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Die Finanzierung der Bareinlagen für den Euro-Rettungsschirm ESM war Thema ein einstündigen Debatte im Plenum des Deutschen Bundestages am Donnerstag, 26. April 2012. Dabei ging es um den Gesetzentwurf der Bundesregierung über die Feststellung eines Nachtrags zum Bundeshaushaltsplan für das Haushaltsjahr 2012 (17/9040). Der Nachtraghaushalt wurde vor allem wegen den deutschen Zahlungen an das Stammkapital des Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) notwendig, der am 1. Juli in Kraft treten soll.
Danach sollen sich die Ausgaben in diesem Jahr gegenüber dem bisherigen Haushaltsgesetz um 6,5 Milliarden Euro auf 312,7 Milliarden Euro (bisher: 306,2 Milliarden Euro) erhöhen; die Neuverschuldung soll um 8,7 Milliarden Euro auf 34,8 Milliarden Euro (bisher 26,1 Milliarden Euro) steigen. Im vergangenen Jahr betrugen die Gesamtausgaben 305,8 Milliarden Euro und die Neuverschuldung 17,3 Milliarden Euro.
Dazu haben die europäischen Staats- und Regierungschefs am 20. Februar 2012 einen Vertrag unterzeichnet, dem der Deutsche Bundestag noch zustimmen muss. Beim ESM sind Bareinlagen von 80 Milliarden Euro eingeplant. Der deutsche Anteil daran beträgt insgesamt 21,7 Milliarden Euro; davon sind in diesem Jahr rund 8,7 Milliarden Euro fällig.
Darüber hinaus sollen mit dem Nachtrag Anpassungen bei den Steuereinnahmen, beim Anteil des Bundes am Reingewinn der Deutschen Bundesbank, bei den Zinsausgaben und bei den bislang geplanten Rückeinnahmen aus dem Darlehen an die Bundesagentur für Arbeit (BA) sowie aufgrund der zwischenzeitlich Abrechnung des von der BA für das Haushaltsjahr 2012 zu errichtenden Eingliederungsbeitrags vorgenommen werden, heißt es in dem Gesetzentwurf weiter.
Zudem werde zur Errichtung eines Sondervermögens "Energie- und Klimafonds" ein Darlehen eingestellt. Diese Änderungen würden sich zu einem aus der bisherigen Haushaltsentwicklung im laufenden Jahr und zum anderen aus der Ist-Entwicklung des Vorjahres ergeben, schreibt die Regierung. Laut Bundesregierung würde auch die erhöhte Nettokreditaufnahme die Neuverschuldungsgrenze der Schuldenbremse unterschreiten. Damit würden auch die Vorgaben des Artikel 115 Grundgesetz und des Gesetzes zur Ausführung von Artikel 115 eingehalten.
Der parlamentarische Staatssekretär im Bundesministerium der Finanzen, Steffen Kampeter (CDU), bezeichnete die Bareinzahlung an den ESM als Investition in die Stabilität Europas. Deutschland werde dazu mit seinen insgesamt 21,7 Milliarden Euro einen "substanziellen" Beitrag leisten. Für die Bundesregierung sei Stabilität ein wichtiges politisches Ziel und die Voraussetzung für den ESM.
Kampeter kündigte an, dass bis zur Verabschiedung des Nachtragsetats Ende Mai, weitere Anpassungen vorgenommen werden würden. Dazu zählt er die Auswirkungen des Tarifabschlusses im öffentlichen Dienst, der für die Beamten übernommen werden solle, sowie die Auswirkungen der Steuerschätzung vom Mai. Ziel der Regierung sei es, die Nettoneuverschuldung auf dem Niveau des Nachtragsetats zu halten.
Die Sprecher der Koalitionsfraktionen CDU/CSU und FDP unterstützten die Regierung ihrem Kurs. Jürgen Koppelin (FDP) betonte, dass mit dem Nachtragsetat notwendige Korrekturen vorgenommen würden.
Damit werde weiterhin für Haushaltsklarheit und -wahrheit gesorgt. Die Koalition setze sich dafür ein, dass in Europa eine solide Arbeitsmarkt- und Haushaltspolitik gemacht werde.
Dafür habe die Koalition in Deutschland erfolgreich Rahmenbedingungen geschaffen. Bartholomäus Kalb (CDU/CSU) wies darauf hin, dass die höhere Neuverschuldung keine Auswirkungen auf das strukturelle Defizit und auf die Maastricht-Kriterien habe. Deutschland werde die Schuldenbremse erfüllen und 2016 einen Haushalt ohne wesentlichen Neuverschuldung vorlegen, prognostizierte er.
Sein Fraktionskollege Norbert Barthle (CDU/CSU) wies darauf hin, dass das Geld des Nachtragsetats nicht ausgegeben, sondern lediglich auf ein anderes Konto transferiert werde. "Dies ist ein fundamentaler Unterschied", sagte er.
Die Sprecher der Oppositionsfraktionen SPD, Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen kritisierten vor allem, dass die Regierung in der Vergangenheit keine Rücklagen für Risiken gebildet habe. Deshalb sei nun ein Nachtragshaushalt notwendig. Carsten Schneider (SPD) bezeichnete den Haushalt als "verantwortungslos".
Zukünftigen Generationen werde kein Spielraum mehr gegeben. Jetzt sei die Gelegenheit da gewesen, wegen den hohen Steuereinnahmen die Neuverschuldung zurückzufahren und nicht weitere Schulden aufzubauen. Dies sei nicht geschehen. "Die Steuerzahler müssen dann die Schulden auslöffeln", betonte er und wies darauf hin, dass die ersten Folgen der Eurokrise sich schon im Haushalt niederschlagen würden. So sei zum Beispiel die Überweisung der Bundesbank an den Bundeshaushalt geringer als erwartet.
Auch für Dietmar Bartsch (Die Linke) verschenkt die Regierung die Gelegenheit zur Konsolidierung. Wenn schon neue Schulden gemacht würden, sei es wichtig, für was das Geld verwendet werde. Die Regierung verwendet laut Bartsch die Mittel jedoch um "die Märkte zu beruhigen" und Vertrauen wieder herzustellen.
Politik sei jedoch nicht da, Märkte zu beruhigen, sondern müsse dafür sorgen, dass soziale Missstände beseitigt würden. Außerdem habe die Regierung ein Einnahmeproblem. Deshalb forderte er unter anderem den Spitzensteuersatz zu erhöhen und mehr Einnahmen aus Erbschaften zu erzielen.
Priska Hinz (Bündnis 90/Die Grünen) betonte, dass ihre Fraktion für den Rettungsschirm sei. Sie kritisierte jedoch ebenfalls die geringe Risikovorsorge der Koalition. Deshalb sei eine ehrliche Bilanz der Risiken notwendig.
Der Gesetzentwurf wurde zur weiteren Beratung an die Ausschüsse überwiesen. (mik)