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Demenzkranke und ihre Angehörigen sollen nach dem Willen der Bundesregierung vom kommenden Jahr an mehr und bessere Leistungen erhalten. Die Regierung hat dazu einen Gesetzentwurf zur Neuausrichtung der Pflegeversicherung (17/9369) verabschiedet, der am Donnerstag, 26. April 2012, in erster Lesung im Bundestag beraten werden soll. Zum 1. Januar 2013 ist zudem eine Erhöhung des Beitragssatzes zur sozialen Pflegeversicherung um 0,1 Prozentpunkte auf 2,05 Prozent - bei Kinderlosen auf 2,3 Prozent - geplant. Das soll in den Jahren 2013 bis 2015 Mehreinnahmen in Höhe von insgesamt rund 3,54 Milliarden Euro einbringen. Ferner soll die freiwillige private Pflege-Vorsorge steuerlich gefördert werden. Dies bedarf jedoch noch einer eigenen gesetzlichen Regelung.
Der Debatte liegt zudem ein Antrag der Fraktion Die Linke mit dem Titel "Pflege wirklich neu ausrichten - Ein Leben in Würde ermöglichen" (17/9393) zugrunde. Ferner stimmt der Bundestag über den Antrag der SPD-Fraktion (17/2480) mit dem Titel "Neuen Pflegebedürftigkeitsbegriff einführen - Chancen zu nötigen Veränderungen nutzen" ab. Dazu liegt eine Beschlussempfehlung des Gesundheitsausschusses (17/7082) vor.
Im einzelnen ist im Regierungsentwurf vorgesehen, dass Versicherte ohne Pflegestufe mit "erheblich eingeschränkter Alltagskompetenz" (sogenannte Pflegestufe 0) erstmals Anspruch auf ein Pflegegeld in Höhe von monatlich 120 Euro oder Pflegesachleistungen von bis zu 225 Euro erhalten. Demenzkranke mit Pflegestufe I ("erhebliche Pflegebedürftigkeit") sollen ein um 70 Euro auf 305 Euro erhöhtes Pflegegeld oder um 215 Euro auf bis zu 665 Euro erhöhte Pflegesachleistungen bekommen.
Demenzkranke mit Pflegestufe II ("schwere Pflegebedürftigkeit") erhalten den Angaben zufolge ein um 85 Euro auf 525 Euro erhöhtes Pflegegeld oder um 150 Euro auf 1.250 Euro erhöhte Pflegesachleistungen. Die bisher auf Antrag und nach erfolgter Prüfung gewährten zusätzlichen Betreuungsleistungen in Höhe von 100 beziehungsweise 200 Euro – etwa für die Inanspruchnahme einer Tagespflege – bleiben den Angaben zufolge bestehen.
Die Regierung schlägt vor, dass ambulante Pflegedienste künftig neben der Grundpflege und der hauswirtschaftlichen Betreuung auch gezielte Betreuungsleistungen für Demenzkranke anbieten. Zu dieser häuslichen Betreuung zählen laut Gesetzentwurf beispielsweise Hilfen zur Aufrechterhaltung einer Tagesstruktur und eines Tag-/Nacht-Rhythmus, die Begleitung auf Spaziergänge, die Ermöglichung von Verwandtenbesuchen und die Begleitung zum Friedhof.
Der Entwurf schließt aus, dass durch die Neuregelung der Leistungsbetrag erhöht wird – das heißt, wer heute schon Grundpflege und hauswirtschaftliche Betreuung erhält, muss in diesen beiden Bereichen Abstriche machen, um auch häusliche Betreuung zu bekommen. Der Anspruch auf häusliche Betreuung soll nach dem Willen der Regierung im Übrigen nur dann bestehen, "wenn gewährleistet ist, dass die Grundpflege und die hauswirtschaftliche Versorgung sichergestellt sind".
Nach den Plänen der Regierung können Pflegebedürftige und ihre Angehörigen Leistungen der Pflegedienste künftig flexibler in Anspruch nehmen, indem statt verrichtungsbezogener Leistungskomplexe bestimmte Zeitvolumina für die Pflege gewählt werden. Mit den Pflegediensten zusammen können Pflegebedürftige und Angehörige dann entscheiden, welche Leistungen in diesem Zeitkontingent erbracht werden.
Der Gesetzentwurf sieht ferner vor, pflegenden Angehörigen eine Auszeit zu erleichtern. Das Pflegegeld soll künftig zur Hälfte weitergezahlt werden, wenn eine Kurzzeit- oder Verhinderungspflege in Anspruch genommen wird. Die Pflegekassen sollen den Angaben zufolge verpflichtet werden, spätestens fünf Wochen nach Eingang über einen Antrag auf Pflegebedürftigkeit zu entscheiden. Ansonsten müssen sie nach dem Willen der Bundesregierung je Tag der Verzögerung zehn Euro an den Antragsteller zahlen.
Der Spitzenverband Bund der Pflegekassen wird laut Gesetzentwurf verpflichtet, bis zum 31. März 2013 Richtlinien zur stärkeren Dienstleistungsorientierung der Medizinischen Dienste bei der Begutachtung zu erlassen. Für alle Gutachter, die unter der Verantwortung der Medizinischen Dienste Begutachtungen zur Eingruppierung in Pflegestufen vornehmen, soll ein "Verhaltenskodex" aufgestellt werden, "der sie zu einem respektvollen Verhalten gegenüber den Versicherten und Angehörigen verpflichtet".
Künftig werden dem Gesetzentwurf zufolge Wohngemeinschaften (WG) für Pflegebedürftige als Versorgungsalternative zur Pflege zu Hause oder im Heim gefördert. Pflegebedürftige, die in einer solchen ambulant betreuten WG leben, einen Zuschlag von pauschal 200 Euro monatlich. Damit soll laut Regierung dem höheren Organisationsaufwand Rechnung getragen werden. Voraussetzung für die Zahlung des Zuschlags ist den Angaben zufolge, dass in der WG mindestens eine Pflegekraft organisatorische, verwaltende oder pflegerische Tätigkeiten verrichtet.
Darüber hinaus ist ein befristetes Programm zur Gründung von Wohngruppen vorgesehen mit einer Förderung von 2.500 Euro pro Person, maximal 10.000 Euro pro Gruppe. Davon sollen laut Gesetzentwurf notwendige Umbauten in der Wohnung bezahlt werden. Insgesamt stehe ein Budget von 30 Millionen Euro bereit, das bis spätestens Ende 2015 auszuschöpfen ist. Die Regierung erwartet, dass damit 3.000 neue WG gefördert werden können.
Die Regierung schreibt, bereits heute seien rund 2,4 Millionen Menschen pflegebedürftig. "In wenigen Jahrzehnten" werde die Zahl der pflegebedürftigen Personen auf mehr als vier Millionen steigen. Um den daraus erwachsenden Herausforderungen gerecht zu werden, müsse unter anderem neu definiert werden, "wer als pflegebedürftig anzusehen ist".
Dieser neue Pflegebedürftigkeitsbegriff sei "in mehreren Schritten umzusetzen". Vor Einführung des neuen Begriffs würden "die noch zu klärenden umfassenden Umsetzungsfragen parallel zu diesem Gesetzgebungsverfahren" von einem Expertenbeirat bearbeitet und damit die erforderlichen weiteren Schritte vorbreitet, heißt es im Entwurf. (mpi)