Gestern habe ich Politik gemacht. Wie die Großen, nur am Küchentisch. Das heißt, ich habe es versucht. Am Küchentisch finden bei uns immer die Haushaltsdebatten statt, sinnvoller Weise beim Frühstück. Da zieht sich so eine Debatte nicht so lange, weil Paul in die Schule muss und ich zur Arbeit. Anlass der jüngsten Debatte war Pauls Antrag auf Taschengelderhöhung. Paul pubertiert heftig, nie reicht sein Monatsetat. Der Antrag liegt schon länger zur Zustimmung vor, ehrlich gesagt, ich hab ihn bislang ausgesessen. Aber gestern beharrte Paul auf Aussprache.
Taschengelderhöhung, Taschengelderhöhung, sagte ich, woher soll ichs denn nehmen? Paul zeigte sich wenig einsichtig. Eine Zigarette weniger am Tag würde das Problem vielleicht lösen, sagte er. Ich rauche schon seit Jahren eine Zigarette weniger am Tag. Du musst dir ja auch nicht jede Tom-Waits-CD kaufen, sagte Paul. Ich kaufe schon seit Jahren keine Tom-Waits-CD mehr. Stattdessen wünsche ich mir schon seit Jahren einen kleinen Motorroller für die Stadt. Muss ja nicht sein, sagte Paul, bei dem Verkehr. Manchmal, besonders in meinen Belangen, ist Paul sehr vernünftig. Ich versuchte es mit einem Gegenfinanzierungsmodell. Schau Paul, sagte ich triumphierend, wenn wir dir das Taschengeld erhöhen, fallen außeretatmäßige Zuschüsse wie Kinogeld weg. Auch müsste dann eine Telefonkostenbeteiligung in Betracht gezogen werden. Paul guckte streng: Telefonkosten, Telefonkosten, ich telefoniere doch nie, sagte er. Darüber gehen die Meinungen bei uns allerdings stark auseinander, aber ich musste ohnehin zur Arbeit. Paul gab noch nicht auf. Subventionsabbau ist das, rief er, als ich schon an der Türe war, übelster Subventionsabbau, nennt man das wohl, sagte er. Ich hatte ihn. Glaubte ich. Wir müssen eben alle Opfer bringen, sagte ich triumphierend.
Kurzfristig gab sich Paul kompromissbereit. Okay, machen wir es so. Jetzt. Aber wenn dann nächstes Jahr die Steuern gesenkt werden, dann wächst doch dein Etat. Eine Zigarette am Tag weniger, nicht mehr jede Tom-Waits-CD und Bus und Bahn bringen dich auch schnell durch die Stadt. Dann können wir ja alles wieder rückgängig machen. Irgendwie ist Politik machen doch nicht so einfach.
Text: Helmut Schümann
Foto: Kitty Kleist-Heinrich
Helmut Schümann schreibt für den Berliner Tagesspiegel. 2004 erscheint Der Pubertist. Überlebenshandbuch für Eltern, eine Sammlung seiner dort veröffentlichten Kolumnen. Für den Blickpunkt Bundestag berichtet er regelmäßig aus dem Parlamentsviertel. |