Hartwig Bierhoff, Leiter der Online-Dienste, ist 65 und hört auf. Außerdem: Das Gelöbnis vor dem Reichstagsgebäude, eine Ausstellung über FJS und eine Diskussion über Rechtsextremismus.
Fallbeilgeburtstage
Im Untergeschoss
des Jakob-Kaiser-Hauses des Bundestages
feiert Hartwig Bierhoff
seinen 65. Geburtstag.
Für den Leiter
des Referats
Online-Dienste und Parlamentsfernsehen
bedeutet dieser Termin
den Abschied vom
Bundestag. Parlamentspräsident
Norbert
Lammert sagt, angesichts solcher „Fallbeilgeburtstage”
überkomme ihn ein Anflug
von Wehmut.
Bierhoff und er hätten
auf gleicher Wellenlänge
ein gemeinsames
Anliegen
verfolgt: Es sei ihnen darum
gegangen, das Parlament als Zentrum
der politischen Auseinandersetzung
ins Bewusstsein
der Öffentlichkeit
zu
rücken.
Die Gäste — Abgeordnete, Kollegen,
Freunde, Mitarbeiter und Presseleute —
kennen Bierhoff,
den langjährigen Pressesprecher
des Deutschen Bundestages,
meist schon viele Jahre. Etwa Werner
Sonne von der ARD: „Ich kenne Bierhoff
schon ewig. Und es hat sich immer
gelohnt, ihn zu kennen.” Oder der
langjährige Bundestagsabgeordnete und
Kieler Oberbürgermeister Norbert Gansel
(67). Der meint, der Jubilar habe schon
vor 35 Jahren so ausgesehen wie heute.
Dass aber auch Bierhoff in dieser Zeit
ein wenig älter geworden ist, zeigt eine
Szene aus einem Film, einem Geburtstagsgeschenk.
Da sieht man den mit langem
dunklem Haar gezierten Studenten
Bierhoff Anfang der 70er-Jahre in einer
Sendung von Hans-Joachim Kulenkampff.
Der Quizmaster will wissen, was Bierhoff
denn mal werden wolle. Das wusste er damals
noch nicht — er konnte ja auch kaum
ahnen, mal Chef des Parlamentsfernsehens
zu werden.
Kultur des Hinsehens
In der brandenburgischen
Landesvertretung zeichnet
der Nachrichtensender Inforadio eine
Podiumsdiskussion
über Rechtsextremismus
auf. Einer der Zuhörer ist der Diplomingenieur
Sokrates Giapapas. Er ist in
Athen geboren, hat in Berlin studiert
und kam 1996 als 59-Jähriger nach Brandenburg.
Dort baute er so erfolgreich
ein Unternehmen
auf, dass er nach acht
Jahren Ehrenbürger der Stadt Schwarzheide
wurde. Er habe gespürt, dass in
Ostdeutschland
„eine andere Luft weht”. Der Kampf gegen Rechtsextremismus
müsse im Kindergarten beginnen. Wenn
man deutsche und ausländische Kinder
zusammenbringe, werde den Neonazis
der Boden entzogen.
So ähnlich sieht das auch Hajo
Funke (63), Professor an der Freien Universität
Berlin: „Prävention fängt im Kindergarten
an.” Er befasst sich seit 1989
mit dem Rechtsextremismus. Anlass war
der Einzug der Republikaner ins Berliner
Abgeordnetenhaus. Funke betont, Neonazis
hätten ein doppeltes Gesicht, sie gäben
sich gern als Biedermänner. Thomas
Weidlich, Jahrgang 1962, ist eigentlich
Lehrer. Seit fünf Jahren ist er Mitglied in
einem mobilen Beratungsteam in Potsdam
und arbeitet mit vielen Menschen zusammen,
die sich gegen Rechtsextreme engagieren.
Ihr Einsatz habe dafür gesorgt,
dass in den letzten Jahren eine „Kultur
des Hinsehens und der Thematisierung”
entstanden sei.
Auch der Hausherr der brandenburgischen
Landesvertretung,
Staatssekretär
Gerd Harms (55), sieht einen Wandel in
der Auseinandersetzung mit den Rechtsextremisten.
Während man früher oft
reflexartig von „Einzelfällen” gesprochen
habe, habe man zumindest in Brandenburg
Ende der 90er-Jahre erkannt:
„Wir haben ein Problem.” Das habe vor
zehn Jahren zum Handlungskonzept
„Tolerantes Brandenburg” geführt.
Im Schneesturm
In der Berliner Vertretung
des Freistaates Bayern wird eine
Ausstellung über Franz Josef Strauß eröffnet.
Anlass ist der 20. Todestag des
bayerischen Vollblutpolitikers. Gastgeber
Markus Söder, Staatsminister für Bundesund
Europaangelegenheiten, erzählt, er
habe als Jugendlicher ein Riesenposter
von Strauß in seinem Schlafzimmer gehabt.
Edmund Stoiber sagt, Strauß sei sein
„prägender Lehrmeister” gewesen und zitiert immer wieder seinen Vorvorgänger
als Ministerpräsident.
Zum Beispiel mit
dessen Wort über die Volksnähe der
CSU: „Wir müssen uns in der Kaviar-Etage bewegen können. Aber zu Hause
sind wir in der Leberkäs-Etage.”
Auch hier wird ein Film mit Szenen
aus der Vergangenheit gezeigt: „FJS” steuert
mit eigenen Händen eine kleine Maschine
durch einen Schneesturm nach
Moskau,
wo er als erster deutscher Spitzenpolitiker
Michail Gorbatschow treffen
wird. In der Cessna saß auch Stoiber:
„Schon der Flug mit Strauß im Cockpit
war ein Abenteuer.”
Text: Klaus Lantermann
Erschienen am 13. August 2008
Trommelwirbel
vor dem Bundestag: Am 64. Jahrestag
des gescheiterten Attentats von
Wehrmachtsoffizieren auf Adolf Hitler
legten 500 Bundeswehrrekruten
am 20. Juli ihr öffentliches Gelöbnis
ab. Seit 1999 findet der feierliche
Appell zum Jahrestag in Berlin statt,
in diesem Jahr zum ersten Mal vor
dem Reichstagsgebäude auf dem
Platz der Republik. Hauptredner Helmut
Schmidt, der vor über 70 Jahren
selbst als Wehrpflichtiger eingezogen
wurde, erinnerte an seine eigene Zeit
als Soldat der Wehrmacht im Zweiten
Weltkrieg und mahnte: „Auch wir
Deutschen bleiben verführbar.” Der
fast 90-jährige Altkanzler machte an
die Rekruten gewandt aber auch den
Unterschied zu damals deutlich: „Dieser
Staat wird euch nicht missbrauchen.
Denn die Würde und das Recht
des einzelnen Menschen sind das
oberste Gebot.”