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Reform des Gesundheitssystems und Arzneimittel-Spargesetz - die Bundesregierung plant eine Neuorientierung des Gesundheitswesens. Doch was auch immer im zuständigen Ministerium erarbeitet wird - am Ende entscheidet der Deutsche Bundestag darüber, ob und in welcher Form das Gesetzesvorhaben Wirkung erlangt. Das Gesetzgebungsverfahren läuft bei diesen Themen vorrangig im Gesundheitsausschuss, der jeweils mittwochs ab 9.30 Uhr unter Vorsitz der SPD-Gesundheitspolitikerin Dr. Carola Reimann aus Braunschweig tagt. Carola Reimann gehört dem Bundestag seit zehn Jahren an.
"Eine unserer Aufgaben ist es, die Gesetzgebung zu begleiten", sagt die 42-Jährige, Vorsitzende seit Beginn der laufenden Wahlperiode im vergangenen Herbst. Zuvor hatte Dr. Martina Bunge (Die Linke) den Ausschuss geleitet. Deren Fraktionskollegin, die nordrhein-westfälische Abgeordnete Kathrin Vogler, ist nun stellvertretende Vorsitzende des 37-köpfigen Ausschusses. Er setzt sich aus 14 Abgeordneten der CDU/CSU, neun der SPD, sechs der FDP und jeweils vier der Linken sowie von Bündnis 90/Die Grünen zusammen.
Nun ist es keineswegs so, als würden sich im Gesundheitsausschuss nur Ärzte oder wenigstens Abgeordnete aus Gesundheitsberufen tummeln. Sechs ausgewiesene Mediziner gehören ihm an: für die Unionsfraktion Rudolf Henke und der Zahnarzt Dr. Rolf Koschorrek, für die SPD der Arzt und Universitätsprofessor Prof. Dr. Karl Lauterbach und die Ärztin Dr. Marlies Volkmer, für die FDP Dr. Erwin Lotter und für Bündnis 90/Die Grünen Dr. Harald Terpe. Dazu kommt der Medizinpädagoge und Krankenpfleger Jens Ackermann (FDP). Zum Vergleich: Im Ausschuss sind neun Juristen vertreten.
Die von der Bundesregierung, den Fraktionen oder dem Bundesrat eingebrachten Gesetzentwürfe werden in erster Lesung im Plenum diskutiert und danach "zur weiteren Beratung" in die Ausschüsse - bei gesundheitspolitischen Themen in den Gesundheitsausschuss - überwiesen. Dort wird oft eine öffentliche Expertenanhörung anberaumt. "Im Grunde sehen wir zu jedem Gesetzgebungsverfahren eine Anhörungsmöglichkeit vor", sagt Reimann. Der Umfang dieser Anhörung ist von Gesetzentwurf zu Gesetzentwurf unterschiedlich. Zumeist sind zwei oder drei Stunden für die Anhörung vorgesehen. "Wir haben aber auch schon mal den ganzen Tag beraten", erinnert sie sich.
Eingeladen werden zu den Anhörungen in aller Regel Verbände und Experten, die zum einen von den geplanten Änderungen betroffen sein könnten oder auch als besonders kompetent in diesen Fragen gelten. Wie aber wird entschieden, wer dazu gehört? "Es gibt einen im Ältestenrat verabschiedeten Schlüssel, der für alle Ausschüsse gilt, und der regelt, wer wie viele Sachverständige einladen darf", sagt die Vorsitzende. Von den Verbänden werden jene geladen, die auf der so genannten Verbandsliste stehen, auf welche sich die Fraktionen geeinigt hätten, erläutert sie.
Gelegentlich führt das zu wahrhaften "Megaanhörungen", bei denen dann nicht alle Geladenen auch befragt werden. "Kein Problem", sagt Reimann. Da ohnehin schriftliche Stellungnahmen zu den Problemstellungen vorgelegt würden, werde keine Meinung außen vor gelassen. "Die Abgeordneten kennen diese Stellungnahmen und fragen ohnehin nur, wenn darin Fragen offen bleiben oder sich neue Fragen stellen."
Was passiert nun mit dem komprimierten Fachwissen, das die Abgeordneten durch eine solche Anhörung, die komplett mitgeschnitten und protokolliert wird, zur Verfügung gestellt bekommen? "Es findet Eingang in die weiteren Beratungen", sagt Reimann. Die Anhörungen seien "Grund und Boden für Änderungsanträge der Fraktionen".
Diese werden dann in den folgenden Ausschusssitzungen beraten, wobei nicht selten ein interessantes Phänomen zu beobachten ist: Ein und die selbe Anhörung wird von den Fraktionen ganz unterschiedlich bewertet - jeder sieht in irgendeiner Art und Weise seine Position durch die Experten untermauert. Diesen Eindruck bestätigt auch Carola Reimann. "Das nennt man dann 'selektive Wahrnehmung’", sagt sie lächelnd. Ergebnis der Beratungen im Ausschuss ist letztendlich eine Beschlussempfehlung an das Plenum, wie es sich zu der Initiative verhalten soll.
Da es seit Beginn der Legislatur noch keine Gesetzgebungsverfahren gegeben hat - auch wenn in der Öffentlichkeit intensiv über die zukünftige Ausrichtung der Gesundheitspolitik gestritten wird - habe der Ausschuss beschlossen, "das System der Selbstverwaltung und deren Akteure und Schwerpunkte kennenzulernen", sagt die SPD-Abgeordnete. "Es gibt viele neue Kollegen im Ausschuss, und deshalb wurde vereinbart, dass man die Partner der Selbstverwaltung wie zum Beispiel den Gemeinsamen Bundesausschuss in den Ausschuss bittet", sagt sie.
Dieses Vorgehen sei unter den Obleuten - also jenen Abgeordneten, die jeweils von den Fraktionen benannt wurden, um mit der Vorsitzenden die Ausschussarbeit abzustimmen und zu organisieren - besprochen worden und auf allgemeine Resonanz gestoßen.
Die Obleute - von der Unionsfraktion ist dies Dr. Rolf Koschorrek, von der SPD-Fraktion Prof. Dr. Karl Lauterbach, von der FDP Heinz Lanfermann, bei der Linksfraktion Harald Weinberg und bei Bündnis 90/Die Grünen Dr. Harald Terpe - besprechen ohnehin vor jeder einzelnen Sitzung gemeinsam mit Reimann Tagesordnung und Sitzungsverlauf. "Es wird geklärt, wie viel Diskussionsbedarf bei einzelnen Tagesordnungspunkten herrscht. Und was überhaupt auf die Tagesordnung kommt. Ich mache den Vorschlag, aber die Obleute haben jederzeit die Möglichkeit, Dinge zu ergänzen oder auch zu sagen: Das wollen wir nicht jetzt besprechen, sondern zu einem anderen Zeitpunkt", sagt die Ausschussvorsitzende.
Gibt es oft Streit um die Tagesordnung? Gelegentlich gebe es Konflikte, ob bestimmte Vorlagen - Anträge oder Gesetzentwürfe - abgeschlossen werden sollen, erzählt sie. Wenn sich so etwas nicht in der Obleuterunde kollegial regeln lasse, müsse es entsprechend der Geschäftsordnung in der Sitzung abgestimmt werden.
Bleibt die Frage, ob Reimann als Ausschussvorsitzende ausschließlich als Moderatorin gefragt ist? Nein, sagt sie. Zwar leite und moderiere sie die Ausschussarbeit, sei aber nach wie vor "an den Themen interessiert" und ergreife in der Fachdiskussion auch das Wort. Denn: "Ich bin ja schließlich kein gesundheitspolitisches Neutrum."