Navigationspfad: Startseite > Dokumente > Web- und Textarchiv > Textarchiv > Handelsabkommen mit Peru und Kolumbien
Große Chancen, aber auch Risiken sehen Experten beim geplanten Handelsübereinkommen zwischen der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten sowie Kolumbien und Peru. Grundlage der öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Wirtschaft und Technologie unter Vorsitz von Ernst Hinsken (CDU/CSU) am Mittwoch, 13. März 2013, war der von der Bundesregierung eingebrachte Gesetzentwurf zu dem Handelsübereinkommen vom 26. Juni 2012 (17/12354) zwischen der EU und ihren Mitgliedstaaten einerseits und den beiden lateinamerikanischen Staaten andererseits.
Der Wirtschaftsausschuss setzt die Anhörung zu diesem Thema in öffentlicher Sitzung am Dienstag, 19. März, ab 8 Uhr im Sitzungssaal 2.600 des Paul-Löbe-Hauses mit den Sachverständigen Matthias Jorgensen von der Europäischen Kommission und Gustavo Hernández vom Verband lateinamerikanischer Nichtregierungsorganisationen für Entwicklungszusammenarbeit (Latin America Association of Development Organizations, ALOP) fortsetzen.
Eine Zustimmung des Deutschen Bundestages zu dem Handelsabkommen mit Kolumbien und Peru ist erforderlich, da die EU für Teile des Abkommens keine Kompetenz besitzt. Deshalb wurden neben der EU auch ihre Mitgliedstaaten Vertragspartner.
Die Bundesregierung schreibt zu dem Vertrag, "vor dem Hintergrund der fortschreitenden Globalisierung und der sich intensivierenden Handelsströme zwischen Europa und Lateinamerika hat es die Europäische Union als ihre Aufgabe erkannt, die Chancen für die bestehende Komplementarität der Wirtschaftsräume zu nutzen, um dadurch den Wohlstand der Länder zu mehren, das Wachstum zu konsolidieren und so die Lebensbedingungen der Menschen zu verbessern".
Unter Verweis auf die arbeitnehmerrechtlichen und ökologischen Risiken für die Menschen in beiden südamerikanischen Ländern lehnte der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) das Freihandelsabkommen ab. Ein solches Abkommen könne allenfalls dann gerechtfertigt werden, wenn beim Schutz der Arbeitnehmer- und Menschenrechte sowie beim Schutz der Umwelt "wirklich substanzielle Verbesserungen" erreicht werden. Vor diesem Hintergrund kritisierte der DGB fehlende "umfangreiche, verbindliche und durchsetzbare Regelungen im Abkommen".
In die gleiche Richtung zielte Gustavo Hernández für die ALOP (Asociación Latinoamericana de Organizaciones de Promoción al Desarollo) in seiner schriftlichen Stellungnahme und äußerte die Befürchtung, dass "sich das Übereinkommen für Kolumbien und Peru negativ auf die Produktionsleistung und die Beschäftigung im Dienstleistungssektor auswirken wird". Außerdem bestehe die Gefahr, dass durch EU-Firmen und EU-Importe zusätzlicher Druck entstehen werde und dass kleine und mittlere Unternehmen insbesondere im Landwirtschaftssektor hieraus Nachteile haben werden.
Dagegen betrachtete Christoph G. Schmitt für die Generaldirektion Handel der Europäischen Kommission in seiner schriftlichen Position das angestrebte Übereinkommen als Chance für die EU, hiermit "einen deutlich stärkeren Einfluss zu erlangen, um auf die Menschenrechtsprobleme in Kolumbien und Peru zu reagieren".
Eine Öffnung des öffentlichen Beschaffungswesens und der Dienstleistungsmärkte böten zudem wichtige neue Marktchancen und bewirkten eine "deutliche Senkung der einheimischen Produktionskosten".
Dr. Hildegard Stausberg, Vorsitzende des Kölner Presseclubs, betonte, beide Länder, sowohl Peru als auch Kolumbien "haben einen langen und schwierigen Weg hinter sich gebracht". Das Abkommen biete ihnen nun die Gelegenheit, "sich Europa zu nähern". Bedenken hinsichtlich arbeitnehmerrechtlicher und ökologischer Aspekte teilte sie nicht und verwies hierbei auf "wichtige Fortschritte in den vergangenen zehn Jahren".
Insbesondere in Kolumbien seien die Bemühungen um "mehr Rechtsstaat, mehr Freiheit und mehr Menschenrechte deutlich spürbar". Zudem verwies Stausberg auf die Konkurrenz aus China, das ebenfalls an den Bodenschätzen der beiden Länder interessiert sei. "Wenn wir das Abkommen nicht hinbekommen, knallen in Peking die Korken", warnte sie.
Christoph G. Schmitt, Hauptgeschäftsführer des Lateinamerika Verein e.V., hob hervor, dass von dem Abkommen nicht nur Peru und Kolumbien profitierten, sondern auch Deutschland. "Der Abbau der Zollschranken würde erheblich zur Diversifizierung der Ausfuhren beider Länder beitragen – weg von einer Fokussierung auf traditionelle Branchen, die wenige Arbeitsplätze schaffen und teilweise die Umwelt erheblich belasten."
Chancen für die deutsche Exportwirtschaft Umgekehrt seien beispielsweise die "dringend notwendigen Investitionen in Produktionsanlagen, Prozessoptimierung und Infrastruktur". Deutsche Produkte und Know-how wären hierbei durchaus gefragt, so Schmitt.
Dagegen warnte Myriam Vander Stichele vom Transnational Institute Amsterdam vor Risiken, die nicht nur für Peru und Kolumbien bestünden, sondern auch für die EU. "Aufgrund der im Abkommen vorgesehenen Liberalisierung des Kapitalverkehrs wird sich für alle Vertragsparteien das Risiko für Geldwäsche und Steuerflucht erhöhen."
Ein großes Problem bestehe darin, dass das Handelsübereinkommen hierbei weder besondere Verpflichtungen auferlege noch besondere Instrumente für die Zusammenarbeit bei derartigen kriminellen Finanztransaktionen vorsehe. (jmb/18.03.2013)
Zeit: Dienstag, 19. März 2013, 8 Uhr
Ort: Berlin, Paul-Löbe-Haus, Sitzungssaal 4.200