Blickpunkt Bundestag:
Welche Möglichkeiten hat der Deutsche Bundestag, zu einer nachhaltig zukunftsverträglichen Entwicklung beizutragen?
Ernst-Ulrich von Weizsäcker:
Der Bundestag hat sich in einer mutigen Entscheidung zum Prinzip gleicher
Emissionsrechte für alle Erdenbürger bekannt. Das ist letztlich der einzige Weg, auch die Entwicklungsländer
am Klimaschutz zu beteiligen. Wenn es politische Wirklichkeit wird, schafft das gehörigen Druck, auch radikale
Maßnahmen anzupacken. Etwa eine gleitend ansteigende Verteuerung der Energie. Dann werden Wirtschaft
und Verbraucher die immer noch grassierende Verschwendung schrittweise beenden, im Norden wie im
Süden. Dann kommt eine neue Technikgeneration zum Durchbruch: Autos, die nur noch zwei Liter pro
hundert Kilometer brauchen, Häuser ohne Heizkosten, Lampen mit einem Zehntel des heutigen Stromverbrauchs,
eine Landwirtschaft, die mehr Energie produziert als verbraucht.
Blickpunkt:
Die Staaten der EU haben erhebliche Anstrengungen in Richtung CO2-Reduzierung und umweltverträgliche Produktion unternommen. Werden diese Erfolge nicht durch den enormen Umweltverbrauch in den aufstrebenden Schwellenländern wie China und Indien wieder zunichte gemacht?
von Weizsäcker:
Wir haben zwar die Schadstoffe weitgehend verbannt,
aber der Ressourcenverbrauch pro Kopf hat praktisch nicht abgenommen. China und Indien verbrauchen
pro Kopf viel weniger als wir. Es wäre arrogant, wenn wir das Problem dort suchen. Aber natürlich gibt es auch
vieles, was wir gemeinsam unternehmen können, damit Chinesen und Inder nicht sämtliche Fehler
nachmachen, die wir vor 50 Jahren gemacht haben, etwa den Verkehr von der Schiene auf die Straße und
in die Luft zu verlagern.
Blickpunkt:
Wie kann die internationale Staatengemeinschaft die größten Klimasünder in die Pflicht nehmen?
von Weizsäcker:
Das Beste ist das Preissignal. Wir haben in der EU, und darauf dürfen wir stolz sein, den
Emissionshandel eingeführt. Momentan sind zwar die Emissionspreise sehr niedrig, aber das ändert sich auch wieder. Eleganter als die verwaltungsmäßig aufwändigen Emissionslizenzen ist die ökologische Steuerreform: Arbeit muss billiger, Energieverbrauch teurer werden. Geschieht das langsam und langfristig vorhersehbar, werden Investoren, Ingenieure und Konsumenten die Energieeffizienz ansteuern.
Foto: Picture-Alliance
Erschienen am 22. März 2007
Professor Ernst-Ulrich von Weizsäcker, Jahrgang 1939, ist Dekan der Bren School of Environmental Science and Management der University of California. Von 1998 bis 2005 war er Mitglied des Bundestages, 2000 bis 2002 Vorsitzender der Enquete-Kommission „Globalisierung der Weltwirtschaft — Herausforderung und Antworten” und ab 2002 Vorsitzender des Umweltausschusses.