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Ob wirtschaftliches Wachstum eine Messgröße für gesellschaftliches Wohlergehen darstellt ist eine der Fragen, denen die Enquete-Kommission "Wachstum, Wohlstand, Lebensqualität" nachgeht. Bei der Debatte am Donnerstag, 10. Mai 2012, zeigten sich Koalition und Opposition uneins. Während Dr. Georg Nüßlein (CDU/CSU) und Florian Bernschneider (FDP) davor warnten, Wachstum künstlich bremsen zu wollen, stellten sowohl Sabine Leidig (Die Linke) als auch Dr. Hermann Ott (Bündnis 90/Die Grünen) die Frage der Ressourcenknappheit in den Mittelpunkt ihrer Betrachtungen. Daniela Kolbe (SPD), Vorsitzende der Enquete-Kommission, warnte davor, in Krisenzeiten Wachstum als Allheilmittel zu betrachten.
Die Enquete-Kommission habe sich in ihrem Einsetzungsschluss zur sozialen Marktwirtschaft bekannt, sagte Georg Nüßlein (CDU/CSU). Einige ihre Mitglieder verstünden die Kommission jedoch als Argumentationsgrundlage für eine staatliche Transformationsagenda im Sinne eines Green New Deal. "Andere sprechen von demokratischer statt sozialer Marktwirtschaft", sagte Nüßlein.
Aus Sicht der Union ist die soziale Marktwirtschaft aber nicht Ursache der ökologischen Krise oder der Finanzkris, sondern vielmehr die Antwort darauf. Der Staat habe in diesem Rahmen die ordnungspolitische Aufgabe, dafür zu sorgen, dass sich Unternehmertum und private Initiative entfalten können, so der CSU-Abgeordnete. Schließlich beruhe ein starker Sozialstaat auf dem Fundament einer leistungsfähigen Wirtschaft. Diese gelte es daher zu stärken, anstatt sie künstlich zu bremsen.
Die Formel "Begrenzte Ressourcen bedeuten begrenzte Wachstumspotenziale" sei falsch, sagte Florian Bernschneider (FDP). "Dabei vergisst man den Fortschrittswillen und die Kreativität des Menschen", betonte er. Die Entwicklungsgeschichte zeige, dass Menschen immer wieder in der Lage waren, die Grenzen des scheinbar Machbaren zu verschieben. "Wir als Liberale zweifeln nicht daran, dass es Menschen auch in Zukunft gelingen wird, über sich hinaus zu wachsen", machte er deutlich.
Zugleich wandte er sich gegen die Vorstellung, der Staat könne ein "gezieltes Schrumpfen" vorschreiben. "Politisch vordiktierte Wachstumsraten sind unsinnig, realitätsfern und unsozial", sagte Bernschneider. Wachstum, so seine Einschätzung, beinhalte schließlich auch die Chance zum sozialen Aufstieg.
Das Thema sei zu wichtig, um es ideologischen Grabenkämpfen zu überlassen, befand die Kommissionsvorsitzende Daniela Kolbe (SPD). Sie zeigte sich erfreut, dass die Arbeit der Kommission "von einer breiten gesellschaftlichen Debatte begleitet wird". Auch das Kanzleramt habe das Thema erkannt und in seinen Bürgerdialog aufgenommen. Kolbe betonte, dass die Arbeit der Enquete-Kommission mit hohen Erwartungen verbunden sei.
Zwar könne man "nicht alle Probleme der letzten Jahrzehnte lösen", doch seien viele der Erwartungen legitim und dürften nicht enttäuscht werden, mahnte sie. So könne man durchaus erwarten, dass die Kommission einen Beitrag zu der gesellschaftlichen Transformationsdebatte leistet. Ebenso sollte es der Kommission gelingen, einen Vorschlag zu einer alternativen Wohlstandsmessung zu unterbreiten.
Statt über Wachstum zu reden, müsse man vielmehr fragen, wie wollen wir leben, befand Sabine Leidig (Die Linke). Entscheidend sei es eine Entwicklungsrichtung einzuschlagen, "die den Verbrauch der Natur reduziert und allen eine Teilhabe an den Möglichkeiten der Gesellschaft bietet". Eine weitere Erkenntnis aus der Arbeit der Enquete-Kommission ist ihrer Ansicht nach die Feststellung, dass es nicht die Menschheit sei, die den Globus zu Grunde richtet, sondern "konkrete Personen, die unter bestimmten gesellschaftlichen Bedingung handeln".
Dazu zählten Investmentbanker, die als Folge der Liberalisierung immer größere Risiken eingehen mussten, um kurzfristig große Gewinne zu realisieren. Wolle man dem begegnen, müsse man Banken und Finanzmärkte durch Gesetze regulieren, machte Leidig deutlich.
Man sei sich in der Kommission einig, dass man künftig mit weniger Ressourcen auskommen müsse, sagte Dr. Hermann Ott (Bündnis 90/Die Grünen). "Wir sind uns sogar einig, dass Wachstum nur ein Mittel und kein Ziel politischen Handelns sein darf", setzte er hinzu. Schon deshalb habe sich die Einsetzung der Kommission gelohnt, befand er. Zudem habe auch er "viel gelernt".
Die hohe Bedeutung des sogenannten Rebound-Effekt etwa habe er nicht gekannt. Dieser Effekt bewirke, dass ein Großteil an Verbrauchsminderungen, die durch technische Verbesserungen erreicht werden, durch ein verändertes Verhalten der Menschen wieder neutralisiert würden. "Diese Erkenntnis wird tiefgreifende Folgen für die Umwelt-, die Wirtschafts- und die Technologiepolitik haben", sagte Ott.
Dies bedeute, dass technische Veränderungen von politischen , wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Änderungen begleitet sein müssten. "Wir werden uns also sehr ernsthaft über die Preisgestaltung von Energie- und Rohstoffen beschäftigen müssen", kündigte er an. (hau)