Politik heißt Detailarbeit. Viele Bundestagsabgeordnete bearbeiten ungewöhnliche Spezialgebiete. Ina Lenke tritt dafür ein, für anonyme Geburten eine gesetzliche Regelung zu finden.
Nicht immer sind Mütter so glücklich über ihr
Kind wie auf diesem Foto. Obwohl im Koalitionsvertrag
vereinbart wurde, die Erfahrungen
mit anonymen Geburten und der Nutzung von
Babyklappen auszuwerten und danach gesetzliche Regelungen
zu schaffen, ist dies bislang nicht geschehen.
Seit 1999 gibt es in der Bundesrepublik Babyklappen.
Insgesamt sind es 76. Es gibt auch ausreichend Krankenhäuser,
in denen schwangere Frauen, die anonym bleiben wollen, entbinden
können. Aber Fakt ist, dass sich sowohl die Frauen als
auch das helfende Krankenhauspersonal nach geltendem Recht
strafbar machen. Deshalb erheben Ärzte und Ärztinnen zu
Recht die Forderung, diesen unhaltbaren Zustand zu beenden
und anonyme Geburten
rechtlich abzusichern. Es geht hier um
Frauen, die sich in höchster Not befinden, und es geht darum,
das Leben von Neugeborenen zu schützen.
Meine Fraktion hat im vergangenen Jahr zur Auswertung
der Erfahrungen mit anonymen Geburten
eine Große Anfrage
an die Bundesregierung gestellt. Nicht alle Daten und Fakten
sind bereits erhoben, aber klar ist: Die Hälfte der Schwangeren,
die sich anonym beraten lassen, geben ihre Anonymität
nach der Geburt auf und nehmen das Kind mit nach Hause.
Wird die Anonymität nicht aufgehoben, wird das Kind zur
Adoption freigegeben. Darunter sind auch Mütter, die ihre
Kinder in eine Babyklappe gelegt haben. Das ist der wirkliche
Erfolg dieser Angebote.
Es gab bereits 2002 einen Gesetzentwurf zur Regelung
anonymer Geburten, der von SPD, CDU, CSU und FDP im
Bundestag getragen wurde. Aber wir haben dieses Gesetz
noch immer nicht. Ich weiß um das Spannungsverhältnis zwischen
dem Recht des Kindes auf Leben und auf Kenntnis der
eigenen Abstammung. Daran wird sich nichts ändern lassen.
Beides sind Grundrechte. Aber es wird immer wieder Mütter
geben, die ihre Anonymität nicht aufgeben wollen. Damit
müssen wir leben und das muss geregelt werden. Wir sollten
also zügig und fraktionsübergreifend Lösungen finden, die
unserer Verfassung Rechnung tragen, schwangeren Frauen in
extremen Notsituationen helfen und Geburtshelferinnen und
-helfern Rechtssicherheit geben. Denn was wir auf jeden Fall
wissen: Eine Begleitung der anonymen Geburt birgt immer die
Chance, dass die Mutter ihre Anonymität aufgibt und sich für
ihr Kind entscheidet.
Erschienen am 13. August 2008
Ina Lenke, Jahrgang 1948, ist frauen- und
familienpolitische Sprecherin
der FDP-Fraktion, Mitglied im
Ausschuss für Familie, Senioren,
Frauen und Jugend sowie stellvertretendes
Mitglied der Kinderkommission
des Bundestages.
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