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Informationen über dieses Dokument: Seitentitel: Elegantes Vakuum
Gültig ab: 17.09.2008 10:19
Autor: Nils Grobmeier
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Elegantes Vakuum

Die beiden Halbschalen des brasilianischen Kongresses und das Abgeordnetenhaus in der Dämmerung
Die beiden Halbschalen des brasilianischen Kongresses und das Abgeordnetenhaus in der Dämmerung
© Picture-Alliance/efe epa

Vereinigtes Königreich: UK Parliament

Transparent, elegant, leicht – so wird die Architektur der brasilianischen Hauptstadt Brasilia gerühmt. Vor allem der Platz der drei Gewalten gilt als Höhepunkt der Architektur, geschaffen 1960 vom Brasilianer Oscar Niemeyer: rechts der Präsidentensitz, links der oberste Gerichtshof und mittendrin in zwei Halbschalen der Kongress mit Abgeordnetenhaus und Senat. Fotografen lieben die schneeweißen Schüsseln unter den dahinfliegenden Wolken. Doch der Eindruck von Moderne und Leichtigkeit täuscht ein wenig: Es gibt wenige Parlamente, die so schwer zu überschauen und verwinkelt sind. Lange, teilweise unterirdische Gängeverbinden die Kammern des Kongresses mit dem zweitürmigen Abgeordnetenhochhaus. Überdimensionale Ledersofas, von Niemeyer entworfen, aber kaum zu benutzen, stehen im Halbdunkel der Lobby. Der Senat ist vollständig in dunkelblauen Samt gekleidet. Der deutsche Fotograf Andreas Gursky hat die zweite Kammer porträtiert wie eine über allem schwebende, beleuchtete Muschel – und damit perfekt das Selbstverständnis der 81 Senatoren getroffen. Die werden auf acht Jahre gewählt und sind über das politische Tagesgeschäft erhaben. Mit „Ihre Exzellenz” reden sie sich an, wer „Sie” oder gar „Du” benutzt, bekommt einen Verweis. Die Senatssitzungen gleichen meistens Versammlungen eines Golfklubs. Die Politik wird vorher gemacht, in den Edelrestaurants der Hauptstadt, in den Villen der Lobbyisten oder – zur Not – auch mal in den Korridoren vorm Senatsgebäude. Im Abgeordnetenhaus dagegen geht es zur Sache: Im Halbdunkel des Sitzungssaales schlägt kaum einer der 513 Abgeordneten seine Zeit mit Aktenstudieren tot. Der normale brasilianische Abgeordnete steht im Plenum, hält ein Handy am Ohr und klopft seinen Gesin-nungsgenossen auf die Schultern. Wer auffallen will, muss seine Redezeiten provokativ nutzen – brüllen und schimpfen, in Tränen ausbrechen oder philosophische Zitate gehören zum Repertoire. Auch hier wird die Politik in den Lobbys gemacht. Ein Abgeordneter drückt es so aus: „Meine Popularität kann ich jeden Tag neu daran messen, wie oft ich auf dem Weg von meinen Büro in den Sitzungssaal begrüßt werde.”

Auch die zukunftsweisende Architektur hat nicht verhindern können, dass der Kongress in einer Sinnkrise steckt. Er verliert an Macht. Kaum ist eine neue Regierung installiert, versuchen Abgeordnete durch Parteiwechsel, einen Fuß in die Regierungskoalition zu bekommen. Von den 513 Abgeordneten haben 223 schon mal ihre Partei gewechselt. Dennoch lässt sich das Parlament kaum zu einer stimmfähigen Mehrheit versammeln. Deswegen regiert der Präsident meist per Dekret. Immer öfter fällt der Oberste Gerichtshof politische Urteile, die eigentlich das Parlament entscheiden müsste. Inmitten der Niemeyer-Ästhetik versinkt der Kongress in einem politischen Vakuum. „Architektur ist keine simple Frage der Ingenieurskunst. Sie ist eine Manifestation des Geistes, der Fantasie, der Poesie”, sagte Niemeyer einmal. Verständlich, dass der Meister von Brasilia enttäuscht war. 

Text: Alexander Busch
Erschienen am 19. November 2008

Weitere Informationen:

Congresso Nacional
Die Kammern im Internet:
www.senado.gov.br
www.camara.gov.br


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