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Informationen über dieses Dokument: Seitentitel: Eine Sitzungswoche im Bundestag
Gültig ab: 27.06.2004 00:00
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Eine Sitzungswoche im Bundestag

Bild: Markus Kurth, Bündnis 90/Die Grünen, mit Handy
11.30 Uhr - Markus Kurth, Bündnis 90/Die Grünen, vor dem Plenarsaal.

Bild: Ilse Aigner, CDU/CSU
13.00 Uhr - Ilse Aigner, CDU/CSU, an der Tür zum Andachtsraum im Reichstagsgebäude.

Bild: Gabriele Groneberg, SPD
13.30 Uhr - Gabriele Groneberg, SPD, während einer Debatte über erneuerbare Energien.

Bild: Antje Tillmann, CDU/CSU, beim Einsteigen in ein Auto
15.00 Uhr - Auf Antje Tillmann, CDU/CSU, wartet bereits Arbeit in ihrem Wahlkreis in Erfurt.

Bild: Sibylle Laurischk, FDP
17.00 Uhr - Sibylle Laurischk, FDP, bei einer Veranstaltung im Deutschen Historischen Museum.

Freitag

Freitagmorgen – Moment der Vorfreude. Viele Abgeordnete freuen sich, heute nach fünf langen Tagen ihre Familie wiedersehen zu können. Mancher rollt den Koffer mit ins Reichstagsgebäude, um von der Sitzung schnell aufbrechen und den gebuchten Flieger kriegen zu können. Denn auch im Heimatwahlkreis ist der Freitag traditioneller Sitzungstag – örtliche Stadt- oder Kreisparteitage erwarten die Anwesenheit und aktuelle Vorträge von „ihrer“ Frau oder „ihrem“ Mann in Berlin. Doch davor steht noch einmal ein Sitzungstag mit einigen zeitlichen Unwägbarkeiten. Besonders, wenn die folgende Kalenderwoche keine Sitzungswoche ist. Dann müssen immer wieder noch wichtige Gesetzesvorhaben parlamentarisch mit dem letzten „Kick“ im Bundestag versehen werden, damit sie auf dem Weg ins Bundesgesetzblatt wichtige Termine einhalten.

Denn jedes Gesetz muss nach der Verabschiedung im Bundestag erst noch einmal in den Bundesrat. Und dessen Sitzungsrhythmus steht lange im Voraus fest. Wenn Gesetze zu bestimmten Stichtagen in Kraft treten sollen, müssen sie rechtzeitig in der Länderkammer ankommen. Deren Votum hat je nach Gesetzesmaterie unterschiedliches Gewicht. Sind es Regelungsbereiche, in denen die eigene Zuständigkeit der Bundesländer berührt wird, ist die Zustimmung zwingend erforderlich. Stellt die Länderkammer dann die Gesetzesampel erst einmal auf Rot, gibt es die Möglichkeit, im Vermittlungsausschuss mit Vertretern aus Bundestag und Bundesrat zu einem Kompromiss zu kommen, mit dem beide Seiten leben können. Dann muss das Ergebnis des Vermittlungsausschusses erst ein weiteres Mal durch beide Kammern. Oft am Freitag, weil der Vermittlungsausschuss häufig am Mittwoch bis in die späten Abendstunden tagt.

Abreise ungewiss

Ist hingegen nur die Beteiligung des Bundesrates notwendig und reagiert dieser nach Anrufung des Vermittlungsausschusses mit einem Einspruch, so kann diese Hürde durch erneute Abstimmung im Bundestag beiseite geräumt werden. Allerdings ist zum Zurückweisen dieses Einspruchs eine Mehrheit der Mitglieder des Bundestages notwendig. Die Mehrheit der anwesenden Abgeordneten reicht nicht. Und das bedeutet, dass angesichts der knappen Stimmenverhältnisse auch am Freitag häufig die vollständige Präsenz im Regierungslager erreicht werden muss. Und wenn das Vorhaben drängt, damit das Gesetz rechtzeitig zu einem bestimmten Stichtag in Kraft treten kann, dann ist die Abreise der Abgeordneten am Freitag ungewiss. Denn erst nach dem Ende der Sitzung im Bundesrat am Freitagmittag oder Freitagnachmittag und der Zustellung des Abstimmungsergebnisses in der Länderkammer beim Bundestag kann dieser erneut über das Gesetz entscheiden und gegebenenfalls den Einspruch des Bundesrates zurückweisen. Da heißt es mitunter warten, warten, warten.

Der Freitag ist also auch noch einmal der Tag der Abstimmungen. Das Parlament kennt vier verschiedene Arten. Die einfachste ist das Handaufheben. Diese wird gewöhnlich bei Entscheidungen über Resolutionen und bei Beschlüssen über die Weiterbehandlung von Initiativen, also der Überweisung in die Fachausschüsse, angewandt. Auch die zweite Lesung über einen Gesetzentwurf geschieht per Handzeichen. Bei der dritten und abschließenden Lesung wird um Zustimmung per Aufstehen gebeten. Das aufwändigste Entscheidungsverfahren ist die geheime Abstimmung, wie sie etwa bei der Wahl des Bundeskanzlers vorgesehen ist. Dann werden alle Abgeordneten mit einer Wahlkarte und einem Stimmzettel ausgestattet. Das Kreuz wird dann in Wahlkabinen hinter dem Plenarsaal gemacht, die Wahlkarte als Berechtigungsnachweis zur Abgabe des Stimmzettels vorgelegt.

Häufiger ist die namentliche Abstimmung. Dabei wird das Verhalten jedes einzelnen Abgeordneten dokumentiert und auch im Stenographischen Bericht des Bundestages festgehalten. Zu diesem Zweck versorgt sich jeder Abgeordnete aus seinem persönlichen Fach neben den Eingängen zum Plenarsaal mit kleinen Plastikkärtchen im Kreditkartenformat. Die Stimmkarten gibt es in drei Farben; die blaue bedeutet „Ja“, die rote „Nein“ und die weiße „Enthaltung“. Auf den Karten befindet sich zudem sein Name und ein maschinenlesbarer Balkencode, aus dem der Name und die Fraktionszugehörigkeit des Abstimmenden hervorgeht. Die Abgeordneten werfen ihre Karte in eine der Urnen im Plenarsaal. Dahinter haben sich die Parlamentarischen Geschäftsführer platziert und halten eine farbige Karte hoch – um die eigenen Leute daran zu erinnern, auf welches Abstimmungsverhalten sich ihre Fraktion geeinigt hat. Aber natürlich bleibt jedes Mitglied des Bundestages in seinem persönlichen Abstimmungsverhalten frei.

Durchdringendes Klingelzeichen

Ein weiteres Zählverfahren, ist der so genannte Hammelsprung. Der wird angewandt, wenn die Mehrheiten im Saal schwer festzustellen sind. Dann verlassen alle Abgeordneten den Plenarsaal und kommen durch verschiedene Türen wieder hinein – es gibt dann eine Ja-, eine Nein- und eine Enthaltungstür. Der Vorgang hat für die Regisseure des Parlamentsgeschehens in den einzelnen Fraktionen den Vorteil, schnell noch weitere Mitglieder benachrichtigen und sie ebenfalls zur Teilnahme herbeiholen zu können. Wenn derartige wichtige Abstimmungen laufen, ertönt in allen Häusern des Bundestages ein durchdringendes Klingelzeichen, damit alle Abgeordneten wissen, dass sie nun schleunigst in den Plenarsaal gehören.

So herrscht Anspannung oftmals bis in die letzte Minute der Arbeitswoche des Parlaments – und für viele Abgeordnete ist auch nach einer 70-Stunden-Woche noch nicht Schluss. Denn zu Hause warten nicht nur Familie, Erholung und Entspannung.

Text: Gregor Mayntz
Fotos: Phalanx Fotoagentur

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Vermittlungsausschuss: Der Vermittlungsausschuss besteht aus 16 Vertretern des Bundestages (nach dem Stärkeverhältnis der Fraktionen) und 16 Vertretern des Bundesrates (für jedes Bundesland einer). Der Vorsitz wechselt vierteljährlich zwischen Parlament und Ländervertretung. Wenn der Bundesrat einem vom Bundestag beschlossenen Gesetz die Zustimmung verweigert, kann der Vermittlungsausschuss sich um einen Kompromiss bemühen.

Stenographischer Bericht: Jede Rede, jede Erklärung, jeder Zwischenruf und alle Beifallsbekundungen werden von Stenographen im Plenum protokolliert, so dass man sich ein genaues Bild machen kann. Nach der Übertragung der Mitschrift in die amtliche Form kann der Redner noch zwei Stunden lang stilistische (keine inhaltlichen) Korrekturen vornehmen. Unter www.bundestag.de ist ein Teil des Protokolls oft schon nach wenigen Stunden eingestellt.

Hammelsprung: Wenn das Handaufzeigen kein eindeutiges Votum ermöglicht, verlassen die Abgeordneten den Plenarsaal und machen ihre Stimmabgabe dadurch deutlich, dass sie durch eine Ja-, eine Nein- oder eine Enthaltungstür wieder hineinkommen. Der drastische Name wird auf ein Intarsienbild im alten Reichstag über einer der Türen zurückgeführt: Es zeigte den Polyphem aus der Odysseus-Sage beim Zählen seiner Hammel.


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