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Gültig ab: 05.08.2008 10:19
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„Ich werde nach China kommen”

Vor verschlossenen Türen? Holger Haibach mit einem Gebetsschal aus Tibet vor der chinesischen Botschaft in Berlin
Vor verschlossenen Türen? Holger Haibach mit einem Gebetsschal aus Tibet vor der chinesischen Botschaft in Berlin
© DBT/Rolf Schulten

Holger Haibach (CDU/CSU)

Wer für den Schutz von Menschenrechten kämpft, muss vor allem eines haben — Geduld. Holger Haibach hat sich dieser Aufgabe verschrieben. Der Unionsabgeordnete sitzt im Menschenrechtsausschuss des Bundestages und ist Vorsitzender des Tibet-Gesprächskreises. Er blickt nicht nur aus sportlichem Interesse auf die Olympischen Spiele in Peking. Ihn interessiert, ob China die Menschenrechte achtet — während Olympia und danach.

Wenn sich der Mut eines Abgeordneten danach bemisst, wie oft er den Dalai Lama bei seinem Besuch im Mai in Berlin getroffen hat, dann gehört Holger Haibach zu den mutigsten Volksvertretern im Bundestag. Drei Mal kam er innerhalb eines Tages mit dem Dalai Lama zusammen, öfter als jeder andere Politiker in Berlin. Am Morgen begrüßte er ihn als Vorsitzender des Gesprächskreises Tibet in der Hauptstadt, später saßen Haibach und Unionsfraktionschef Volker Kauder mit dem Tibeter im Berliner Nobelhotel Adlon zusammen, schließlich traf er ihn als Mitglied im Auswärtigen Ausschuss.

Nicht jeder wollte sich mit dem Dalai Lama blicken lassen, als der im Mai Deutschland besuchte. Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) mied den Tibeter — und so den Ärger mit den Chinesen. „Die hatten lautstark vor jedem offiziell aussehenden Treffen mit dem im indischen Exil lebenden geistlichen Oberhaupt der Tibeter gewarnt. Peking betrachtet Tibet als Teil seines Staatsgebiets und wirft dem Dalai Lama separatistische Bestrebungen vor. Angela Merkel, die den Dalai Lama vergangenes Jahr im Kanzleramt empfangen hatte, weilte im Ausland, also wäre der Vizekanzler an der Reihe gewesen. „Es ist kein gutes Zeichen, dass Steinmeier die Anfrage der Tibet-Initiative abschlägig beschieden hat”, diktierte Haibach damals den Reportern in die Blöcke. Steinmeiers stille Diplomatie, so Haibach im Mai, drohe zur „Leisetreterei” zu werden.

Seit er 2002 in den Bundestag gewählt wurde, kümmert sich Haibach um die Menschenrechtspolitik. Im gleichnamigen Ausschuss, im Tibet-Gesprächskreis, in der Versammlung des Europarates oder als Delegationsleiter von Abgeordnetenreisen, etwa nach Weißrussland, Europas letzter Diktatur. Es ist ein ungewöhnlich stilles Geschäft im normalerweise

„Bei uns ist schon beim Frühstück über Politik gesprochen worden.”
lauten Politikalltag. Nichts, außer vielleicht die Reisen an Orte abseits der Touristenströme, wirkt auf den ersten Blick anziehend. Das lange Sitzen in Gremien nicht, das vielsprachige Diskutieren über Berichte nicht. Und die Tatsache, dass im Regelfall kaum einer diese Arbeit bemerkt, auch nicht.

Haibach lehnt sich aus seinem Sessel im Abgeordnetenbüro im Berliner Parlamentsviertel und legt die Ellenbogen auf die Knie. „Ich beneide keinen Sozialpolitiker, der es als großen Erfolg werten kann, wenn er im SGB XII im Artikel 325a die Worte ‚und andere’ einfügen konnte”, sagt er. Klingt da Trotz durch? Haibach winkt ab. „Mit Menschenrechten steht man nicht jeden Tag in den Schlagzeilen”, sagt er. „Aber mich macht zufrieden, wenn ich etwas bewirken kann.”

Langwieriges Geschäft

Gerade hat die parlamentarische Sommerpause begonnen, die meisten von Haibachs Kollegen sind entweder im Urlaub oder haben Termine im Wahlkreis. Für den Hessen aber geht die Arbeit in Berlin weiter. Internationale Menschenrechtsgremien wie der Europarat, in dem er mitarbeitet, halten sich nicht an die sitzungsfreien Wochen der Deutschen. Während das politische Berlin die obligatorischen Sommerfeste feierte, schwitzte Haibach in Straßburg und arbeitete an einem Bericht über das Menschenrechtsverständnis der 47 Mitgliedsstaaten des Europarats. Eine Bezeichnung, die erahnen lässt, wie langwierig dieses Geschäft ist. Mit den schnellen Urgent-Action-Briefen, mit denen man Aufrufe von Amnesty International unterstützen und sich für die Freilassung politischer Gefangener einsetzen kann, hat das wenig zu tun.

In Jeans sitzt der 36-Jährige da und im blauen Hemd, dazu trägt er eine gestreifte Krawatte. Haibach verschränkt die Hände hinter dem Kopf.
„Mit den Menschenrechten steht man nicht jeden Tag in den Schlagzeilen.”
„Natürlich”, sagt er, „wollen die Leute am liebsten einen Politiker, der ihnen, wenn es geht, eine Bundesstraße baut. Doch von Menschenrechten sind die Menschen ganz existenziell betroffen.” In frisch geteerten Straßenkilometern kann Haibach seinen Erfolg nicht messen. Ihm geht es ums Grundsätzliche.

Bewirken kann Haibach etwas im Gesprächskreis Tibet. Er ist Vorsitzender dieser Runde von Abgeordneten aller Fraktionen, die sich in losen Abständen trifft. Gesprächskreise gibt es einige im Bundestag, sogar einen zur Förderung klassischer Sprachen. Sie beschließen nichts Offizielles, dafür können ihre Mitglieder auch mal abseits der Fraktionslinie diskutieren. Sie organisieren Veranstaltungen, zum Beispiel Diskussionspodien, derTibetgesprächskreis zuletzt im Juni zum Thema China und Olympia („Olympia 2008 — Dabei sein ist alles?”). Dabei kamen Degenfechter zu Wort und Ärzte, Sportfunktionäre und der Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung.

Bewirken kann Haibach etwas im Menschenrechtsausschuss des Bundestages, dessen stellvertretender Vorsitzender er ist. In dem Gremium, das die ehemalige SPD-Justizministerin Herta Däubler-Gmelin als Vorsitzende führt, ist die Tagesordnung extrem vielfältig. So berichtet die Regierung den Ausschussmitgliedern beispielsweise über die Ausschreitungen in den Townships in Südafrika, die Abgeordneten entscheiden über Anträge zum Schutz von Flüchtlingen aus Myanmar, es geht um die UN-Wanderarbeiterkonvention und den Opferschutz bei Zwangsheiraten.

Und bewirken kann Haibach etwas in der Parlamentarischen Versammlung des Europarats, eine der ältesten internationalen politischen Organisationen in Europa. Haibach ist als Vertreter des Bundestages dorthin entsandt. Ziel der 47 Mitgliedsländer, darunter Russland, ist vor allem die Förderung von Demokratie und Menschenrechten. Dem dient auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte, der über die Einhaltung der europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) wacht. An diesen Gerichtshof kann sich jeder Bürger wenden, aber erst dann, wenn er in seinem Land den Rechtsweg ausgeschöpft hat. So versuchte dort zum Beispiel der wegen Entführung und Mordes an dem Bankierssohn Jakob von Metzler verurteilte Magnus Gäfgen (vergeblich), das Urteil gegen ihn anzufechten — mit der Begründung, er sei durch die Androhung von Folter von der Frankfurter Polizei zur Aussage gezwungen worden.

Holger Haibach vor bunten Gebetsfahnen bei einem buddhistischen Zentrum in Berlin
Holger Haibach vor bunten Gebetsfahnen bei einem buddhistischen Zentrum in Berlin
© DBT/Rolf Schulten
Krieg für Menschenrechte?

Wer sich all diese Institutionen und ihre Bestimmungen ansieht, merkt schnell, wie umfassend Menschenrechte heute zu verstehen sind — und wie kompliziert ihr Schutz geraten kann. Erstmals waren Menschenrechte in der Zeit der Aufklärung als subjektive, unveräußerliche und universell geltende Rechte eines jeden Menschen definiert worden. Heute schützen die meisten Landesverfassungen und natürlich auch das Grundgesetz Menschen- und Bürgerrechte. Dazu kommen internationale Abkommen wie die UN-Erklärung der Menschenrechte oder die Anti-Folterkonvention. Ein weiterer wichtiger Schritt war 1998 die Schaffung eines Internationalen Strafgerichtshofs in Den Haag, wo Staatsoberhäuptern und ihren Handlangern erstmals auf internationaler Ebene der Prozess gemacht werden kann. Umstritten ist, ob Krieg geführt werden darf, um die Einhaltung von Menschenrechten durchzusetzen.1999 war dies der Fall, als sich Deutschland im Rahmen der Nato an den Angriffen gegen Miloševič beteiligte, um die ethnischen Säuberungen im Kosovo zu stoppen. Das warf Fragen auf, die bis heute ungelöst sind: Ist die Gewährleistung der Menschenrechte im Völkerrecht der Gegenwart noch eine innere Angelegenheit der Staaten? Und: Wer bestimmt eigentlich, was innere Angelegenheiten sind?

Haibach hat keine fertigen Antworten darauf und tut auch gar nicht so. „In den großen außenpolitischen Fragen verhebt man sich oft”, sagt er und beschreibt das am Dauerkonflikt zwischen Israelis und Palästinensern. „Brauchen wir wirklich schon wieder die nächste
„Ich bin nicht mit dem Anspruch nach Berlin gegangen, die Welt zu verändern.”
Roadmap, das nächste Annapolis?” Der Hesse plädiert für kleine Schritte und vergisst nicht zu erwähnen, dass sein Wahlkreis im Hochtaunus als einziger deutscher Landkreis eine Partnerschaft mit einem Landkreis in Israel unterhält.

Solches Engagement ist in Haibachs Heimat keine Seltenheit. Der Hochtaunuskreis ist im Schnitt einer der reichsten in Deutschland. Viele Stiftungen haben hier ihren Sitz, bürgerliches Engagement — in Vereinen, im Lions Club, bei den Rotariern — wird großgeschrieben, Philanthropie keinesfalls nur als Marotte der Amerikaner verstanden. „Ein gewisser Wohlstand wird hier auch als Verpflichtung betrachtet”, sagt Haibach und verweist auf gleich zwei Initiativen, die strahlenkranke Kinder aus Tschernobyl an deutsche Kliniken holen.

Ein weißer Gebetsschal liegt unter Bildern, die alte Pfarrhäuser aus Fachwerk zeigen und Stadtansichten aus dem Mittelalter. Damit schmückt Haibach sein Abgeordnetenbüro. Über der Beschäftigung mit der Politik auf internationaler Ebene hat Haibach nicht vergessen, wo er herkommt. Politik hat er im ganz Kleinen gelernt — und macht das noch heute. Zusätzlich zu seiner Arbeit im Bundestag sitzt er im Kreistag seines Wahlkreises und im Gemeindeparlament seiner Heimatgemeinde Weilrod. Vorsitzender der Freiwilligen Feuerwehr ist er auch.

Wertgebundene Außenpolitik

Bevor Haibach 2002 direkt in den Bundestag gewählt wurde, war er persönlicher Referent von Landrat Jürgen Banzer, heute Justizminister in Hessen. Die Chefetage im Landratsamt galt damals als Talentschuppen für die Hessen-CDU. Sein Onkel Hartmut Haibach ist bei den Freien Wählern und Bürgermeister von Weilrod. „Bei uns ist schon beim Frühstück über Politik gesprochen worden”, sagte Haibach während seiner ersten Legislaturperiode einer Regionalzeitung.

„Ich bin nicht mit dem Anspruch nach Berlin begangen, die Welt zu verändern”, sagte er damals bescheiden. Heute bereist er sie. Etwa auf den Spuren des Außenministers, den Haibach, da ist er ganz Parteipolitiker, als Verwalter Schröder'scher Geschäftspolitik sieht. Als Steinmeier die autokratisch regierten Staaten Zentralasiens besuchte, auch um auszuloten, welche Gasförder- und Ölexportmöglichkeiten diese bieten, mahnte Haibach einen stärkeren Bezug auf Menschenrechte an. Ihre Einhaltung sei „Bedingung für den Dialog mit den Regierungen” Usbekistans, Turkmenistans oder Kasachstans. Die Union bezeichnet diesen Ansatz heute als „wertgebundene Außenpolitik” und führt sie etwa auch gegen China ins Feld. Haibach findet das Schlagwort richtig und erklärt, warum. „Wenn ich in diesen Ländern bin, sagen mir die Oppositionellen oft: Ihr müsst dafür sorgen, dass auch wir in euren Ländern gehört werden.”

Kann jemand, der diese Mahnung ständig mit sich trägt, mit Freude den Olympiawettkämpfen zusehen? Sicher, sagt Haibach, und fügt hinzu: „Mich interessiert eher, was nach der Olympiade passiert.” Natürlich habe sich China stark verändert, sagt Haibach. „Unter Mao war der Besitz der Bibel strafbar. Heute wird sie millionenfach verkauft.”

Nur, dass er sich gern einmal selbst ein Bild davon machen würde, welche Fortschritte es in Chinas Städten gibt und wie schlimm die Lage für seine Millionen Landarbeiter heute ist. Aber jeder Versuch, für sich und einige andere Abgeordnete ein Visum zu bekommen, ist bisher gescheitert. „Die Chinesen haben nie gesagt, das geht nicht”, erinnert sich Haibach, „es hieß immer, jetzt ist nicht der rechte Zeitpunkt.” Zuletzt hat er im Juni versucht, nach China und auch Tibet zu reisen. Vergeblich. Aber Haibach verfolgt sein Ziel weiter. An immer neue Hürden und Rückschläge ist er in der Menschenrechtspolitik gewöhnt. Haibach ist sich sicher: „Ich werde nach China kommen.” 

Interview: Peter Müller
Erschienen am 13. August 2008

Zur Person:

Holger Haibach, Jahrgang 1971, gehört dem Bundestag seit 2002 an. Der CDU/CSU-Abgeordnete ist verheiratet und hat in Gießen auf Lehramt studiert. Schwerpunkt seiner Arbeit im Parlament ist die Menschenrechtspolitik. Besucht der Dalai Lama Deutschland, gehört Haibach zu dessen wichtigsten Gesprächspartnern.

E-Mail: holger.haibach@bundestag.de
WWW: www.holger-haibach.de


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