Im Jahre 1891 erfüllte sich für den Berliner Grundstücksbesitzer Richard Sommer ein Traum. Im Schwanter Forst nordwestlich von Berlin wurde das letzte Gebäude seines Landsitzes fertig gestellt – ein repräsentatives Schloss, das verblüffende Ähnlichkeit mit Paul Wallots erstem, nicht umgesetzten Entwurf zum Berliner Reichstag aufweist.
Nicht nur die kleine Kopie des Reichstagsgebäudes macht die Anlage von Sommerswalde zu einem besonderen Ort. Denn zu dem Gebäudeensemble gehörten auch eine Orangerie in Form einer Moschee mit hohen Minaretten, ein Forsthaus und ein roter Klinkerbau, der mit seinem Mittelturm und vier kleineren Ecktürmen an das Rote Rathaus in Berlin erinnerte.
Die Anlage war eine Attraktion und zog zahlreiche Gäste zu Jagdgesellschaften und rauschenden Festen an. Unter ihnen waren zwei türkische Prinzen und auch Mustafa Kemal Pascha, der als Begründer der modernen Türkei später den Ehrennamen Atatürk trug.
Richard Sommer hatte es dem Reichstag in Berlin zu verdanken, dass er sich diese kostspieligen Vergnügungen leisten konnte. Denn der Bau des Parlamentsgebäudes hatte die Preise seiner Grundstücke in der Umgebung des Brandenburger Tors steigen lassen und ihn zum reichen Mann gemacht. Die Familie des spleenigen Lebemanns besaß große Ländereien vor Berlin. Sein Großvater Carl August Sommer, ehrenamtlicher Stadtrat und Stadtältester, kaufte zwischen 1842 und 1847 die am Brandenburger Tor angrenzenden Grundstücke und ließ die bestehenden Gebäude repräsentativ umbauen. So entstand südlich des Tores das Haus Sommer als Familiensitz und nördlich ein 1857 von Louis Liebermann erworbenes Haus. Dessen Sohn, der Maler Max Liebermann, lebte hier, von den Nationalsozialisten verfemt, bis zu seinem Tod im Februar 1935.
Die Pracht in Sommerswalde war nicht von Dauer. Nach Sommers Tod im September 1916 führten Erbstreitigkeiten unter den elf Kindern zum Verkauf des Grundstücks. Die Gebäude wurden baufällig, so dass die Kuppel und die Minarette der Orangerie abgerissen werden mussten. Heute gehört Sommerswalde einer buddhistischen Gemeinschaft. Die Anlage ist für Besucher frei zugänglich. Exotisch und einladend – wie es Herrn Sommer wohl gefallen hätte.
HFR
Buchtipp Carl-Peter Steinmann, Von wegen letzte Ruhe. Berliner Ausgrabungen, Berlin 2001.
Text: Heiko Fiedler-Rauer
Fotos: Ullstein Bild