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Informationen über dieses Dokument: Seitentitel: „Das lässt einen nicht los”
Gültig ab: 01.10.2009 12:16
Autor: Klaus Lantermann
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„Das lässt einen nicht los”

Festakt in Bonn

Es war der Aufbruch in eine demokratische Zukunft: Am 7. September 1949 trat der Deutsche Bundestag zu seiner ersten Sitzung in Bonn zusammen. Zur Feier des 60-jährigen Jubiläums kehrten ehemalige und amtierende Abgeordnete noch einmal in die Stadt am Rhein zurück. Für manch einen war es ein Zeitreise.

Hildegard Hamm-Brücher
Hildegard Hamm-Brücher
© DBT/Arndt Oehmichen

Die langjährigen Parlamentsreporter auf der Pressetribüne wähnen sich auf einer Zeitreise: Unter dem Bundestagsadler nehmen alte Bekannte Platz. Der frühere Kanzleramtsminister Horst Ehmke setzt sich auf der Regierungsbank wie selbstverständlich wieder in die erste Reihe. Nicht weit vom SPD-Mann lassen sich zwei weitere ehemalige Chefs des Kanzleramts nieder, Friedrich Bohl und Rudolf Seiters, beide von der CDU. Aber die vorderen Tische jeder Fraktion sind von den Vorsitzenden aus der Jetztzeit besetzt – auf dieser Zeitreise sind die historischen Daten verschoben.

„Kopekenscheiche”

Zum 60. Geburtstag des Bundestages hat Parlamentspräsident Norbert Lammert in den früheren Plenarsaal am Bonner Rheinufer eingeladen. Und alle sind gekommen: der Bundespräsident, die Kanzlerin, die Präsidenten von Bundesrat und Bundesverfassungsgericht. Vor allem aber sind rund 400 ehemalige und 200 aktive Abgeordnete angereist. Am Rande der Feierstunde tauschen sie Erinnerungen an ernste und auch heitere gemeinsame Erlebnisse aus.

Plenarsaal des Deutschen Bundestages in Bonn

© DBT/Arndt Oehmichen

Fraktionsübergreifend blüht der Flachs. Da stehen der Grüne Heinz Suhr und der SPD-Haushälter Helmut Esters zusammen. „Weißt du noch, wie wir damals die Anschaffung von Dienstfahrrädern für unsere Fraktion erreicht haben?”, meint der eine. Der andere: „Ja, ja, das musste ich im Ausschuss dann umsetzen.” Esters ist auch noch stolz darauf, dass der Haushaltsausschuss 1969 dem neuen Verteidigungsminister Helmut Schmidt über eine Milliarde Mark gekürzt habe, woraufhin der Hamburger die Haushälter als „Erbsenzähler und Kopekenscheiche” beschimpft habe.

Andere Ehemalige geben Anekdoten zum Besten. Egon Lutz, der SPD-Sozialpolitiker, erzählt, wie er versucht habe, sich in einer Plenarsitzung ganz mutwillig einen Ordnungsruf einzuhandeln. Er habe eine ganze Stunde lang ziemlich „herumgepöbelt”, aber ohne Erfolg. Nachher habe Sitzungspräsident Richard Stücklen ihm erklärt: „Ein Franke wird doch einem Franken keinen Ordnungsruf erteilen.”

Kurt Faltlhauser, der 15 Jahre lang für die CSU im Bundestag saß, und sein Parteifreund Oscar Schneider ehemaliger Bundesbauminister, lassen noch einmal den Umzugsbeschluss von 1991 Revue passieren. Der sorgte nicht nur in ihrer Landesgruppe für ungewohnten Streit. Faltlhauser stimmte gegen den Umzug und bekam damit auch privat Schwierigkeiten, denn seine Frau ist Berlinerin. „Heute muss ich sagen, meine Entscheidung war falsch. Und meine Frau nimmt das als Bestätigung, dass sie doch immer Recht behält.”

Immer wieder kommt auch die Erinnerung an die Sitzung des Bundestages im ehemaligen Wasserwerk hoch, als am 9. November 1989 die Nachricht von der Öffnung der Mauer die Runde machte und die Abgeordneten spontan die Nationalhymne sangen. Die Freie Demokratin Irmgard Schwaetzer erinnert sich: „Damals wussten wir nicht, was auf uns zukommt. Aber wir wussten, es wird was ganz Großes. Und dann wurde es die deutsche Einheit.”

Die Sächsin Helga Otto hat die Wende auf der anderen Seite der Grenze erlebt. Sie ist eine von den vielen tausend DDR-Bürgern, die mit ihren Demonstrationen die Mauer zum Einsturz brachten. Als die SPD 1990 Frauen für den ersten gesamtdeutschen Bundestag suchte, erklärte sie sich zur Kandidatur bereit. Nach vier Jahren habe sie sich aber entschieden, in ihren Beruf zurückzugehen. Das Mandat habe ihr auch Spaß gemacht. „Aber ich habe nicht das Gefühl gehabt, ich könne Berufspolitikerin sein.”

Der ungeduldige Herr Barzel

Ähnlich ging es auch Ludwig Elm, der lange Jahre in der SED war und 1994 für die PDS in den Bundestag einzog. Er hatte sich als Zeithistoriker mit dem Konservativismus in der Bundesrepublik beschäftigt. Seine vier Bonner Jahre könne man insofern auch als Praktikum ansehen, meint er ein wenig sarkastisch. Er hätte wohl noch weitergemacht, doch seine Partei habe Jüngeren den Vorzug gegeben.

Ein noch kürzeres Gastspiel im Bundestag gab Uwe Looft von der CDU: „Ich bin ein 99-Tage-Abgeordneter.” Er war 1971 nachgerückt, und 1972 kam die Neuwahl nach dem gescheiterten Misstrauensvotum des „ungeduldigen Herrn Barzel”. Da hatte er noch keinen eigenen Wahlkreis. Noch heute tut es ihm Leid, dass er bei seiner Jungfernrede eine Zwischenfrage des SPD-Fraktionsvorsitzenden Herbert Wehner nicht zugelassen habe. „Sonst wäre ich ja auf der Liste der Beleidigten erschienen.”

Auch Walter Schwenniger wäre gern länger als zwei Jahre im Bundestag geblieben. Er gehörte zu den ersten Grünen, die 1983 in Latzhosen und mit Sonnenblumen in den Bundestag einzogen. 1985 wurde er ein Opfer des damaligen Rotationsprinzips der Grünen, wonach die Abgeordneten nach zwei Jahren auf ihren Sitz im Bundestag verzichten mussten.

Eine der Ältesten beim Treffen in Bonn ist Hildegard Hamm-Brücher, die seit 1948 für die FDP politisch aktiv und von 1976 bis 1990 Mitglied des Bundestages war. An einer ihrer früheren Wirkungsstätten blickt die 88-Jährige auf ihre 50 Jahre parlamentarisch-politische Erfahrung zurück und stellt fest: „Das lässt einen ja nicht los.”

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Text: Klaus Lantermann 
Erschienen am 2. Oktober 2009


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