Draußen der strahlend blaue Himmel und die klare
Linie der Architektur — drinnen die erdigen Farben
und der kraftvolle Strich der Naturbilder. Stärker
kann der Kontrast nicht sein. Mystisch, ausdrucksstark
und obsessiv sind Hans Jürgen Kallmanns Bilder, die der
Bundestag zum 100. Geburtstag des Malers in der Ausstellung
„Von Bäumen und Menschen” zeigt. Wer in diesen Sommertagen
den Kunst-Raum im Marie-Elisabeth-Lüders-Haus betritt, taucht
ein in die Welt eines Malers, den die Großen der Kunst schätzten
und der die Großen der Politik porträtierte. „Und dennoch
bleibt sein Lebenswerk zu entdecken”, sagt Andreas Kaernbach,
der Kurator der Kunstsammlung
des Bundestages.
„Das gilt für sein expressionistisches Frühwerk
genauso wie für sein Oeuvre
aus der Nachkriegszeit.” Leicht fällt diese Aufgabe nicht, denn
viele seiner frühen Arbeiten
sind durch Krieg und Verfolgung
im Dritten Reich verloren oder zerstreut.
Zweimal steht Kallmann im Blick der Kunstszene: In den
30er-Jahren verkehrt er mit Künstlern wie Max Slevogt, Emil
Nolde, Käthe Kollwitz oder Max Liebermann. Kallmann erschafft
vor allem Serien von Landschaftszeichnungen, die sich
mit dem abgründigen Mysterium der Natur beschäftigen. Die
Nationalsozialisten
machen seiner Karriere ein Ende. Auch
Kallmanns Werk diffamieren sie in der Ausstellung „Entartete Kunst”.
Der Künstler flieht und kehrt erst 1952 nach Deutschland
zurück. Er malt weiterhin gegenständlich — und damit gegen
den Trend des Kulturbetriebs. Dennoch macht sich Kallmann
erneut einen Namen als einfühlsamer Porträtist bedeutender
Zeitgenossen — darunter Theodor Heuss, Bertolt Brecht, Papst
Johannes XXIII., Konrad Adenauer oder Carl Orff. Mit seinen
Bildern erschafft er eine Galerie der politischen und intellektuellen
Elite der jungen Bundesrepublik.
Seine Porträts stehen im Mittelpunkt der Ausstellung,
allen voran die Bilder der Bundestagspräsidenten Hermann
Ehlers, Eugen Gerstenmaier und Annemarie Renger. Sie stammen
aus der Kunstsammlung des Bundestages, die unter anderem
Arbeiten von deutschen Expressionisten, internationalen
Künstlern und zahlreiche zeitgenössische Fotoarbeiten vereint.
Kallmann wurde mehrfach ausgezeichnet, darunter 1990 mit
dem Großen Bundesverdienstkreuz.
Dass Kallmanns gegenständliche Malerei mehr als nur ein
Abbild ist, zeigt ein Brief Annemarie Rengers an den Maler, der
ihr Porträt offenbar nach einem Foto schuf. Im Herbst 1988
schrieb sie: „Ich habe eine Reihe von Zuschriften erhalten, die
meinten, das Foto und das Gemälde stimmten nicht überein.
Nun, das sollte es ja wohl auch nicht. Ich finde jedenfalls, dass
sich in dem Bild mein Image widerspiegelt und Sie mein Wesen
erfasst haben.” Wesenszüge lassen sich auch in den Porträts des
Künstlers als alter Mann suchen: Fünf Selbstbildnisse aus den
Jahren 1965 bis 1989 sind in der Ausstellung ebenfalls zu sehen.
Mit strengem Blick folgt er jedem, der den Kunst-Raum
verlässt und an das Spreeufer tritt.
Text: Georgia Rauer
Erschienen am 13. August 2008
„Von Bäumen und Menschen”
Ausstellung von Werken des Malers Hans Jürgen Kallmann (1908 bis 1991)
Ort: Kunst-Raum im Marie-Elisabeth-Lüders-Haus; Zugang ist von der Spreepromenade (Schiffbauerdamm)
aus ohne Formalitäten möglich
Öffnungszeiten: bis zum 28. September 2008 täglich
außer Montag von 11 bis 17 Uhr
Der Eintritt ist frei.
www.kunst-im-bundestag.de