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Gültig ab: 06.08.2008 10:19
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Fundament für eine wehrhafte Demokratie

Das Schlüsselgremium: Arbeit im Hauptausschuss des Parlamentarischen Rates
Das Schlüsselgremium: Arbeit im Hauptausschuss des Parlamentarischen Rates
© Erna Wagner-Hehmke/HDG

Die Arbeit des Parlamentarischen Rates

Am 8. Mai 1949 — dem Jahrestag der bedingungslosen Kapitulation Deutschlands vier Jahre zuvor — wird das Grundgesetz vom Parlamentarischen Rat verabschiedet. Davor liegen harte Monate der Arbeit, Auseinandersetzung, Kontroverse, ja auch des Scheiterns. In manchem ist man sich zwar einig: Die Fehler von Weimar dürfen sich nicht wiederholen, und die Grundrechte sollen im Verfassungsgefüge verankert werden. Bei anderen Punkten wird jedoch zäh gerungen: etwa bei den Länderkompetenzen — und auch bei der Hauptstadtfrage.

Belastet wird der schwierige Prozess der Verfassungsgebung nicht zuletzt dadurch, dass die Mitglieder des Parlamentarischen Rates zwar frei in ihrer Meinung sind, die Ergebnisse ihrer Beratungen aber von den Militärgouverneuren und den Regierungen der drei Westmächte akzeptiert und abgesegnet werden müssen.

Später wird man das Grundgesetz als die freiheitlichste Verfassung rühmen, die Deutschland je hatte. Aber die Debatten im Parlamentarischen Rat selbst verlaufen oft kompliziert, schwierig, bisweilen geprägt von gegenseitigem Misstrauen. Neben der Kernfrage, wie viel Staat geschaffen werden könne und dürfe, ohne Deutschland als Einheit aufzugeben, geht es vor allem um die Architektur des künftigen Staatsgebildes, um das Kräfteverhältnis zwischen Bund und Ländern und um die Verteilung der Staatsfinanzen. Die 65 gewählten Mitglieder des Parlamentarischen Rates machen es sich in ihrem Hauptausschuss und in den Fachausschüssen nicht leicht. Am Ende aber steht ein Entwurf, dessen beherrschende Merkmale ein umfangreicher Katalog der Grundrechte jedes Bürgers, ein entscheidend vom Parlament bestimmtes Regierungssystem und die föderative Gliederung des neuen Staates in Bund und Länder sind.

Die innere Organisation

Um überhaupt arbeitsfähig zu sein, sucht der Parlamentarische Rat zunächst nach belastbaren Arbeitsstrukturen. Er orientiert sich dabei sowohl bei der Geschäftsordnung als auch bei der Einrichtung eines Ältestenrats am Reichstag der Weimarer Republik, da es aus der Zeit des Nationalsozialismus verständlicherweise keine Strukturen gibt, an die anzuknüpfen nahegelegen hätte. Das Plenum, formal eigentlich das „Herz” des Parlamentarischen Rates, tagt nur selten. Seine Rolle übernimmt häufig der Hauptausschuss, dessen Aufgabe die Koordination aller Arbeiten ist. Er soll dafür sorgen, dass die in den Fachausschüssen erarbeiteten Abschnitte für das neue Grundgesetz zu einem homogenen Gesamtentwurf zusammengefasst werden. So finden viele Grundsatzdebatten in diesem Hauptausschuss statt. Als Fachgremien werden sechs Ausschüsse eingesetzt:

  • Ausschuss für Grundsatzfragen
  • Ausschuss für Organisation des Bundes sowie Verfassungsgerichtshof und Rechtspflege
  • Ausschuss für Zuständigkeitsabgrenzung
  • Ausschuss für Finanzfragen
  • Ausschuss für Wahlrechtsfragen
  • Ausschuss für das Besatzungsstatut
Organisation und Arbeitsweise des Parlamentarischen Rates 1948 im Überblick.

© DBT/Marc Mendelson
Erste Grundsätze

Bereits in der ersten Plenarsitzung am 8. und 9. September 1948 werden wichtige Grundlagen für das zu schaffende Grundgesetz erörtert. Man orientiert sich dabei an den Vorlagen des Chiemseer Verfassungskonvents einer wehrhaften Demokratie, einer vom Parlament abhängigen Regierung, eines neutralen Bundespräsidenten, eines für alle Staatsgewalt bindenden Grundrechtskatalogs, einer klaren Gewaltenteilung und einer unabhängigen Rechtssprechung. Bei aller Unterschiedlichkeit der Parteien und Personen gibt es eine breite Konsenslinie: Weimar darf sich nicht wiederholen. Zumindest verfassungsrechtlich sollen die Strukturfehler der ersten deutschen Republik vermieden werden.

Aber es werden auch schon erste Konflikte sichtbar, die sich später durch die weiteren Beratungen des Parlamentarischen Rates ziehen werden. Etwa die Frage, wie Deutschland überhaupt unter einer Besatzungsherrschaft zur Geburt eines demokratischen Staatswesens kommen könne; wie weit das Grundgesetz und die damit verbundene Gründung eines Weststaates die Einheit Deutschlands gefährde; wie die Finanzhoheit zwischen Bund und Ländern zu regeln sei sowie die Frage über den Einfluss von Kirche und Eltern auf das Schulwesen. Das Stichwort „Konfessionsschule” bewegt später noch Jahrzehnte die bundesrepublikanische Bildungspolitik.

Präambel und Grundrechte

Im Ausschuss für Grundsatzfragen ist die Arbeit besonders intensiv. 36 Sitzungen sind nötig, um zu einem Abschluss zu kommen. Im Mittelpunkt steht die Formulierung der Präambel, die dem Grundgesetz vorangestellt werden und den Anspruch Deutschlands auf Einheit offenhalten soll, sowie die Beratung der Grundrechte.

Bei der Präambel geht es darum, Ausgangspunkt und Ziel des Grundgesetzes zu verdeutlichen, also die eingeschränkte Souveränität ebenso zu beschreiben wie das Streben nach der Einheit Deutschlands. Deshalb heißt es im ersten, von der SPD vorgelegten Entwurf:
„Die nationalsozialistische Zwing-herrschaft hat das deutsche Volk seiner Freiheit beraubt. (...) Dem deutschen Volk aber ist das unverzichtbare Recht auf freie Gestaltung seines nationalen Lebens geblieben. Die Besetzung Deutschlands durch fremde Mächte hat die Ausübung dieses Rechtes schweren Einschränkungen unterworfen.”

Klar, dass diese Passage den Alliierten nicht gefällt. Als „fremde Mächte” verstehen sie sich nicht, sondern als Geburtshelfer eines neuen Staates. Deshalb wird dieser Anfang auch wieder gestrichen. Stattdessen beginnt die Präambel nun mit einer Anrufung Gottes:

„Im Bewusstsein seiner Verantwortung vor Gott und den Menschen, von dem Willen beseelt (...)”

Arbeit an den Nachrichten des kommenden Tages: Pressekorrespondenten beim Parlamentarischen Rat
Arbeit an den Nachrichten des kommenden Tages: Pressekorrespondenten beim Parlamentarischen Rat
© Erna Wagner-Hehmke/HDG
Umstritten ist auch das Provisorische des Grundgesetzes. Durch die Betonung der Vorläufigkeit („Das Grundgesetz verliert seine Gültigkeit an dem Tage, an dem eine Verfassung in Kraft tritt, die vom deutschen Volke in freier Entscheidung beschlossen worden ist.”) werde das Grundgesetz zu einer bloßen Übergangsbestimmung degradiert, entwerte es sich als Verfassung gewissermaßen selbst, meinen Kritiker. Andere betonen, dass gerade der provisorische Charakter wichtig für die noch offene Zukunft Deutschlands sei. Theodor Heuss vermisst am Grundgesetz die „Magie des Wortes”. Der Vorschlag der SPD, lieber ganz auf die Präambel zu verzichten, erhält keine Mehrheit.

Wer für den Namen Grundgesetz verantwortlich zeichnet, ist übrigens heute nicht mehr festzustellen. Reinhold Meier, der Ministerpräsident des damaligen Landes Württemberg-Baden, sagt es 1948 so:

„Da kam irgendjemand mit dem Wort ‚Grundgesetz’ anstelle von Verfassung. Wie vom Himmel gefallen stand das Wort vor uns und bemächtigte sich unserer Köpfe und Sinne, gewiss nicht der Herzen.”

Weitgehende Übereinstimmung herrscht im Ausschuss darüber, dass nach dem brutalen Missbrauch der Verfassung durch die Nationalsozialisten im neuen Grundgesetz Verfassungsgrundrechte und Prinzipien stehen sollen, die unverrückbar sind. Dies gilt in erster Linie für die in Artikel 1 niedergelegte Menschenwürde und die Grundrechtsbindung der staatlichen Gewalt. Niemand, auch nicht der Gesetzgeber mit Zweidrittelmehrheit, soll diese elementaren Grundsätze aushebeln können.

Das Gleiche gilt für die Prinzipien der Demokratie, der Volkssouveränität, der Gewaltenteilung und der föderalistischen Gliederung der Bundesrepublik. Auch hier verfügt das Grundgesetz in Artikel 79 ein klares und absolutes Veränderungsverbot:

„Eine Änderung dieses Grundgesetzes, durch welche die Gliederung des Bundes in Länder, die grundsätzliche Mitwirkung der Länder bei der Gesetzgebung oder die in den Artikeln 1 und 20 niedergelegten Grundsätze berührt werden, ist unzulässig.”

Zu den 19 Grundrechten, die am Anfang des neuen Grundgesetzes stehen und sich stark an die Bill of Rights der amerikanischen Verfassung und die Erklärung der Menschenrechte der Vereinten Nationen anlehnen, gibt es im Parlamentarischen Rat zwar viele Diskussionen, aber letztlich ist man sich doch relativ schnell über deren Bedeutung und Notwendigkeit einig. Anfangs umstritten sind die Gleichberechtigung von Männern und Frauen — hier verlangen SPD und KPD gleichen Lohn für gleiche Arbeit —, das Asylrecht und — besonders stark — das Elternrecht, bei dem CDU und CSU fordern, dass bei Erziehung und Ausbildung der Kinder das Elternrecht über dem Recht des Staates stehen müsse.

Die Institutionen

Um die Organisation des Bundes und seiner Organe gibt es zwar viel Beratungsbedarf, aber letztlich wird doch Einigkeit erzielt. Nur bei der Frage der Ländervertretung, ihren Finanz- und Gesetzeszuständigkeiten verhaken sich die Parteien dauerhaft. Da ist es kaum verwunderlich, dass auch heute noch Bund und Länder in Föderalismuskommissionen um Macht und Einfluss streiten. Als künftige Verfassungsinstitutionen werden festgeschrieben:

  • Bundestag: Seine Abgeordneten sollen in allgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl gewählt werden. Sie sind Vertreter des ganzen Volkes, an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen. Der zeitweise favorisierte Terminus Volkstag wird zugunsten von Bundestag zurückgenommen.
  • Bundesregierung: Das Amt des Bundeskanzlers wird mit klarer Macht ausgefüllt („Der Bundeskanzler bestimmt die Richtlinien der Politik.”), er schlägt auch die Minister vor, zugleich aber ist er vom Vertrauen des Parlaments abhängig. Um die Regierung möglichst stabil zu halten, kann der Regierungschef nur durch ein konstruktives Misstrauensvotum gestürzt werden, das heißt, mit dem Aussprechen des Misstrauens muss das Parlament zugleich einen neuen Bundeskanzler wählen.
  • Bundespräsident: Dieses Amt ist lange umstritten. Auf keinen Fall wollen die Mitglieder des Parlamentarischen Rates ein starkes, direkt gewähltes und mit einem Notverordnungsrecht ausgestattetes Staatsoberhaupt wie in der Weimarer Republik. Zeitweise wird ein Bundespräsidium favorisiert, das aus den Präsidenten des Bundestages und des Bundesrates sowie dem Bundeskanzler bestehen soll. Erst spät verständigt man sich auf die heutige Form des Präsidentenamtes.
  • Bundesverfassungsgericht: Sehr bewusst einigt man sich auf die Institution eines höchsten Verfassungsgerichts. Seine Hauptaufgabe ist die Überprüfung von Bundes- und Landesrecht auf seine Vereinbarkeit mit dem Grundgesetz. Zudem kann jeder, der sich in seinen Grundrechten verletzt fühlt, sich mit einer Verfassungsbeschwerde an das Gericht wenden.
  • Bundesrat: Über eine zweite Kammer, ihre Zusammensetzung und ihre Funktionen wird im Parlamentarischen Rat lange, heftig und grundsätzlich gestritten. Es stehen sich Bundesrats- und Senatslösung gegenüber. Die Befürworter des Bun-desratsprinzips plädieren für eine aus Vertretern der Landesregierungen besetzte zweite Kammer, die umfassend an der Gesetzgebung und an der politischen Willensbildung beteiligt ist. Bei den Anhängern des Senatsprinzips herrscht eher der Gedanke des Honoratiorenkabinetts vor. Dabei soll jedes Land die gleiche Anzahl von nicht weisungsgebundenen Mitgliedern entsenden, der Senat unabhängig von Wahlperioden sukzessive erneuert werden. Die Entscheidung für die Bundesratslösung fällt schließlich durch komplizierte Verhandlungen, vor allem zwischen dem bayerischen Ministerpräsidenten Hans Ehard (CSU) und dem nordrhein-westfälischen Innenminister Walter Menzel (SPD).
Arbeit im Büro: Der DP-Abgeordnete Wilhelm Heile (Mitte), rechts der spätere Bundesminister Hans-Joachim von Merkatz
Arbeit im Büro: Der DP-Abgeordnete Wilhelm Heile (Mitte), rechts der spätere Bundesminister Hans-Joachim von Merkatz
© Erna Wagner-Hehmke/HDG

Als eine der zentralen Lehren aus der Weimarer Republik werden die Parteien erstmals im Verfassungstext in ihrer Funktion anerkannt, bei der politischen Willensbildung des Volkes mitzuwirken. Obwohl sich der Parlamentarische Rat in einem — neben der Arbeit am Grundgesetz vorgelegten — Entwurf für ein Wahlgesetz gegen eine Fünf-Prozent-Sperrklausel ausspricht, wird diese vor der ersten Bundestagswahl 1949 auf Beschluss der Ministerpräsidenten der Länder im Wahlrecht verankert. Die Klausel soll eine Parteienzersplitterung à la Weimar verhindern. Zudem wird im Wahlgesetz das personalisierte Verhältniswahlrecht festgelegt.

Der Parlamentarische Rat folgt dem Vorschlag des Herrenchiemseer Verfassungskonvents und bestimmt die Farben Schwarz-Rot-Gold zu Bundesfarben und zur Bundesflagge. Diese Farben seien nicht die Farben der Weimarer Republik, sondern der deutschen Einheits- und Freiheitsbewegung des beginnenden 19. Jahrhunderts, heißt es zur Begründung.

Desinteresse im Land

Erstaunlicherweise finden die Beratungen des Parlamentarischen Rates, obwohl es dabei doch um die staatliche Zukunft Deutschlands geht, in der Öffentlichkeit wenig Resonanz. Die Presse berichtet zwar über Streit und Fortschritt im Rat, aber im Vordergrund des öffentlichen Interesses stehen nicht Verfassungsfragen, sondern Alltagsprobleme: Wie sich die Wohnungssituation verbessern lässt, wie man mit der neuen Währung auskommt, ob man für höhere Löhne streiken soll.

In einer Untersuchung des Instituts für Demoskopie im März 1949 in Westdeutschland zeigen nur 21 Prozent der Befragten großes Interesse, während 33 Prozent nur wenig und 40 Prozent überhaupt nicht an der Verfassungsarbeit interessiert sind. Von einer breiten, vom Volk getragenen demokratischen Verfassungsgebung kann also kaum gesprochen werden. Jede Zeit setzt ihre eigenen Akzente.

Einflüsse von außen

Das relativ geringe Interesse der deutschen Bevölkerung bedeutet nicht, dass der Parlamentarische Rat unbeeinflusst und abgeschottet von Einflussversuchen von außen seiner Arbeit nachgeht. Im Gegenteil: Schon im Parlamentarischen Rat werden Einflüsse sichtbar, die auch später das politische Leben der Bundesrepublik nachhaltig bestimmen werden. In erster Linie sind es die alliierten Mächte, die immer wieder ihre Stimme erheben und zu bestimmten Strukturen und Formulierungen mahnen. Aber auch die neu oder wieder gegründeten Parteien mischen sich in die Beratungen deutlich ein. Massiven Einfluss versuchen auch die Ministerpräsidenten der Länder sowie Kirchen und Gewerkschaften zu nehmen.

Die SPD-Abgeordneten Rudolf-Ernst Heiland, Karl Kuhn, Adolf Ehlers, Hans Wunderlich und Friedrich Maier
Die SPD-Abgeordneten Rudolf-Ernst Heiland, Karl Kuhn, Adolf Ehlers, Hans Wunderlich und Friedrich Maier
© Erna Wagner-Hehmke/HDG
Die alliierten Mächte greifen mehrfach konkret in die Verfassungsarbeit des Parlamentarischen Rates ein. Im November 1948 erinnern sie nachdrücklich an die Einhaltung der von ihnen in den Frankfurter Dokumenten niedergelegten Grundsätze.

Später intervenieren sie, weil sie einen mangelnden Föderalismus in Form einer zu großen Zentralgewalt zu Lasten der Länder zu entdecken glauben. Im März 1949 wird in einem alliierten Memorandum erneut auf die Notwendigkeit einer klareren Aufteilung der Gesetzgebungs- und Verwaltungshoheit auf Bundes- und Landesebene verwiesen.

Auch wenn es um die alliierte Einmischung im Rat immer wieder Streit gibt, der zu heftigen parteipolitischen Auseinandersetzungen bis zu einem Misstrauensantrag gegen Konrad Adenauer führt, bleibt der tatsächliche Einfluss der alliierten Interventionen auf das Grundgesetz umstritten, da sie in der Sache im Rat letztlich auf eine mehrheitliche Zustimmung stoßen. Die psychologische Wirkung allerdings wird von niemandem bestritten.

Zu den wesentlichen deutschen Gruppen, die auf die Beratungen zum Grundgesetz Einfluss nehmen, gehören neben dem Berufsbeamtentum und den kommunalen Verbänden die Gewerkschaften und Kirchen. Den Gewerkschaften geht es vor allem um die Verankerung einer Sozial- und Wirtschaftsordnung im Grundgesetz, was ihnen nur teilweise gelingt. Erfolgreicher sind da die katholische und evangelische Kirche, die mit direkten Interventionen, aber auch mit Kanzelworten für den Schutz des menschlichen Lebens und für das Recht der Eltern, über die Erziehung ihrer Kinder zu bestimmen, eintreten. Die SPD rügt später, die Verfassung sei „im Schatten des Kölner Domes” gemacht worden. Die katholischen Bischöfe meinen dagegen noch am Tage der Verkündung des Grundgesetzes, ihren Mahnungen sei nicht genügend Gehör geschenkt worden.

Die letzte Krise

Zu einer schweren Krise kommt es im Frühjahr 1949. Es geht dabei um die Kompetenzen der Länder und um die Zustimmung der Alliierten zum Grundgesetz. Vor allem die SPD sieht zu viele Zugeständnisse an die Siegermächte, sie wirft Unionspolitikern vor, „Erfüllungspolitiker der Alliierten” zu sein. Erst als die drei Westmächte Zustimmung zum vorliegenden Grundgesetzentwurf signalisieren, entspannt sich die Lage wieder. Adenauer spricht von einem „abgekarteten Spiel” zwischen SPD und der britischen Regierung. Am Ende aber ist auch er beruhigt. Ahnt er doch, dass er in der neuen Republik eine führende Rolle spielen wird. Außerdem, so der pfiffige „Alte von Rhöndorf”, beschließe man ja „nur das Grundgesetz und nicht die Zehn Gebote”.

Die Verabschiedung

Wenige Tage später, am 8. Mai 1949, wird das Grundgesetz mit 53 gegen 12 Stimmen angenommen. Es ist kurz vor Mitternacht, genau 23.55 Uhr, als im Saal der Pädagogischen Akademie die historische Entscheidung für ein neues Deutschland fällt. Genau vier Jahre zuvor hat Deutschland mit der Kapitulation und dem totalen Zusammenbruch seine dunkelsten Stunden erlebt. 

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Text: Sönke Petersen
Bildnachweis: Erna Wagner-Hehmke/Hehmke-Winterer,
Düsseldorf; Haus der Geschichte, Bonn
Erschienen am 13. August 2008

Weitere Informationen:

Parlamentarischer Rat
Informationen zu den Nachkriegsjahren und zum Parlamentarischen Rat (mit Film- und Audioaufnahmen):
www.dhm.de/lemo/html/nachkriegsjahre


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