Es gibt Schleichwege und Flaniermeilen. Abgeordnete und alle anderen Menschen mit einem Hausausweis des Bundestages nutzen beides gern. Im Untergrund kommt man schneller voran, bleibt trocken und kann noch den Dienst des einen oder anderen Automaten in Anspruch nehmen — um Schuhe zu putzen, Geld zu ziehen, eine Cola zu kaufen, ein Flugticket zu buchen. Wer von einem Bürohaus im Parlamentsviertel zum anderen oder vom Büro in das Reichstagsgebäude kommen möchte, wird Teil einer stetigen und in Spitzenzeiten stetig wachsenden Untergrund-Bewegung.
Alle haben es eilig und jede Begegnung ist flüchtig. Akten werden getragen, Gespräche geführt, Kaffeebecher balanciert. Hohe Absätze klackern, flache Sohlen gleiten, Dienstwege können kilometerlang
werden und so trimmt sich zugleich ein wenig, wer sich hier voranarbeitet. Trotz alledem bleibt und ist es ein Parlament der kurzen Wege — groß zwar die Bauten, aber mit System geplant die schnellen Verbindungen.
Wie in einem Raumschiff fühlen sich jene, die vom Paul-Löbe-Haus den Weg in Richtung Reichstagsgebäude
nehmen. Fußbodenbeleuchtung und kühler Sichtbeton lassen die Welt futuristisch erscheinen. Sanft gleitet man
im Reichstagsgebäude auf einem Laufband zwischen strahlend weißen Wänden, vorbei am historischen
Tunnelrest, der immer von Neugierigen umlagert scheint. Und eilig haben es alle, die den nordöstlichen Schleichweg
unterm Reichstagsgebäude wählen. Anzug und Kittelschürze, Kostüm und Blaumann sind hier gleichermaßen zu treffen. So ist das in einem Arbeitsparlament.
Text: Kathrin Gerlof
Fotos: studio kohlmeier
Erschienen am 22. März 2007