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Der Bundestag will regeln, wann Patienten gegen ihren Willen behandelt werden können. © dpa - Bildfunk
Bereits in der ersten Sitzungswoche im neuen Jahr wird die Zwangsbehandlung psychisch erkrankter Menschen auf der Agenda des Bundestages stehen. Am Donnerstag, 17. Januar 2012, debattiert das Parlament 45 Minuten lang über das Thema. Ein Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen "zur Regelung der betreuungsrechtlichen Einwilligung in eine ärztliche Zwangsmaßnahme" (17/11513) wird dann beraten und gegebenenfalls auch verabschiedet.
Die Debatte wird voraussichtlich ab 19.35 Uhr live im Parlamentsfernsehen, im Internet auf www.bundestag.de und auf mobilen Endgeräten übertragen.
Diese Gesetzesinitiative war bereits Ende November des vergangenen Jahres im Plenum diskutiert worden. Das Gesetz soll möglichst schnell den Bundestag passieren, damit schnellstmöglich eine neue Regelung zur Zwangsbehandlung psychisch Kranker gelten kann. Union und FDP wollen "eine hinreichend bestimmte Regelung für die Einwilligung des Betreuers in eine Behandlung des Betreuten, die dieser ablehnt", schaffen.
Bis vor kurzem wurde die gesetzliche Regelung nach der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs in Paragraf 1906 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) gesehen. Demnach durften "Betroffene im Rahmen einer Unterbringung und unter engen Voraussetzungen auch gegen ihren natürlichen Willen behandelt werden", heißt es in der Vorlage.
Allerdings hat der Bundesgerichtshof in zwei Entscheidungen im Juni 2012 seine bisherige Rechtsprechung aufgegeben. Er entschied, dass es an einem Gesetz fehle, das den verfassungsrechtlichen Anforderungen genüge.
Seither sei "eine auf das Betreuungsrecht gestützte Behandlung von Betroffenen, die aufgrund einer psychischen Krankheit oder einer seelischen oder geistigen Behinderung die Notwendigkeit der ärztlichen Maßnahme nicht erkennen oder nicht nach dieser Einsicht handeln können und denen ein erheblicher gesundheitlicher Schaden droht" nicht möglich, schreiben die Abgeordneten.
Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf soll nun eine hinreichend bestimmte Regelung für die Einwilligung des Betreuers in eine Behandlung des Betreuten, wenn dieser sie ablehnt, geschaffen werden. In Anlehnung an das BGB müsse eine Zwangsbehandlung weiterhin "im Rahmen einer Unterbringung nach Paragraf 1906 Absatz 1 BGB erfolgen".
Sowohl Unterbringung als auch Zwangsmaßnahme bedürften der gerichtlichen Genehmigung. Zudem, halten die Verfasser der Vorlage fest, dürften ärztliche Zwangsmaßnahmen nur das letzte Mittel sein, da mit ihnen ein "erheblicher Grundrechtseingriff" verbunden sei. Sie sollten insbesondere in Situationen drohender erheblicher Selbstgefährdung infrage kommen.
Die Gesetzesinitiative schaffe "keine neuen Eingriffsmöglichkeiten, sondern lediglich eine eindeutige Rechtsgrundlage, damit die bisher geübte und bewährte Praxis rechtssicher fortgeführt werden kann", erklärte Thomas Silberhorn (CDU/CSU) in der ersten Lesung. Zudem betonte er die Dringlichkeit des Anliegens.
Die SPD-Parlamentarierin Sonja Steffen argumentierte damals, die beiden Gerichtsurteile hätten "die Selbstbestimmungsrechte betreuter Personen völlig zu Recht erheblich gestärkt". Mit Verweis auf die UN-Behindertenkonvention erklärte Steffen, es sei wichtig, "dass die Betroffenen selbst vor dem Erlass des Gesetzes gehört werden".
Daher begrüße sie, dass die Regelung nicht, wie ursprünglich vorgesehen, als "Omnibusgesetz" verabschiedet werde, sondern "den ganz normalen Gang des Gesetzgebungsverfahrens gehen wird".
Dr. Martina Bunge (Die Linke) hingegen betonte, es müsse eine Debatte mit Betroffenen, mit Fachverbänden und in der Öffentlichkeit geführt werden: "Wir dürfen auch nicht vergessen, dass Deutschland wegen der Geschichte der Psychiatrie in der NS-Zeit eine besondere Verantwortung trägt." Die Gesetzesinitiative "wird dem in keiner Weise gerecht". Abschließend wurde der Entwurf zur weiteren Beratung in die zuständigen Ausschüsse überwiesen.
Der federführende Rechtsausschuss führte Anfang Dezember eine Expertenanhörung zum Thema durch. Zehn Fachleute legten in der eineinhalbstündigen öffentlichen Diskussion ihre Standpunkte dar. Die Anordnung ärztlicher Zwangsmaßnahmen müsse als "Ultima Ratio" zulässig sein. (ver/10.01.2013)