Mut zur Erkenntnis
Normalerweise sind im Parlamentsviertel Politikerinnen und Politiker die Handelnden, Medienleute die Beobachter.
Dieser Grundsatz gilt ganz besonders für Robert Birnbaum, den Parlamentskorrespondenten des Tagesspiegels.
Doch heute steht er, der anders als manche seiner Kollegen wenig Aufhebens um sich macht,
selbst im Mittelpunkt. Denn Bundestagspräsident Norbert Lammert verleiht ihm im Reichstagsgebäude den
Medienpreis des Parlaments. Damit der Bundestag nicht in den Verdacht kommt, ihm genehme Berichterstattung
auszeichnen zu wollen, ist eine Jury unabhängiger Journalisten mit der Auswahl betraut. Ausschlaggebend
für ihre Entscheidung war ein Artikel Birnbaums über die Arbeit eines Untersuchungsausschusses.
Lammert betont, ihm habe die Entscheidung sehr eingeleuchtet: „Robert Birnbaum hat die Begabung, über
Dinge zu schreiben, die er kennt, und sie so zu beschreiben, dass sie anderen nachvollziehbar werden.” Peter
Frey, der Juryvorsitzende, formuliert sein Lob für den Preisträger etwas burschikoser: „Birnbaum ist ein mutiger
Vogel, was sich in seinen Artikeln erfreulich bemerkbar macht.” Der Geehrte selbst redet nicht von Mut,
sondern von dem Erkenntnisgewinn, den man selbst beim Schreiben hat. Und dass es auch Personen gibt, die
sich von ihm unzutreffend charakterisiert sehen: „Es gibt Leute, die nicht einsehen, wie sie sind.”
Am Rande des Empfangs berichtet Heide Reiss, Pressefotografin, von einer Privatreise nach Neuseeland.
Das sei ein schönes Land für Biker. Da sind ihr Kollege Achim Melde und Bundestagsdirektor Hans-Joachim
Stelzl ganz Ohr. Denn beide sind Mitglieder der Bikergruppe des Bundestages, in der Fotograf Melde der
Tour Guide des obersten Parlamentsbeamten ist.
Journalistisches Herzblut
Und noch einmal stehen Journalisten im Mittelpunkt einer Veranstaltung. Im Spiegel-Büro am Pariser Platz geht
es um die Verabschiedung von zwei altgedienten Politikbeobachtern, von Jürgen Leinemann und Hartmut Palmer.
Hier kommt es zu einer seltenen Begegnung: Bundeskanzlerin Angela Merkel und ihr Vorgänger Gerhard
Schröder, die sich sonst eher aus dem Weg gehen, begrüßen sich mit einem Händedruck. Schröder hält die Laudatio für Leinemann, und zwar „umsonst”, wie der sonst für Vorträge gut bezahlte ehemalige Regierungschef mit einem Schuss Selbstironie betont. Norbert Blüm, langjähriger Arbeitsminister, gibt in unnachahmlichem Dialekt den Laudator für Hartmut Palmer. Beide Politiker sind sich einig: So sehr Unabhängigkeit für guten Journalismus unabdingbar sei, an journalistischem „Herzblut” dürfe es dennoch nicht fehlen.
Schnörkellose Sätze
Wie hier geht es bei Ehrungen, Buchvorstellungen und anderen Feierlichkeiten in Berlin meist überparteilich
zu. So auch beim Empfang zum 80. Geburtstag des langjährigen Parlamentariers und Regierungsmitglieds
Otto Graf Lambsdorff. Sehr viele seiner Parteifreunde sind in die Orangerie des Schlosses Charlottenburg
gekommen, aber auch alle anderen Bundestagsparteien, Stiftungen und viele Organisationen sind vertreten,
sogar die Rosa-Luxemburg-Stiftung und der Deutsche Gewerkschaftsbund. Selbst der Dalai Lama hat seinen
Sonderbotschafter mit persönlichen Glückwünschen geschickt.
Hamburgs ehemaliger Bürgermeister Klaus von Dohnanyi von der SPD hat die Laudatio für den Mann
übernommen, der politisch fast immer auf der anderen Seite stand, selbst zu Zeiten der sozialliberalen
Koalition. Er räumt ein, eine solche Würdigung sei immer eine Gratwanderung. Einerseits gebe es die alte
katholische Weisheit: „Zu viel Weihrauch schwärzt den Heiligen.” Andererseits wolle er auch nicht
in die Rolle des großen englischen Porträtisten Sargent geraten, der einmal gesagt hat: „Jedes Mal, wenn ich ein Porträt
male, verliere ich einen Freund.”
Auch Lambsdorff hat zur Begrüßung der vielen Gäste ein passendes Zitat zur Hand. Es sei ja hier nicht wie
im Zirkus: „Den Affen kennen alle, der Affe kennt niemanden.” Er kenne die meisten ja. Wie immer gibt der Graf
sich so, wie ihn Wolfgang Gerhardt, früherer FDP-Vorsitzender, charakterisiert: „Klar konturiert in seinen
Gedanken und Worten, eher kurze Sätze, präzise ohne Schnörkel, unverwechselbar
in seiner physischen Gestalt mit seinem Krückstock.”
Flötentöne statt Finanzen
In kleinerem Rahmen, aber ebenfalls überparteilich besetzt ist eine Ehrung, die sich am Rande einer Sitzung vor den Türen des Plenarsaals abspielt. Zum 60. Geburtstag überreichen dem Sozialdemokraten und Bundesfinanzminister Peer Steinbrück ein Freidemokrat und ein Christsozialer eine Querflöte. Die Vorsitzenden des Haushaltsausschusses, Otto Fricke, und des Finanzausschusses, Eduard Oswald, wollen dem Jubilar damit helfen, sich noch einen Traum zu erfüllen und ein Instrument zu lernen. Das Geschenk, scherzt Fricke, sei nicht so zu verstehen, dass die beiden Vorsitzenden dem Minister die Flötentöne beibringen wollten. Die Querflöte habe eine andere Symbolik: „Peer Steinbrück liegt häufig genug mit seinen eigenen Leuten quer. Das ist das passende Instrument zum Minister.”
Fotos: Picture-Alliance
Text: Klaus Lantermann
Erschienen am 22. März 2007