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Gültig ab: 20.09.2006 10:19
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Mosaik aus Bildern und Menschen

Die Mitglieder der Kunstgruppe KUNST INTERN.
Die Mitglieder der Kunstgruppe KUNST INTERN.

Die Kunstgruppe ins Leben gerufen: Siegfried Knittel.
Die Kunstgruppe ins Leben gerufen: Siegfried Knittel.

Gebäude des Parlaments neu entdeckt: Vernissage der Ausstellung „Innen und Außen — Reflexionen zur Architektur im Regierungsviertel“.
Gebäude des Parlaments neu entdeckt: Vernissage der Ausstellung „Innen und Außen — Reflexionen zur Architektur im Regierungsviertel“.

Siegfried Knittel im Gespräch auf der Vernissage.
Siegfried Knittel im Gespräch auf der Vernissage.

Kunstvolle Details im Gruppenraum in der Luisenstraße.
Kunstvolle Details im Gruppenraum in der Luisenstraße.

Ein Raum für die Kunst: In der Luisenstraße trifft sich die Gruppe zum Reden, Planen, Experimentieren.
Ein Raum für die Kunst: In der Luisenstraße trifft sich die Gruppe zum Reden, Planen, Experimentieren.

Menschen: Kunstgruppe KUNST INTERN

Siegfried Knittel hat 2001 die Gruppe KUNST INTERN im Deutschen Bundestag ins Leben gerufen. Und festgestellt, dass es in der Verwaltung des Parlaments so manche Künstlerin und so manchen Künstler gibt.

Scherbenhaufen sind eine Herausforderung. Was lässt sich daraus machen? Man kann die Scherben nach Farben und Größen sortieren, ein Bild auf eine Schablone malen und dann die Glasstücke mithilfe von Blei oder Kupfer aneinanderfügen. Siegfried Knittel hat in seinem Leben schon Kunstverglasungen gemacht, die so schön sind, dass man beim Betrachten das Wort „Licht“ buchstabiert.

Siegfried Knittel ist jemand, der Dinge sammelt — vom kaputten Toaster bis zur irgendwo gefundenen bunten Glasflasche kann er alles gebrauchen. Die Dinge kommen bei ihm zu Hause in den Keller und irgendwann ist der Toaster vielleicht Teil eines Bildes, einer Collage, einer anderen Sicht auf die Welt. Um zu beschreiben, was der 56-Jährige mit den sehr blauen Augen macht, ist das Wort „ausprobieren“ wichtig. Siegfried Knittel ist ein Ausprobierer. Wenn es das Thema fordert und die Lust am Experiment dazukommt, wird eine neue Technik versucht. Das kann sperrig sein. Es kann gelingen und es kann schiefgehen. Aber Kunst lebt nicht von der Routine.

Im September 2006 wurde im Foyer des Bundestagsgebäudes Unter den Linden 62—68 eine Ausstellung der Gruppe KUNST INTERN mit dem Titel „Innen und Außen — Reflexionen zur Architektur im Regierungsviertel“ eröffnet. Die Ausstellenden arbeiten in der Verwaltung des Bundestages. Sie sind, wie Siegfried Knittel, Mitarbeiter im Ausschussassistenzdienst, sitzen in der Postverteilung, arbeiten in Abgeordnetenbüros oder beim Reinigungs- oder Pfortendienst. Sie sind alle Kunstinteressierte und künstlerisch Begabte. Sie arbeiten mit Aquarellfarben, Acryl und Öl, sie malen und zeichnen auf Papier und Seide, experimentieren mit Techniken, Werkzeugen und Sujets, sie fotografieren und entwerfen Collagen. Es macht ihnen Spaß.

Arbeitsumfeld als Ausstellungsthema

Eine Ausstellung im Bundestag zu bekommen, ist nicht ganz einfach. Da muss viel Überzeugungsarbeit geleistet werden und es müssen sich ausreichend Befürworter finden. KUNST INTERN ist keine Gruppe von Profis, aber eine mit hohem Anspruch an sich selbst. „Die erste Ausstellung war ein Spiegelbild aller Mitglieder der Kunstgruppe“, erzählt Siegfried Knittel. „Das war 2003. Zu bunt gemischt war diese Exposition, wie wir dann schnell wussten. Man braucht ein Thema, zu dem alle arbeiten, dann sind auch die unterschiedlichen Techniken sinnvoll und schön. Nach diesem ersten Versuch haben wir angefangen, in der Gruppe zu diskutieren. Was wollen wir, haben wir gefragt, und gesagt: Unser Umfeld reflektieren zum Beispiel. Das ist ein Thema.“

Die Ausstellung 2006 bekam so ihr Thema. Sie reflektierte das Umfeld, in dem die Mitarbeiter der Gruppe täglich arbeiten, die Gebäude des Parlamentsviertels. Das tat ihr gut. Auch der Rahmen für die Vernissage stimmte. Es gab schöne Musik vom Kammerorchester der Musikgemeinschaft des Bundestages, der Direktor des Bundestages sprach gute Worte, viele Leute waren gekommen und es nährte sich Hoffnung, vielleicht doch irgendwann einmal in noch größerem Rahmen im Bundestag ausstellen zu können. Wünschen tun es sich alle in der Gruppe KUNST INTERN. Das sind zurzeit zehn Menschen. Am Anfang seien es viel mehr gewesen, sagt Siegfried Knittel, aber nun gebe es diese recht feste Gruppe und so arbeite es sich gut. Man habe bereits viel miteinander gemacht. Man sei in Ausstellungen gegangen, habe Workshops besucht, Veranstaltungen organisiert, viel über sich und die anderen erfahren. Horizonte seien weiter geworden und die Lust an der Kunst und am künstlerischen Arbeiten sei gewachsen.

Siegfried Knittel erzählt dies alles mit leiser Stimme und einem weichen Dialekt, den er vielleicht seiner Herkunft zu verdanken hat. Er kommt aus dem Schwarzwald und hat sich, wie er sagt, durch die halbe Republik bewegt. Beim Bundestag ist er erst seit 1999, seine Frau war schon in Bonn Mitarbeiterin eines Abgeordnetenbüros. Als es an den Umzug nach Berlin ging, hat Siegfried Knittel seine Arbeit als Haustechniker in einem Einkaufscenter aufgegeben und ist Mitarbeiter im Plenarassistenzdienst geworden. Bereut hat er es nicht — Berlin ist eine großartige Stadt, die Arbeit gefällt ihm gut und seine Kunst hat er nicht aufgeben müssen, sondern weiterentwickeln können. Er hat die Gruppe KUNST INTERN von Beginn an zusammengehalten. Er ist der Motor, wenn auch auf eine ganz und gar zurückhaltende und sich zurücknehmende Art und Weise. Aber laut muss es ja ohnehin nicht zugehen in einer solchen Gruppe.

In der Luisenstraße 32, einer Bundestagsliegenschaft, hat die Gruppe KUNST INTERN einen Raum, in dem man sich treffen, arbeiten und reden kann. Sieht aus wie eine kleine Werkstatt, Bilder stehen an den Wänden, an der Stirnseite eine Arbeitsplatte, auf der Glasstücke nach Farben und Größe sortiert sind. In der Mitte des Raumes ein langer Tisch, auf dem Kataloge liegen, in denen man blättern und schauen kann, was die Mitglieder der Kunstgruppe machen: Assemblagen, Glaskunst, Ölbilder, Copy-Art, Grafiken, Acrylbilder, Lack auf Aluminium und Lack hinter Glas, Collagen, Mischtechniken, Aquarelle, Bilder auf Seide gemalt, Fotografien digital bearbeitet. Die Liste ist lang und sie ist beeindruckend.Hier wird experimentiert und probiert. Manche bleiben auch bei ihrer einmal gefundenen Lieblingstechnik und Ausdrucksform, entwickeln sich über die Spannbreite vieler Themen weiter.

Nach der erfolgreichen Ausstellung im September traf sich die Gruppe im November, um über nächste Projekte zu reden. An diesem stürmischen Abend konnten nur vier kommen und über die Frage diskutieren, welches Thema alle Mitglieder der Gruppe interessieren und inspirieren würde. Katja Fischer, Mitarbeiterin eines Abgeordnetenbüros, schlug vor, dass sich alle in der Fotografie versuchen, Ratimir Britvec, ein Fraktionsmitarbeiter von Bündnis 90/Die Grünen, wollte sich gern mit dem Thema Krieg auseinandersetzen. Oder Klonen. „Klonen“, fragten die anderen, das könne man sich aber auf den ersten Blick nicht so recht vorstellen. Katja Fischer wollte dann von Siegfried Knittel wissen, welches Thema er denn gern für eine Ausstellung bearbeiten würde. „Religion“, sagt der. Wer ihn kennt, weiß, dass er sich in seinen Arbeiten schon oft und lange mit dem Thema „Opfertod“ auseinandergesetzt hat.

Verfremdung bringt neue Sichtweisen

Im Katalog, der auf dem Tisch liegt, sind Assemblagen — Collagen mit plastischen Objekten — von ihm zu sehen, die Titel tragen wie „Ressourcensucher oder über Wahrheit und Lüge im Lichte hegemonialer Interessen“ oder „Irakisches Kreuz“: ein Werk, für das fünf willkürlich gewählte Bilder von Bombardements in Kreuzform montiert wurden. Das sind schwere und schwierige Themen, die bereits aus sich selbst heraus einen großen Anspruch erheben. Für die Ausstellung in Unter den Linden hatte sich Siegfried Knittel in einer für ihn neuen Technik versucht: digitale Fotobearbeitung. Entstanden sind Außenansichten vom Parlamentsviertel, die durch die Verfremdung einen anderen Blick ermöglichen. Etwas melancholisch und ein bisschen sphärisch wirken die Bilder.

Die kleine Gruppe diskutierte an diesem Abend lange und entwickelte eine Reihe von Vorschlägen, die man mit den anderen besprechen wird. Welches Ausstellungskonzept am Ende entsteht, wird sich zeigen. Es gibt so viele Möglichkeiten. Die Zeit von der ersten Überlegung bis zur Vernissage ist meist ziemlich lang. Eine Gruppe muss sich finden, sich einverstanden erklären mit einem Projekt, Zeit zum Arbeiten haben, eine Auswahl treffen. Ein Ort muss gefunden werden für die Ausstellung und Mitstreiter müssen her. Das alles nebenher, denn der eigentliche Beruf ist dies ja nicht. Sondern einfach nur Arbeit nach der Arbeit. Zeitaufwendig und mit viel Energie und Engagement getan.

Es kann noch viel entstehen und gewagt werden. Wie bei einem Mosaik lassen sich die Teile der Gruppe unterschiedlich fügen und daraus verschiedene Projekte entwickeln. Siegfried Knittel sagt, das sei ein langer Prozess. Aber es lohne sich, daran mitzutun.

Text: Kathrin Gerlof
Fotos: studio kohlmeier
Erschienen am 31. Januar 2007


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