Wer war’s? fragt Blickpunkt Bundestag und lädt Sie ein, Persönlichkeiten der Parlamentsgeschichte wieder zu begegnen. In jeder Ausgabe stellen wir jeweils ein Mitglied des Bundestages vor, das in der Geschichte Deutschlands eine bedeutende Rolle gespielt hat. Sein Name wird nicht genannt. Lüften Sie sein Inkognito und gewinnen Sie eine Reise für zwei Personen nach Berlin.
Im zerbombten Köln sammelt zwei Monate nach Kriegsende ein 26-jähriger ehemaliger Leutnant erste politische
Erfahrungen: Im Meistersaal des schwer beschädigten Kolping-Hauses erlebt er mit, wie 18 Politiker der katholischen
ehemaligen Zentrumspartei über die Zukunft des Landes debattieren und schließlich ein Papier mit
dem Titel „Ein Ruf zur Sammlung des deutschen Volkes” verabschieden. Ihr Ziel ist eine
überkonfessionelle christlichdemokratische Partei, die die überkommene politische Spaltung der Christen in Deutschland überwinden soll.
Der Zuhörer auf einem der hinteren Plätze ist ein echter „Kölsche Jong”, hier geboren und aufgewachsen. Das Gymnasium hat er 1933 verlassen müssen, als sein Vater seine Stelle als Hauptgeschäftsführer des katholischen Kolping-Werks verlor und arbeitslos wurde. So absolviert der Sohn eine kaufmännische Lehre, wird 1938 zum Arbeitsdienst und dann zur Wehrmacht eingezogen und vor Moskau durch einen Lungensteckschuss schwer verwundet.
Bei dem Treffen in der Kölner Breiten Straße, das später als Gründungsversammlung der CDU im Rheinland
in die Geschichte eingeht, spielt der junge Mann noch keine Rolle. Doch die Grundsätze der neu entstehenden
Partei — Menschlichkeit, christliche Toleranz und ein starkes soziales Gefühl — haben ihn gepackt. Einer der Kernsätze
des damals diskutierten Programmentwurfs lautet: „So vertreten wir einen wahren christlichen Sozialismus,
der nichts gemein hat mit falschen kollektivistischen Zielsetzungen, die dem Wesen des Menschen von
Grund auf widersprechen.” Diesem „christlichen Sozialismus” wird er in einem langen Politikerleben verpflichtet bleiben.
Er engagiert sich vor allem in den gewerkschaftsnahen Sozialausschüssen der Partei — mit privaten wie beruflichen
Folgen: 1949 heiratet er Elisabeth, die Tochter von Jakob Kaiser, der die Interessenvertretung der Arbeitnehmer
in der CDU mit ins Leben gerufen hat. Ein Jahr später wird er deren Hauptgeschäftsführer. Seit 1950 ist er
auch Stadtverordneter in Köln, bis er 1957 von seinen Mitbürgern als Direktkandidat in den Deutschen Bundestag
gewählt wird.
Bundespolitisch tritt er ins Rampenlicht, als er 1963 Vorsitzender der Sozialausschüsse der Christlich-Demokratischen
Arbeitnehmerschaft (CDA) in der CDU wird. Obwohl diese Gruppierung in der Partei nur eine Minderheit
vertritt, gelingt es ihr immer wieder, ihren sozialpolitischen Positionen Gehör zu verschaffen. So sind die
Sozialausschüsse und ihr Vorsitzender treibende Kraft bei der Vermögensbildung für Arbeitnehmer, beim Arbeitsförderungsgesetz,
der Kriegsopferversorgung und bei der Dynamisierung der Renten.
Mit dem Eintritt ins Bundeskabinett 1965 kann er als Minister für Arbeit und Sozialordnung noch entschiedener für
seine Vorstellungen eintreten, notfalls auch einmal mit Hilfe einer Rücktrittsdrohung. Seinen Grundsätzen
gemäß wirbt er für die Bildung einer Großen Koalition mit den Sozialdemokraten. Gemeinsam mit ihnen kämpft er
gegen den Abbau von Sozialleistungen. Er setzt weitere Reformen durch, so die Lohnfortzahlung bei
Krankheit auch für Arbeiter.
Mit Bildung der sozialliberalen Koalition 1969 verliert er sein Ministeramt, behält aber Einfluss als stellvertretender
Fraktionsvorsitzender und Präsidiumsmitglied seiner Partei. 1973 jedoch zeigt eine schwere
Niederlage auf dem Bundesparteitag, dass sein politischer Stern sinkt. Mit deutlicher Mehrheit verwerfen die
Delegierten sein Mitbestimmungsmodell, nach dem Aktionäre und Arbeitnehmer im Aufsichtsrat eines Unternehmens
gleich stark vertreten sein sollen. Vier Jahre später ereilt ihn das gleiche Schicksal bei seinem Konzept für die
Sanierung der Rentenversicherung.
Wenig später meldet der langjährige Hauptgeschäftsführer der Sozialausschüsse Norbert Blüm seine Kandidatur
für deren Vorsitz an. Unser Kandidat resigniert, macht dem Jüngeren den Weg frei und zieht sich nach und
nach aus der Bundespolitik zurück. Im Alter von 77 Jahren stirbt er in seiner Heimatstadt Köln.
Wer war’s?
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Einsendeschluss: 23. April 2007.
Unter den richtigen Einsendungen werden fünf Preise verlost. Der Hauptgewinn ist eine Reise für zwei Personen nach Berlin.
Die Lösung unseres Rätsels in Heft 1/07 lautet: Wolfgang Ullmann. Eine Reise nach Berlin hat Walter Scholl aus Niederaula gewonnen.
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Erschienen am 22. März 2007