordnete und Mitglied der SPD-Fraktion. Sie ist ordentliches Mitglied im Petitionsausschuss und im Ausschuss für Arbeit und Soziales.
E-Mail: gabriele.loesekrug-moeller@bundestag.de
Webseite: www.gabriele-loesekrug-moeller.de
Ulla Lachauer: Paradiesstraße; Rowohlt Verlag Reinbek, 1996, 158 Seiten