Navigationspfad: Startseite > Der Bundestag > Wahlen > Wahlrecht für Auslandsdeutsche muss geändert werden
Deutsche, die dauerhaft im Ausland leben, können derzeit nicht an Bundestagswahlen teilnehmen, da das Bundesverfassungsgericht die maßgebliche Wahlrechtsregelung für nichtig erklärt hatte. Es verletze den Grundsatz der Allgemeinheit der Wahl, dass die Wahlberechtigung von Auslandsdeutschen allein von einem früheren dreimonatigen Daueraufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland abhängig sei, entschied das Gericht am 4. Juli 2012 (2 BvC 1/11, 2 BvC 2/11).
Das Ziel des Gesetzgebers, Vertrautheit der Auslanddeutschen mit den politischen Verhältnissen hierzulande zu sichern, werde durch diese Regelung nicht erreicht. Danach seien selbst jene wahlberechtigt, die Deutschland bereits im Säuglingsalter verlassen hätten.
Zugleich blieben Auslandsdeutsche ausgeschlossen, die typischerweise mit den politischen Verhältnissen vertraut und von ihnen betroffen seien, etwa, weil sie als "Grenzgänger" in Deutschland arbeiteten, rügte der Zweite Senat in dem Beschluss, der mit sieben zu eins Stimmen erging.
Die Verfassungsrichterin Prof. Dr. Gertrude Lübbe-Wolff widersprach der Entscheidung. Die Dreimonatsregel sei dadurch gerechtfertigt, dass das notwendige Mindestmaß an realer Verbindung zur Bundesrepublik Deutschland gewahrt werden solle, argumentiert sie in einem Sondervotum.
Die Richterin kritisiert, dass der Senatsbeschluss "in überraschender und inhaltlich nicht überzeugender Weise" von der bisherigen ständigen Karlsruher Rechtsprechung abweiche; weitaus restriktivere Beschränkungen des Wahlrechts der Auslandsdeutschen seien von dem Gericht gebilligt worden.
Gegen das Erfordernis eines dreimonatigen Daueraufenthalts hatten zwei deutsche Staatsangehörige Wahlprüfungsbeschwerde erhoben, die 1982 in Belgien geboren worden waren und dort leben. Beide Frauen hatten an der Bundestagswahl 2009 teilnehmen wollen, durften dies aber nicht, da sie nie mindestens drei Monate ununterbrochen in Deutschland gewohnt hatten.
Mit der geplanten Neuregelung des Wahlrechts für Auslanddeutsche, auf die sich alle fünf Fraktionen geeinigt haben, wird das kontroverse Sesshaftigkeitserfordernis nicht abgeschafft, sondern um weitere Kriterien ergänzt, die das Verfassungsgericht vorgeschlagen hatte.
Nach der Gesetzesvorlage (17/11820) dürfen Auslandsdeutsche an den nächsten Bundestagswahlen teilnehmen, sofern sie nach Vollendung ihres 14. Lebensjahres mindestens drei Monate ununterbrochen in der Bundesrepublik Deutschland gelebt haben und dieser Aufenthalt nicht länger als 25 Jahre zurückliegt.
Mit der geplanten Alters- und Fortzugsgrenze greift der Gesetzgeber frühere restriktivere Regelungen wieder auf, die im Zuge der Lockerung des Wahlrechts für Auslandsdeutsche abgeschafft worden waren. Zugleich wird der Kreis der im Ausland lebenden Deutschen, die künftig an Bundestagswahlen teilnehmen können, aber auch erweitert.
So sollen nach dem Gesetzentwurf, der dem Parlament im Dezember zur ersten Lesung vorlag, auch diejenigen Deutschen wahlberechtigt sein, die zwar nie hierzulande gelebt haben oder schon vor ihrem 14. Lebensjahr beziehungsweise vor mehr als 25 Jahren fortzogen, die aber "aus anderen Gründen persönlich und unmittelbar Vertrautheit mit den politischen Verhältnissen in der Bundesrepublik Deutschland erworben haben und von ihnen betroffen sind".
Dazu heißt es, die erforderliche Vertrautheit müsse "im Einzelfall persönlich aufgrund eigener Erfahrung und unmittelbar erworben worden sein"; eine rein passive Kommunikationsteilnahme, etwa durch den Konsum deutschsprachiger Medien im Ausland, genüge nicht.
Vor allem folgende Personengruppen könnten nach den Erläuterungen des Gesetzgebers künftig aufgrund persönlicher Vertrautheit und Betroffenheit wahlberechtigt sein: deutsche Ortskräfte an deutschen Auslandsvertretungen, deutsche Mitarbeiter an deutschen Auslandsschulen und anderen deutschen Institutionen im Ausland sowie Korrespondenten deutscher Medien. Ferner werden Auslandsdeutsche genannt, die durch ihr Engagement in Verbänden, Parteien und sonstigen Organisationen in erheblichem Umfang am gesellschaftlichen Leben hierzulande teilnehmen.
Wie viele Deutsche insgesamt im Ausland leben, ist nicht bekannt. Im europäischen Ausland betrug ihre Zahl 2010 nach Erhebungen des EU-Statistikamts Eurostat rund 1,14 Millionen, wobei die meisten Deutschen in der Schweiz (252.000), Spanien (194.00), Österreich (130.000) und im Vereinigten Königreich (100.000) lebten. Für die Bundestagswahl 2009 ließen sich 65.731 Auslandsdeutsche registrieren. (gel/10.01.2013)