Elfriede Matthes aus dem Tagungsbüro des Bundestages.
© DBT/studio kohlmeier
Das Tagungsbüro
Elfriede Matthes arbeitet im Tagungsbüro des Bundestages. Sie macht erst
einen Strich unter die Rechnung, wenn wirklich alles perfekt ist.
Das ist eigentlich eine Geschichte
über Teamarbeit.
Obwohl es hier um Elfriede
Matthes geht, eine 56-jährige
lebensfröhliche und lebensmutige
Frau, die einen grünen Daumen hat und
möglicherweise die besten Gewürzgurken
Berlins macht. Beides ist für ihre Arbeit
nicht unbedingt wichtig, aber manchmal
bringt Elfriede Matthes ein Glas Gurken
für ihren Chef Paul Thelen mit. Das ist
dann eine kleine Geste, die manches
sagt darüber, wie hier zwei zusammenarbeiten.
Paul Thelen weiß, dass seine Mitarbeiterin
zu jenen Menschen gehört,
die zu Ende bringen, was sie begonnen
haben, und dafür sorgen, dass die Dinge
auch während ihrer Abwesenheit im Fluss
bleiben. Denn: Elfriede Matthes ist ein
verantwortlicher Mensch. Genau so eine
braucht ein Tagungsbüro des Bundestages,
und davon profitiert am Ende auch
der große, etwas staksige Gummibaum,
der rechts neben dem Bürofenster steht.
Die Dinge ordnen: Karteikasten im Tagungsbüro.
© DBT/studio kohlmeier
Zuerst einmal aber sei gesagt, der
Name ist ein bisschen irreführend. Das
Tagungsbüro, Teilbereich ZT4/11, organisiert
keine Tagungen. Es ist unter anderem
für die Vergabe der Sitzungsräume
und -säle verantwortlich, von denen
es rund 70 in den Liegenschaften des
Bundestages
gibt. Das Tagungsbüro betreut
während der Plenarsitzungen bei Abstimmungen
und Auszählungen die
Schriftführer.
Es ist zugleich zu Beginn
jeder neuen Legislaturperiode das
„Herzlich-willkommen-Büro” des Bundestages,
sorgt für den ersten und guten
Eindruck, begrüßt alle neuen Abgeordneten,
stattet sie mit Ausweisen
und Informationsmaterial aus. Das
Tagungsbüro
macht, wie Paul Thelen
sagt, von der Bürobeschilderung über
die Erstellung
von Telefonverzeichnissen
bis zur Mandatsannahme und -niederlegung
alles. Die Qualität eines solchen
Büros misst sich daran, dass es in jeder
Sitzungswoche mit dafür sorgt, dass die
Plenarberatungen bestens organisiert
ablaufen, wer Auskunft will, sie schnell
und unbürokratisch bekommt, alle
Raum und Platz für die Beratungen ihrer
Arbeitsgremien haben, selbst unvorhergesehene
Dinge schnell und unkompliziert
in die Abläufe integriert werden, keine
Information verloren geht und jeder sagen
kann, wenn etwas nicht klar ist: „Ruf
doch im Tagungsbüro an. Die wissen das
bestimmt.” Und dann ruft man an und
will vielleicht wissen, wo der Abgeordnete
sein Wahlkreisbüro hat, und es dauert
keine Minute, da hat man die Antwort.
Früher stand so etwas auf Karteikarten —
heute in der MdB-Stammdatei, die in
guter Zusammenarbeit mit den Kollegen
des Referats Systementwicklung datentechnisch
gehegt und gepflegt wird.
Weil so viel in Bewegung ist, sei
diese Arbeit so interessant, sagt Elfriede
Matthes. „Dass ich 2002 hier gelandet
bin, ist einer der größten Glücksfälle
meines Lebens.” Hier ist die Welt offensichtlich
anstrengend und hektisch, aber
auch in Ordnung.
Bevor Elfriede Matthes im Tagungsbüro
anfing, arbeitete sie kurz
beim Etagendienst des Bundestages und
davor viele Jahre beim Statistischen
Bundesamt.
2009 ist sie 30 Jahre beim
öffentlichen Dienst beschäftigt. Dass es
so eine lange und vor allem auch gute
Zeit werden würde, hätte die gelernte
Einzelhandelskauffrau aus der Eifel wahrscheinlich
nicht gedacht, als sie 1970 nach
Berlin ging, um im Kaufhaus Wertheim
anzufangen. Damals stand für sie nur
fest, dass es unbedingt Berlin sein sollte.
Und Berlin ist es auch geblieben, hier lebt
der Sohn mit seinen zwei Kindern, hier ist der Garten, in dem die Ausgangslage
für die besten Gewürzgurken Berlins geschaffen
wird, hier ist Leben. Und das
gefällt Elfriede Matthes.
Perfekt organisiert: Dokumentenmappen im Tagungsbüro.
© DBT/studio kohlmeier
Die Arbeit passt zu ihren hohen
Ansprüchen genauso wie zu ihrer praktischen
Art, die Dinge zu ordnen. Hier
gilt nicht, wer suchet, der findet, sondern,
wer planvoll vorgeht und Ideen
hat, wie sich Dinge ordnen lassen, kann
perfekte Arbeit liefern.
Auf dem Bildschirm von Elfriede
Matthes ist die Verknüpfung zu einer Datei
mit dem schönen Namen „trittaustrittein.
doc” zu sehen. Mandatsannahme und
Mandatsniederlegung — kürzer könnte
so ein Dateiname kaum sein. Und praktischer
auch nicht.
Aber bei aller gelassenen Routine,
allen laufenden Arbeiten, die in gleichbleibend
guter Qualität erledigt werden,
es gibt eine Königsdisziplin, und das ist
die organisatorische Vorbereitung der
Bundesversammlung, jenem Gremium,
das alle fünf Jahre den Bundespräsidenten
wählt und sich zu gleichen Teilen aus
Mitgliedern des Bundestages und aus von
den Volksvertretungen der Länder bestimmten
Mitgliedern zusammensetzt.
Am 23. Mai 2009 wird die
13. Bundesversammlung
stattfinden, im
Tagungsbüro des Deutschen Bundestages
begann die Vorbereitung dafür am 5. Mai
2008. Am Anfang steht eine Vorlage, in
der beschrieben ist, was wann und wie
gemacht werden soll und wird. Ist die
Vorlage bestätigt und Arbeitsgrundlage,
werden bis zum Wahltag selbst viele
Abstimmungsprozesse und Vorarbeiten
ablaufen. Allein die Einladung aller
Mitglieder der Bundesversammlung ist eine
Herausforderung. Für Elfriede Matthes besteht
sie vor allem darin, dass möglichst kein
einziger Brief wegen einer falschen Adresse
zurückkommt. Stunden- und tagelang sitzt
sie deshalb und vergleicht Postleitzahlen,
überprüft, ob die angegebene Adresse auch
noch die aktuelle Wohnadresse ist.
Bestens organisiert: Elfriede Matthes und ihre Kolleginnen und Kollegen sorgen für reibungslose Abläufe im Bundestag.
© DBT/studio kohlmeier
Es gibt einen Organisationsplan,
den das Tagungsbüro erstellt hat, in
dem steht alles, was zu bedenken ist, die
kleinen Dinge und die großen Aufgaben:
Platzkarten, Statistiken,
Namensschilder
für die Bundesversammlung,
Unfallversicherung
der Mitglieder,
Blumenschmuck,
Gottesdienst, Ehrengäste, Hotel- und Flugreservierungen, Ausstattung der Räume, Ausweistaschen für Mitglieder, Gastronomie, Tagestelefonverzeichnis,
Hinweistafeln, Musik, Lautsprecheranlagen,
Sonderstempel, Beflaggung, Reinigung,
Garderobe, Kopiergeräte, Arzt,
Krankenwagen, Außenbildschirm.
Elfriede Matthes ist in ihrem Element,
wenn sie davon spricht. Eine
Bundesversammlung
muss perfekt ablaufen,
alles andere wäre der Würde
und Bedeutung dieses Gremiums nicht
angemessen.
Was ist das Schönste? Wenn es
dann genauso gelingt, wie man es geplant
hat. Und wenn man gelobt wird.
Nicht nur für eine perfekte Bundesversammlung,
sondern auch so. Einfach
mal zwischendurch. Das geschehe häufig,
sagt Elfriede Matthes und lächelt.
Dass einer anrufe und sagt: „Danke,
Sie haben mir sehr geholfen.” Dass es
E-Mails gebe, in denen steht: „Dem lieben
Tagungsbüro ...” Da fiele es dann
auch leicht, in Hochdruckzeiten so lange
im Büro zu bleiben, bis alle Arbeit
erledigt ist. Genau das ist es, was Paul
Thelen an seiner Kollegin so schätzt:
Verlässlichkeit, Engagement und dass
man zusammen ein gutes Team ist.
Arbeit muss Spaß machen.
Wenn dann noch die vermutlich
besten Gewürzgurken Berlins dazukommen,
kann das nur gut sein. „Wollen Sie
mal kosten?”, fragt Elfriede Matthes.
Klar will man.
Text: Kathrin Gerlof
Erschienen am 18. Juni 2008