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Gültig ab: 18.06.2008 10:19
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Überraschungsbesuche bei der Truppe

Der Wehrbeauftragte Reinhold Robbe im Gespräch mit einem Rekruten während einer Übung im Gelände
Der Wehrbeauftragte Reinhold Robbe im Gespräch mit einem Rekruten während einer Übung im Gelände
© DBT/Anke Jacob

Der Wehrbeauftragte — ein besonderes Kontrollorgan

Im Grunde ist der Wehrbeauftragte ein Phänomen. Wer diese Bezeichnung in den Mund nimmt, hat vieles im Kopf, aber kaum das Bild eines „Beauftragten” für ... — ja, für was eigentlich? Die Patientenbeauftragte kümmert sich um die Anliegen von Patienten, die Drogenbeauftragte um Probleme des Drogenmissbrauchs. Aber was macht der „Wehr”-Beauftragte?

Sein Metier sind eben „Wehr-Belange”, könnte man sagen. Das ist allerdings zunächst mal eine ziemlich spröde Vorstellung. Obendrein lässt er sich nicht in die Aufzählung anderer Beauftragter der Regierung einreihen. Denn er wird vom Bundestag „beauftragt”. Trotzdem hat der Wehrbeauftragte in der Bevölkerung, im Bundestag und vor allem in der Bundeswehr ein hervorragendes Ansehen. Das beweist, wie wichtig sein Job ist und wie überzeugend er von den jeweiligen Amtsinhabern offensichtlich wahrgenommen wurde und wird.

Wie so häufig in der Politik spielten bei der Entstehung des Wehrbeauftragtenamtes persönliche Erfahrungen eine Rolle. Als der Bundestag Mitte der 50er-Jahre daran ging, zunächst nicht vorgesehene deutsche Streitkräfte doch noch ins Leben zu rufen, suchte das Parlament nach zusätzlichen Kontrollmöglichkeiten. Der SPD-Abgeordnete Ernst Paul war während der NS-Zeit nach Schweden emigriert und hatte dort die Institution des „Militie-Ombudsmannes” kennengelernt. Diese wurde zum Vorbild für eine ähnliche Einrichtung in Deutschland, die aber sofort ihre eigene Ausprägung entwickelte.

Jeder Amtsinhaber setzt eigene Akzente. Die nötige Freiheit bezieht er aus seiner besonderen Stellung. Er ist weder Mitglied des Bundestages noch ein weisungsgebundener Beamter. Er wird geheim und ohne Aussprache vom Bundestag gewählt, und zwar für fünf Jahre. Er ist also nicht an die Wahlperiode des Bundestages gebunden. Zudem kann er wiedergewählt werden. Optisch kommt seine besondere Stellung schon durch die Sitzordnung im Parlament zur Geltung. Ein einzelner Platz, nicht bei den Abgeordneten, nicht bei der Regierung, sondern seitlich neben dem Bundestagspräsidenten und den Schriftführern ist für ihn reserviert. Das unterstreicht, dass Plenum und Verteidigungsausschuss ihn jederzeit mit speziellen Untersuchungen betrauen oder zu Sitzungen herbeirufen können, wenn es um Vorgänge in der Truppe geht.

Bei Reinhold Robbe, dem derzeitigen Amtsinhaber, ist ein Herbei zitieren schwer möglich: Er ist meistens schon da. Die Sitzungen des Verteidigungsausschusses zählen zu seinen Pflichtterminen. Er will stets auf dem Lauf enden sein. Ein genauso intensives Augenmerk richtet er auf die Truppe. In sitzungsfreien Zeiten ist in seinem Kalender ein Tag in der Woche dafür reserviert, kurzfristig Besuche bei der Bundeswehr zu unternehmen. Wenn es nicht Einladungen von Kanzlerin, Ministerpräsidenten oder Abgeordneten sind, die ihn bei eigenen Kontakten mit dem Militär gern an ihrer Seite haben, dann geschehen diese Truppenbesuche unangemeldet.

Dieses Privileg garantiert dem Wehrbeauftragten ein authentisches Bild von der Bundeswehr. Und ganz nebenbei erspart es der Truppe eine Menge Arbeit, die sich ansonsten, wie das bei Militärs so üblich ist, minutiös und mit erheblichem Aufwand auf die Inaugenscheinnahme vorbereiten würde. So aber meldet sich Robbe einfach am Schlag baum, lässt sich zum Kommandeur führen und präsentiert ihm beispiels weise eine Liste mit den Bundeswehrangehörigen, die er sprechen, und den Gebäuden, die er sehen möchte.

Bearbeitung der Eingaben

Anregungen für die Adressen derartiger Besuche holt er sich unter anderem aus der Vielzahl von Eingaben, die ihn erreichen. Im Schnitt mehrere Dutzend pro Werktag. In einer ersten Postlage sichtet Robbe alle Eingaben, die an ihn persönlich gerichtet sind. In einer zweiten Postlage lässt er sich von seinen Mitarbeitern alle Zuschriften vorlegen, die über die Beschwernisse des Truppenalltags hinausgehen und von brisanten Vorgängen handeln, die möglicherweise sogar strafrechtliche Aspekte aufweisen. Zudem bespricht er mit den Fachleuten aus seiner Dienststelle, wie mit den einzelnen Eingaben verfahren werden soll und wie weit die Bearbeitung bei anderen gediehen ist.

Der Wagen des Wehrbeauftragten bei der Einfahrt in eine Kaserne
Der Wagen des Wehrbeauftragten bei der Einfahrt in eine Kaserne
© DBT/Anke Jacob
In der Regel werden höhere Dienstvorgesetzte um eine Stellungnahme gebeten. Wichtig dabei: Gesetzlich geregelt ist, dass keinem Soldaten daraus ein Nachteil entstehen darf, dass er sich wegen irgendwelcher Anliegen oder Vorkommnisse an den Wehrbeauftragten wendet. Aus naheliegenden Gründen tut jeder Vorgesetzte gut daran, sich genau daran zu halten. Denn wenn dem Wehrbeauftragten die Auskünfte nicht ausreichen oder er von dem Betroffenen erneut angeschrieben wird, kann er die militärische Stufenleiter immer weiter nach oben gehen, bis hin zur militärischen Führung, den zuständigen Staatssekretären oder gar dem Minister persönlich.

Und ganz nebenbei kann er jederzeit auch dem Verteidigungsausschuss entsprechende Hinweise geben oder auch in seinem alljährlichen Bericht an den Bundestag bestimmte Fälle aufgreifen und damit den öffentlichen Druck verstärken. Nicht zuletzt aufgrund seiner wiederholten eindringlichen Schilderungen über unerträgliche bauliche Zustände in Kasernen im Westen der Republik legte die Bundeswehr ein Sonderproramm für Sanierungen im Umfang von 600 Millionen Euro auf. Ein Beispiel für greifbare Wirkungen des Wehrbeauftragten.

Vorbeugende Bedeutung

Nicht zu unterschätzen ist auch seine vorbeugende Bedeutung. Die Tatsache, dass sich jeder Soldat jederzeit ohne Einhaltung des Dienstweges beim Wehrbeauftragten beschweren kann, dürfte das Klima im Militär nachhaltig beeinflussen. Und dann sind da immer wieder auch die unangemeldeten Besuche, die nach Robbes Erfahrungen stets zwischen 10 und 15 Punkte ergeben, die anschließend „nachgearbeitet” werden müssen. Bereits zum Abschluss jedes Besuches erfährt der Kommandeur, was dem Wehrbeauftragten aufgefallen ist. Das darf dann immer wieder auch Lob sein. Doch perfekt sind die Verhältnisse selten. Die Vorgesetzten haben viel Bürokratie um die Ohren. Da muss man schon mal genauer darauf achten, dass das Prinzip des Staatsbürgers in Uniform nicht unter die Räder kommt.

Ein Umstand ist für die Arbeit des Wehrbeauftragten in den letzten Jahren immer wichtiger geworden: der Umbau der Bundeswehr von der Verteidigungstruppe zur Einsatzarmee des wiedervereinigten Deutschlands. So hat sich Robbe zum Vorsatz gemacht, sofort nach Bekanntwerden neuer Planungen für Auslandseinsätze die davon betroffenen Truppenteile aufzusuchen und die Vorbereitungen unter die Lupe zu nehmen. Zudem schaut er sich pro Jahr mindestens einmal in jedem Einsatzland um und prüft, ob Ausbildung und Ausrüstung den Erwartungen des Bundestages entsprechen und welche Mängel die Soldaten fern der Heimat beklagen.

Anwalt der Soldaten

Das ist jedes Mal eine große Palette von Aspekten, die der Wehrbeauftragte im Einzelnen unter die Lupe nimmt. Wird wirklich alles Menschenmögliche getan, um die Soldaten innerhalb und außerhalb des Lagers optimal zu schützen? Verfügen sie über eine ausreichende Anzahl gepanzerter Fahrzeuge? Und was immer wieder Anlass zum „Nachsteuern” ist: Sind sie auch an die sen Spezialfahrzeugen gut geschult? Es kommt nämlich vor, dass nicht genügend davon zur Verfügung stehen, um schon bei der Einsatzvorbereitung in Deutschland den Umgang damit zu üben. Wie steht es um die Betreuung, die Verpflegung, die sportlichen Betätigungsmöglichkeiten? Funktioniert der Kontakt nach Hause? Kommt die Feldpost zügig an?

Je nach den Eintragungen in der Mängelliste fällt die Sprache des Wehrbeauftragten in der Nachbearbeitung mehr oder weniger deutlich aus, bekommen die Verantwortlichen an der militärischen und politischen Spitze klare Hinweise, wo lang-, mittel- oder kurzfristig Missstände abgestellt werden müssen.

Je klarer die Kontrolle, desto glaubwürdiger die Außenwirkung. Denn auch das will der Wehrbeauftragte sein: Anwalt der Soldatinnen und Soldaten. 

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Erschienen am 18. Juni 2008

Weitere Informationen:

Der Wehrbeauftragte
Jeder Soldat der Bundeswehr hat das Recht, sich einzeln ohne Einhaltung des Dienstweges unmittelbar an den Wehrbeauftragten zu wenden.

E-Mail: wehrbeauftragter@bundestag.de
Website: www.wehrbeauftragter.de

Wehrbeauftragte seit 1959:
1959 — 1961: Helmuth von Grolman
1961 — 1964: Hellmuth Guido Heye
1964 — 1970: Matthias Hoogen
1970 — 1975: Fritz Rudolf Schultz
1975 — 1985: Karl Wilhelm Berkhan
1985 — 1989: Willi Weiskirch
1989 — 1995: Alfred Biehle
1996 — 2000: Claire Marienfeld-Czesla
2000 — 2005: Willfried Penner
Seit 2005: Reinhold Robbe


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