Holocaust
Stanislaw Jerzy Lec, der
polnische Aphoristiker, schrieb, vor
der Wirklichkeit könne man die Augen
verschließen, „aber nicht vor der Erinnerung”.
Viele Menschen versuchen
das erst gar nicht. Sie pflegen vielmehr
eine „Erinnerungskultur”, wie der stellvertretende
israelische Botschafter Ilan
Mor bei einem bewegenden Konzert
zwischen den Betonstelen des Denkmals
für die ermordeten Juden Europas sagte.
Vor drei Jahren war es eröffnet worden,
etwa acht Millionen Besucher wurden
seitdem gezählt. Zum Jahrestag spielen
23 Musiker eine für diesen Anlass
komponierte Klanginstallation mit dem
Titel „Vor dem Verstummen”. Unter
den mehr als 2.000 Zuhörern ist auch
der Komponist Harald Weiss. Er will
mit seinem Werk „die Stille verstärken,
die uns zwischen dem Stelenfeld
umgibt, so paradox das auch klingen
mag”. Die Idee zu diesem ungewöhnlichen
Jubiläumsakt hatte Jan-Daniel
Girl vom Förderkreis für das Denkmal.
„Ich hoffe, dass man junge Leute mit
etwas Modernem wie einem Konzert
dazu bringen kann, sich mehr mit der
Geschichte auseinanderzusetzen”, sagt
der 27-Jährige. Bundestagsvizepräsident
Wolfgang Thierse findet es faszinierend,
wie ergriffen die Menschen dem Konzert
gelauscht hätten. Er ist überzeugt, dass
die Entscheidung des Bundestages für
das Denkmal richtig gewesen sei. Es sei
ein „Zeichen für das Selbstverständnis
des neuen Deutschland”, das aus seiner
Geschichte gelernt habe.
www.holocaust-denkmal-berlin.de
Kriegsende
Dieses Leitmotiv stimmt
auch der Bundestagsabgeordnete und
Staatsminister
im Auswärtigen Amt
Gernot Erler am 8. Mai im Martin-
Gropius-Bau an. Hier, in Nachbarschaft
zu den Resten der zerstörten NSTerrorzentrale,
sind Deutsche und Russen
zur Eröffnung einer Ausstellung mit
rund 200 Aufnahmen des russischen
Kriegsfotografen
Jewgeni Chaldej zusammengekommen.
Sein berühmtestes Bild
zeigt, wie Soldaten der Roten Armee auf
dem Reichstag die Sowjetflagge hissen.
Die Aufnahme ist gestellt, Details sind
einmontiert. Dennoch wurde sie zum Symbol
des Sieges über Nazideutschland.
Erler versichert: „Wir werden dieses dunkle
und tragische Kapitel im Verhältnis
unserer beiden Länder nie vergessen.”
Der russische Botschafter Wladimir
Kotenew ergänzt: „Wer von seiner
Vergangenheit
nichts wissen will, hat auch
keine Zukunft.” Aus Moskau sind die
Tochter Chaldejs sowie einige Kriegsveteranen
gekommen. Anna Chaldej, im
dunkelblauen Kostüm mit hellen Punkten,
berichtet, ihr Vater habe
zu fast jedem
Foto eine kleine Geschichte
erzählen
können. Ernst Volland, Chaldejs deutscher
Entdecker und Sammler,
betont
dessen Fähigkeit, seine Bilder
zu komponieren,
„auch unter schwierigsten
Umständen,
mit Tod, Leid und Geahr
um
ihn herum”. Bis 28. Juli kann die Ausstellung besucht werden, die Öffnungszeiten
finden Sie unter folgendem Link.
www.chaldej.de
Zerstörung der Demokratie
Ihren Ausgang nahm die Katastrophe zwölf Jahre
früher. In einer Gedenkstunde erinnerte
der Bundestag im April an „Die Zerstörung der Demokratie
in Deutschland vor 75 Jahren” durch die
Nationalsozialisten. Bundestagspräsident
Norbert Lammert rief in seiner Rede die
Verbrechen nach der Machtergreifung
Hitlers ins Gedächtnis:
das Ermächtigungsgesetz,
für das der Reichstagsbrand
als Vorwand diente, die Bücherverbrennungen,
die Zerschlagung von
Parteien und Gewerkschaften. Den Boykott
jüdischer Geschäfte und die per
Gesetz dekretierte Versetzung sogenannter
„nicht-arischer” Beamter in den
Ruhestand
bezeichnete Lammert als
„unübersehbares
Fanal einer brutalen
Ausgrenzung”.
Dass Berlin nicht Weimar
sei, so wie Bonn nie Weimar wurde, manifestiere
sich in dem großen Konsens,
mit dem heute im deutschen Parlament
auf das Jahr 1933 und seine Lektionen
zurückgeblickt werde. Eine Dokumentation
der Gedenkstunde ist ab Juni beim Referat Öffentlichkeitsarbeit erhältlich.
Auf Entdeckungstour
im Bundestag: Beim Fotowettbewerb
im Rahmen des Internationalen Parlaments-
Stipendiums (IPS) haben 19
Stipendiaten das Parlament mit der
Kamera erkundet. Die Jury — Abgeordnete
der Berichterstattergruppe für
Internationale Austauschprogramme —
hat 17 Bilder ausgewählt, die auf Monitorwänden
in Bundestagsgebäuden
und im Internet präsentiert werden.
Drei von der Jury gekürten Preisträgern
überreichte Bundestagspräsident
Norbert Lammert eine Urkunde und
einen Bundestagsbildband: Iryna
Mastsitskaya (Belarus), Adrijana Hanusic
(Bosnien und Herzegowina) und
Olga Zasukhina (Russland), deren
Foto links abgebildet ist. Im Rahmen
des IPS-Programms lernen jedes Jahr
politisch interessierte Teilnehmer aus
derzeit 26 Ländern die Arbeit in einem
Abgeordnetenbüro kennen.
www.bundestag.de/ips
Erschienen am 18. Juni 2008