Ein Stück Mauer aus Danzig in Berlin: Am Reichstagsgebäude erinnert eine Gedenktafel an die polnische Gewerkschaftsbewegung Solidarność. Außerdem: Eine ehemalige Richterin wandelt auf Fontanes Spuren. Sowie: Medienpreis Politik. Und: Sparen kommt später – Zitate aus den Debatten im Plenum.
hat Bundestagspräsident Norbert Lammert Mitte Juni seinen polnischen Amtskollegen Bronisław Komorowski empfangen. Gemeinsam enthüllten sie ein Mauerstück jener berühmten Danziger Werft, die 1980 Ausgangspunkt der polnischen Gewerkschaftsbewegung war. Mit ihrem Kampf für demokratische Rechte leistete die Solidarność lange vor dem Herbst 1989 einen entscheidenden Beitrag für das Ende der Teilung Europas. Die Gedenktafel an der Nordseite des Reichstagsgebäudes ist ein Geschenk des polnischen Sejms an den Bundestag. Die Parlamente pflegen enge Beziehungen und treffen sich regelmäßig bei gemeinsamen Präsidiumssitzungen. In diesem Jahr gedenken beide Länder sowohl des 20. Jahrestages des Falls der Berliner Mauer als auch des Runden Tischs und der ersten freien Wahlen in Polen.
Für die Öffentlichkeit im Westen völlig überraschend riegelt die DDR am 13. August 1961 die Sektorengrenze in Berlin ab. Straßen werden aufgerissen, Panzersperren und Stacheldrahtverhaue errichtet, Hauseingänge zugemauert. Nachdem die innerdeutsche Grenze schon fast unüberwindlich geworden war, kappt die DDR jetzt auch in Berlin die Verbindungen zwischen beiden Teilen der Stadt, die Straßen und Bahnlinien, die familiären und wirtschaftlichen Kontakte. Das verschlossene Brandenburger Tor wird zum Symbol der deutschen Teilung.
Kurz nach dem 13. August gelingt noch einigen Menschen die Flucht. Bis zum September 1961 überwinden 85 Mitglieder der Sicherungskräfte und 216 weitere Personen die provisorischen Grenzverhaue. Das Bild des über den Stacheldraht springenden Soldaten Conrad Schumann geht um die Welt. Der Westen reagiert nur zögernd: Die Westalliierten benötigen drei Tage für einen förmlichen Protest in Moskau. Bundeskanzler Konrad Adenauer kommt erst nach zwei Wochen nach Berlin.
An der Berliner Mauer sterben bis zum Ende der DDR mindestens 133 Menschen, davon 98 Flüchtlinge, aber auch acht DDR-Grenzsoldaten. 43 weitere Personen kommen nach Angaben der Bundesregierung während oder nach Kontrollen an Berliner Grenzübergängen ums Leben.
In der Hauptstadt-Vertretung des Landes Brandenburg verneigen sich die Schauspieler des Fontane-Ensembles Berlin vor den applaudierenden Zuschauern. Den Beifall haben sie sich mit der Lesung von Szenen aus „Vor dem Sturm” verdient, dem 1878 erschienenen ersten Roman des wohl bekanntesten märkischen Schriftstellers. Zu den Mitgliedern des Ensembles gehört auch eine zierliche ältere Dame. Inken Schwarzmann, 74, hat die unentwegt mit vier großen Holznadeln strickende Tante Schorlemmer verkörpert, eine der starken Frauen in diesem Werk Theodor Fontanes.
Auch im wirklichen Leben spielte Inken Schwarzmann eine starke Rolle. Die in Berlin geborene Tochter eines Großkaufmanns ging nach dem zweiten juristischen Staatsexamen zur Justiz und „blieb schließlich in Moabit hängen”, wie sie es ausdrückt. 1979 wurde sie Vorsitzende einer Großen Strafkammer. Vor ihren Richtertisch wurden Einbrecher, Vergewaltiger, Totschläger und Mörder geführt, auch Mitglieder einer Mafia. Ihr beherzter Verhandlungsstil trug ihr damals die Schlagzeile einer Boulevardzeitung ein: „Inken Schwarzmann allein gegen die Mafia”. Besonders nahe geht ihr heute noch die Verhandlung gegen einen Mörder, den sie zu lebenslanger Haft verurteilte. „Das war ein richtiger Killer, so was hat man selten.” Dieser Mann habe drei Menschen völlig sinnlos nacheinander umgebracht. Die Empörung ist ihr noch heute anzuhören, wenn sie die Einzelheiten schildert. „So ein Fall beschäftigt einen das Leben lang.”
Inken Schwarzmann galt als Frau der harten Urteile. Sie bestätigt das. Bei einem Betrug hätte sie durchaus mal Milde walten lassen, aber wenn ein Täter auf einen schon am Boden Liegenden mit Füßen eingetreten hat, da habe ihre Kammer schon schärfer geurteilt. „Wir vertraten nicht die Linie: Der arme Mann ist als Kind über den Nuckel gestolpert und muss jetzt milde bestraft werden.” Sie seien schon streng gewesen, doch merkwürdigerweise sei es sehr oft vorgekommen, dass Angeklagte erklärten: „Wenn das, was sie mir jetzt sagen, mir früher mal ein Jugendrichter gesagt hätte, dann stünde ich jetzt nicht hier.”
Einen Ausgleich für den täglichen Umgang mit dem Verbrechen hatte die vierfache Großmutter bereits vor ihrer Pensionierung im Jahr 2000 beim Fontane-Ensemble gefunden. Schon als Kind spielte sie gern Theater. Einmal durfte sie in einem Film mit Curd Jürgens eine winzige Rolle spielen, als eines von Blumen streuenden Kindern. „Ich erinnere mich noch gut. Wir hatten so schöne Kleider an …”
Seit 1993 vergibt der Deutsche Bundestag einen Medienpreis Politik. Er würdigt hervorragende publizistische Arbeiten, die zu einem vertieften Verständnis parlamentarischer Praxis beitragen und zur Beschäftigung mit den Fragen des Parlamentarismus anregen.
Mit diesem Preis werden Arbeiten in Tages- oder Wochenzeitungen, in regionalen oder überregionalen Medien, Online-Medien oder in Rundfunk und Fernsehen prämiert. Die vom Präsidenten des Deutschen Bundestages verliehene Auszeichnung ist mit 5.000 Euro dotiert.
Die Auswahl der Preisträger erfolgt durch eine unabhängige Fachjury, der sieben renommierte Journalisten angehören.
Bewerbungen oder Rückfragen sind an folgende Adresse zu richten:
Deutscher Bundestag
Fachbereich WD 1
Medienpreis
Platz der Republik 1
11011 Berlin
Telefon: (0 30) 227-3 86 30
Fax: (0 30) 227-3 64 64
E-Mail: vorzimmer.wd1@bundestag.de
WWW: www.bundestag.de/parlamentspreise
„Wir alle sind – das sage ich ganz kritisch und auch selbstkritisch – an dem Vertrauensverlust, den wir erlitten haben, selbst schuld. Darauf gibt es nur eine Antwort: Wir sollten den Bürgern mehr zutrauen. Wir sollten ihnen zutrauen, die Wahrheit auszuhalten, die zum Beispiel nach dieser Krise heißt, dass diese Krise auch bezahlt werden muss.”
Hans Eichel (SPD)
„Der normale Arbeitnehmer in unserem Land, der Facharbeiter, die Krankenschwester und der Handwerker, hat das Gefühl, dass wir uns schwerpunktmäßig zu viel mit denen beschäftigen, die Transferleistungen empfangen, und zu wenig mit denen, die den Karren aus dem Dreck ziehen sollen. Steuerliche Maßnahmen müssen durchgeführt werden, um auch deutlich zu machen, dass diese Menschen im Mittelpunkt der Politik in der nächsten Legislaturperiode stehen.”
Laurenz Meyer (CDU/CSU)
„Wir haben in diesem Land ein Minus von 438 Milliarden Euro. Mindestens genauso stark wie das Minus ist die Politikverdrossenheit in diesem Land gestiegen, weil man nicht erkennen kann, dass in Zeiten der Krise die Politik – Sie haben es nicht gemacht – sich ein Herz nimmt und sagt: Wir bestimmen jetzt, wie Gemeinwohlorientierung und Generationengerechtigkeit in Gesetze gegossen werden. – Frau Merkel, wie kann man hier über soziale Marktwirtschaft reden, sich gleichzeitig aber dazu treiben lassen, trotz dieses Minus von 438 Milliarden Euro Steuererleichterungen für Besserverdienende zu versprechen?”
Renate Künast (Bündnis 90/Die Grünen)
Erschienen am 7. August 2009