Das Schlüsselgremium: Arbeit im Hauptausschuss des Parlamentarischen Rates
© Erna Wagner-Hehmke/HDG
Die Arbeit des Parlamentarischen Rates
Am 8. Mai 1949 — dem Jahrestag der bedingungslosen Kapitulation Deutschlands
vier Jahre zuvor — wird das Grundgesetz vom Parlamentarischen Rat verabschiedet.
Davor liegen harte Monate der Arbeit, Auseinandersetzung, Kontroverse, ja auch des
Scheiterns. In manchem ist man sich zwar einig: Die Fehler von Weimar dürfen sich
nicht wiederholen, und die Grundrechte sollen im Verfassungsgefüge verankert werden.
Bei anderen Punkten wird jedoch zäh gerungen: etwa bei den Länderkompetenzen —
und auch bei der Hauptstadtfrage.
Belastet wird der schwierige
Prozess der Verfassungsgebung
nicht zuletzt dadurch, dass die
Mitglieder des Parlamentarischen Rates
zwar frei in ihrer Meinung sind,
die Ergebnisse ihrer Beratungen aber
von den Militärgouverneuren und
den Regierungen der drei Westmächte
akzeptiert und abgesegnet werden
müssen.
Später wird man das Grundgesetz
als die freiheitlichste Verfassung rühmen,
die Deutschland je hatte. Aber
die Debatten im Parlamentarischen
Rat selbst verlaufen oft kompliziert,
schwierig, bisweilen geprägt von gegenseitigem
Misstrauen. Neben der
Kernfrage, wie viel Staat geschaffen werden könne und dürfe, ohne
Deutschland als Einheit aufzugeben,
geht es vor allem um die Architektur
des künftigen Staatsgebildes, um das
Kräfteverhältnis
zwischen Bund und
Ländern und um die Verteilung der
Staatsfinanzen. Die 65 gewählten Mitglieder
des Parlamentarischen Rates
machen es sich in ihrem Hauptausschuss
und in den Fachausschüssen
nicht leicht. Am Ende aber steht ein
Entwurf, dessen beherrschende Merkmale
ein umfangreicher Katalog der
Grundrechte
jedes Bürgers, ein entscheidend
vom Parlament bestimmtes
Regierungssystem und die föderative
Gliederung des neuen Staates in Bund
und Länder sind.
Die innere Organisation
Um überhaupt arbeitsfähig zu sein,
sucht der Parlamentarische Rat zunächst
nach belastbaren Arbeitsstrukturen. Er orientiert sich dabei sowohl
bei der Geschäftsordnung als auch
bei der Einrichtung eines Ältestenrats
am Reichstag der Weimarer
Republik, da es aus der Zeit des Nationalsozialismus
verständlicherweise keine Strukturen
gibt, an die anzuknüpfen nahegelegen
hätte. Das Plenum, formal eigentlich das „Herz” des Parlamentarischen
Rates, tagt nur selten. Seine
Rolle übernimmt häufig der Hauptausschuss,
dessen Aufgabe die Koordination
aller Arbeiten ist. Er soll dafür sorgen, dass die in den Fachausschüssen erarbeiteten Abschnitte für das
neue Grundgesetz zu einem homogenen Gesamtentwurf zusammengefasst werden.
So finden viele Grundsatzdebatten
in diesem Hauptausschuss
statt. Als
Fachgremien
werden sechs Ausschüsse
eingesetzt:
- Ausschuss für Grundsatzfragen
- Ausschuss für Organisation des Bundes sowie Verfassungsgerichtshof und Rechtspflege
- Ausschuss für Zuständigkeitsabgrenzung
- Ausschuss für Finanzfragen
- Ausschuss für Wahlrechtsfragen
- Ausschuss für das Besatzungsstatut
© DBT/Marc Mendelson
Erste Grundsätze
Bereits in der ersten Plenarsitzung am
8. und 9. September 1948 werden
wichtige Grundlagen für das zu schaffende
Grundgesetz erörtert. Man orientiert
sich dabei an den Vorlagen des
Chiemseer Verfassungskonvents einer
wehrhaften Demokratie, einer vom
Parlament
abhängigen Regierung, eines
neutralen Bundespräsidenten, eines
für alle Staatsgewalt bindenden
Grundrechtskatalogs, einer klaren Gewaltenteilung
und einer unabhängigen Rechtssprechung. Bei aller Unterschiedlichkeit
der Parteien und Personen gibt es eine breite Konsenslinie:
Weimar darf sich nicht wiederholen.
Zumindest verfassungsrechtlich sollen
die Strukturfehler der ersten deutschen
Republik vermieden werden.
Aber es werden auch schon erste
Konflikte sichtbar, die sich später
durch die weiteren Beratungen des Parlamentarischen
Rates ziehen werden.
Etwa die Frage, wie Deutschland überhaupt
unter einer Besatzungsherrschaft
zur Geburt eines demokratischen Staatswesens
kommen könne; wie weit das
Grundgesetz und die damit verbundene
Gründung eines Weststaates die
Einheit Deutschlands gefährde; wie
die Finanzhoheit zwischen Bund und
Ländern zu regeln sei sowie die Frage
über den Einfluss von Kirche und
Eltern auf das Schulwesen. Das Stichwort
„Konfessionsschule” bewegt später
noch Jahrzehnte die bundesrepublikanische
Bildungspolitik.
Präambel und Grundrechte
Im Ausschuss für Grundsatzfragen ist
die Arbeit besonders intensiv. 36 Sitzungen sind nötig, um zu einem Abschluss
zu kommen. Im Mittelpunkt
steht die Formulierung der Präambel,
die dem Grundgesetz vorangestellt
werden
und den Anspruch
Deutschlands
auf Einheit offenhalten soll, sowie die
Beratung der Grundrechte.
Bei der Präambel geht es darum,
Ausgangspunkt und Ziel des Grundgesetzes
zu verdeutlichen, also die eingeschränkte
Souveränität ebenso zu
beschreiben wie das Streben nach der
Einheit Deutschlands. Deshalb heißt
es im ersten, von der SPD vorgelegten
Entwurf:
„Die nationalsozialistische Zwing-herrschaft
hat das deutsche Volk seiner
Freiheit beraubt. (...) Dem deutschen
Volk aber ist das unverzichtbare Recht
auf freie Gestaltung seines nationalen Lebens
geblieben. Die Besetzung Deutschlands
durch fremde Mächte hat die
Ausübung dieses Rechtes schweren Einschränkungen
unterworfen.”
Klar, dass diese Passage den
Alliierten nicht gefällt. Als „fremde
Mächte” verstehen sie sich nicht, sondern
als Geburtshelfer eines neuen
Staates. Deshalb wird dieser Anfang
auch wieder gestrichen. Stattdessen
beginnt die Präambel nun mit einer
Anrufung Gottes:
„Im Bewusstsein seiner Verantwortung
vor Gott und den Menschen,
von dem Willen beseelt (...)”
Arbeit an den Nachrichten des kommenden Tages: Pressekorrespondenten beim Parlamentarischen Rat
© Erna Wagner-Hehmke/HDG
Umstritten ist auch das Provisorische
des Grundgesetzes. Durch
die Betonung der Vorläufigkeit („Das
Grundgesetz verliert seine Gültigkeit
an dem Tage, an dem eine Verfassung
in Kraft tritt, die vom deutschen Volke
in freier Entscheidung beschlossen
worden ist.”) werde das Grundgesetz
zu einer bloßen Übergangsbestimmung
degradiert, entwerte es sich als Verfassung
gewissermaßen selbst, meinen
Kritiker. Andere betonen, dass gerade
der provisorische Charakter wichtig
für die noch offene Zukunft
Deutschlands sei. Theodor Heuss vermisst
am Grundgesetz die „Magie des
Wortes”. Der Vorschlag der SPD, lieber
ganz auf die Präambel zu verzichten,
erhält keine Mehrheit.
Wer für den Namen Grundgesetz
verantwortlich zeichnet, ist übrigens
heute nicht mehr festzustellen. Reinhold
Meier, der Ministerpräsident des damaligen
Landes Württemberg-Baden,
sagt es 1948 so:
„Da kam irgendjemand mit dem
Wort ‚Grundgesetz’ anstelle von Verfassung.
Wie vom Himmel gefallen
stand das Wort vor uns und bemächtigte
sich unserer Köpfe und Sinne,
gewiss nicht der Herzen.”
Weitgehende Übereinstimmung
herrscht im Ausschuss darüber, dass
nach dem brutalen Missbrauch
der Verfassung durch die Nationalsozialisten
im neuen Grundgesetz Verfassungsgrundrechte
und Prinzipien stehen
sollen, die unverrückbar sind. Dies
gilt in erster Linie für die in Artikel 1
niedergelegte Menschenwürde und die
Grundrechtsbindung
der staatlichen
Gewalt. Niemand,
auch nicht der Gesetzgeber
mit Zweidrittelmehrheit, soll
diese elementaren Grundsätze aushebeln
können.
Das Gleiche gilt für die Prinzipien
der Demokratie, der Volkssouveränität,
der Gewaltenteilung und der föderalistischen
Gliederung der Bundesrepublik.
Auch hier verfügt das Grundgesetz in
Artikel
79 ein klares und absolutes
Veränderungsverbot:
„Eine Änderung dieses Grundgesetzes,
durch welche die Gliederung
des Bundes in Länder, die grundsätzliche
Mitwirkung der Länder bei der
Gesetzgebung oder die in den Artikeln
1 und 20 niedergelegten Grundsätze
berührt werden, ist unzulässig.”
Zu den 19 Grundrechten, die am
Anfang des neuen Grundgesetzes stehen
und sich stark an die Bill of Rights
der amerikanischen Verfassung und die
Erklärung der Menschenrechte der Vereinten
Nationen anlehnen, gibt es im
Parlamentarischen Rat zwar viele Diskussionen,
aber letztlich ist man sich
doch relativ schnell über deren Bedeutung
und Notwendigkeit einig. Anfangs
umstritten sind die Gleichberechtigung
von Männern und Frauen — hier verlangen
SPD und KPD gleichen Lohn für
gleiche Arbeit —, das Asylrecht und —
besonders stark — das Elternrecht, bei
dem CDU und CSU fordern, dass bei
Erziehung und Ausbildung der Kinder
das Elternrecht über dem Recht des
Staates stehen müsse.
Die Institutionen
Um die Organisation des Bundes und
seiner Organe gibt es zwar viel Beratungsbedarf,
aber letztlich wird doch
Einigkeit erzielt. Nur bei der Frage der Ländervertretung, ihren Finanz- und
Gesetzeszuständigkeiten verhaken sich
die Parteien dauerhaft. Da ist es kaum
verwunderlich, dass auch heute noch
Bund und Länder in Föderalismuskommissionen
um Macht und Einfluss
streiten. Als künftige Verfassungsinstitutionen
werden festgeschrieben:
- Bundestag: Seine Abgeordneten sollen
in allgemeiner, unmittelbarer,
freier, gleicher und geheimer Wahl
gewählt werden. Sie sind Vertreter
des ganzen Volkes, an Aufträge und
Weisungen nicht gebunden und nur
ihrem Gewissen unterworfen. Der
zeitweise favorisierte Terminus Volkstag
wird zugunsten von Bundestag
zurückgenommen.
- Bundesregierung: Das Amt des Bundeskanzlers
wird mit klarer Macht
ausgefüllt („Der Bundeskanzler bestimmt
die Richtlinien der Politik.”),
er schlägt auch die Minister vor,
zugleich aber ist er vom Vertrauen
des Parlaments
abhängig. Um die Regierung möglichst
stabil zu halten,
kann der Regierungschef nur
durch ein konstruktives
Misstrauensvotum
gestürzt
werden, das heißt,
mit dem Aussprechen des Misstrauens
muss das Parlament zugleich
einen neuen Bundeskanzler wählen.
- Bundespräsident: Dieses Amt ist lange
umstritten. Auf keinen Fall wollen
die Mitglieder des Parlamentarischen
Rates ein starkes, direkt gewähltes
und mit einem Notverordnungsrecht
ausgestattetes Staatsoberhaupt
wie
in der Weimarer
Republik. Zeitweise
wird ein Bundespräsidium
favorisiert,
das aus den Präsidenten des Bundestages
und des Bundesrates sowie dem
Bundeskanzler bestehen soll. Erst
spät verständigt man sich auf die heutige
Form des Präsidentenamtes.
- Bundesverfassungsgericht: Sehr bewusst einigt man sich auf die Institution
eines höchsten Verfassungsgerichts.
Seine Hauptaufgabe ist die Überprüfung von Bundes- und Landesrecht
auf seine Vereinbarkeit mit
dem Grundgesetz. Zudem kann jeder,
der sich in seinen Grundrechten verletzt
fühlt, sich mit einer Verfassungsbeschwerde
an das Gericht wenden.
- Bundesrat: Über eine zweite Kammer,
ihre Zusammensetzung und ihre
Funktionen
wird im Parlamentarischen
Rat lange, heftig und grundsätzlich
gestritten. Es stehen sich
Bundesrats- und Senatslösung
gegenüber.
Die Befürworter des Bun-desratsprinzips
plädieren für eine aus
Vertretern der Landesregierungen
besetzte
zweite Kammer, die umfassend
an der Gesetzgebung und an
der politischen Willensbildung beteiligt
ist. Bei den Anhängern
des
Senatsprinzips herrscht eher der Gedanke des Honoratiorenkabinetts
vor. Dabei soll jedes Land die gleiche
Anzahl von nicht weisungsgebundenen
Mitgliedern entsenden,
der Senat unabhängig von Wahlperioden
sukzessive erneuert werden. Die
Entscheidung für die Bundesratslösung
fällt schließlich durch komplizierte
Verhandlungen,
vor allem zwischen
dem bayerischen Ministerpräsidenten
Hans Ehard (CSU) und dem
nordrhein-westfälischen
Innenminister
Walter Menzel (SPD).
Arbeit im Büro: Der DP-Abgeordnete Wilhelm Heile (Mitte), rechts der spätere Bundesminister Hans-Joachim von Merkatz
© Erna Wagner-Hehmke/HDG
Als eine der zentralen Lehren
aus der Weimarer Republik werden die Parteien
erstmals im Verfassungstext in
ihrer Funktion anerkannt, bei der politischen
Willensbildung des Volkes
mitzuwirken.
Obwohl sich der Parlamentarische
Rat in einem — neben der Arbeit
am Grundgesetz vorgelegten
— Entwurf
für ein Wahlgesetz
gegen eine Fünf-Prozent-Sperrklausel ausspricht, wird
diese vor der ersten Bundestagswahl
1949 auf Beschluss der Ministerpräsidenten
der Länder im Wahlrecht verankert.
Die Klausel soll eine Parteienzersplitterung
à la Weimar verhindern.
Zudem wird im Wahlgesetz das personalisierte
Verhältniswahlrecht
festgelegt.
Der Parlamentarische Rat folgt
dem Vorschlag des Herrenchiemseer
Verfassungskonvents und bestimmt die Farben Schwarz-Rot-Gold zu Bundesfarben
und zur Bundesflagge. Diese
Farben seien nicht die Farben der Weimarer
Republik, sondern der deutschen
Einheits- und Freiheitsbewegung des
beginnenden 19. Jahrhunderts, heißt
es zur Begründung.
Desinteresse im Land
Erstaunlicherweise finden die Beratungen
des Parlamentarischen Rates, obwohl
es dabei doch um die staatliche
Zukunft Deutschlands geht, in der Öffentlichkeit
wenig Resonanz. Die Presse
berichtet zwar über Streit und Fortschritt
im Rat, aber im Vordergrund
des öffentlichen Interesses stehen nicht
Verfassungsfragen, sondern Alltagsprobleme:
Wie sich die Wohnungssituation
verbessern lässt, wie man mit der neuen
Währung auskommt, ob man für höhere
Löhne streiken soll.
In einer Untersuchung des Instituts
für Demoskopie im März 1949
in Westdeutschland zeigen nur 21 Prozent
der Befragten großes Interesse,
während 33 Prozent nur wenig und 40
Prozent überhaupt nicht an der Verfassungsarbeit
interessiert sind. Von einer
breiten, vom Volk getragenen demokratischen
Verfassungsgebung
kann
also kaum gesprochen werden. Jede
Zeit setzt ihre eigenen Akzente.
Einflüsse von außen
Das relativ geringe Interesse der deutschen
Bevölkerung bedeutet nicht, dass
der Parlamentarische Rat unbeeinflusst
und abgeschottet von Einflussversuchen
von außen seiner Arbeit nachgeht. Im
Gegenteil: Schon im Parlamentarischen
Rat werden Einflüsse sichtbar, die auch
später das politische Leben der Bundesrepublik
nachhaltig bestimmen werden.
In erster Linie sind es die alliierten
Mächte, die immer wieder ihre Stimme
erheben und zu bestimmten Strukturen
und Formulierungen mahnen.
Aber
auch die neu oder wieder gegründeten
Parteien mischen sich in die Beratungen
deutlich ein. Massiven Einfluss versuchen
auch die Ministerpräsidenten der
Länder sowie Kirchen und Gewerkschaften
zu nehmen.
Die SPD-Abgeordneten Rudolf-Ernst Heiland, Karl Kuhn, Adolf Ehlers, Hans Wunderlich und Friedrich Maier
© Erna Wagner-Hehmke/HDG
Die alliierten Mächte greifen
mehrfach konkret in die Verfassungsarbeit
des Parlamentarischen Rates ein.
Im November 1948 erinnern sie nachdrücklich
an die Einhaltung der von
ihnen in den Frankfurter Dokumenten
niedergelegten Grundsätze.
Später intervenieren sie, weil sie einen
mangelnden Föderalismus in Form
einer zu großen Zentralgewalt zu Lasten
der Länder zu entdecken glauben.
Im März 1949 wird in einem alliierten
Memorandum erneut auf die Notwendigkeit
einer klareren Aufteilung
der Gesetzgebungs- und Verwaltungshoheit
auf Bundes- und Landesebene
verwiesen.
Auch wenn es um die alliierte
Einmischung
im Rat immer wieder
Streit gibt, der zu heftigen parteipolitischen
Auseinandersetzungen bis zu einem
Misstrauensantrag gegen Konrad
Adenauer führt, bleibt der tatsächliche
Einfluss der alliierten Interventionen
auf das Grundgesetz umstritten, da sie
in der Sache im Rat letztlich auf eine
mehrheitliche Zustimmung stoßen.
Die psychologische Wirkung allerdings
wird von niemandem bestritten.
Zu den wesentlichen deutschen
Gruppen, die auf die Beratungen zum
Grundgesetz Einfluss nehmen, gehören
neben dem Berufsbeamtentum und
den kommunalen Verbänden die Gewerkschaften
und Kirchen. Den Gewerkschaften
geht es vor allem um die
Verankerung einer Sozial- und Wirtschaftsordnung
im Grundgesetz, was
ihnen nur teilweise gelingt. Erfolgreicher
sind da die katholische und
evangelische Kirche, die mit direkten
Interventionen, aber auch mit Kanzelworten
für den Schutz des menschlichen
Lebens und für das Recht der
Eltern, über die Erziehung ihrer Kinder
zu bestimmen, eintreten. Die SPD rügt
später, die Verfassung sei „im Schatten
des Kölner Domes” gemacht worden.
Die katholischen Bischöfe meinen dagegen
noch am Tage der Verkündung
des Grundgesetzes, ihren Mahnungen
sei nicht genügend Gehör geschenkt
worden.
Die letzte Krise
Zu einer schweren Krise kommt es
im Frühjahr 1949. Es geht dabei um
die Kompetenzen der Länder und
um die Zustimmung der Alliierten
zum Grundgesetz. Vor allem die SPD
sieht zu viele Zugeständnisse an die
Siegermächte, sie wirft Unionspolitikern
vor, „Erfüllungspolitiker der Alliierten”
zu sein. Erst als die drei Westmächte Zustimmung zum vorliegenden
Grundgesetzentwurf signalisieren,
entspannt sich die Lage wieder. Adenauer
spricht von einem „abgekarteten
Spiel” zwischen SPD und der britischen
Regierung. Am Ende aber ist auch er
beruhigt. Ahnt er doch, dass er in der
neuen Republik eine führende Rolle
spielen wird. Außerdem, so der pfiffige
„Alte von Rhöndorf”, beschließe man
ja „nur das Grundgesetz und nicht die
Zehn Gebote”.
Die Verabschiedung
Wenige Tage später, am 8. Mai 1949,
wird das Grundgesetz mit 53 gegen
12 Stimmen angenommen. Es ist kurz
vor Mitternacht, genau 23.55 Uhr, als
im Saal der Pädagogischen Akademie
die historische Entscheidung für ein
neues Deutschland fällt. Genau vier
Jahre zuvor hat Deutschland mit der
Kapitulation und dem totalen Zusammenbruch
seine dunkelsten Stunden
erlebt.
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Text: Sönke Petersen
Bildnachweis: Erna Wagner-Hehmke/Hehmke-Winterer,
Düsseldorf; Haus der Geschichte, Bonn
Erschienen am 13. August 2008
Weitere Informationen:
Parlamentarischer Rat
Informationen zu den Nachkriegsjahren und zum Parlamentarischen Rat (mit Film- und Audioaufnahmen):
www.dhm.de/lemo/html/nachkriegsjahre