Navigationspfad: Startseite > Dokumente > Web- und Textarchiv > Textarchiv > entgeltgleichheit
Die Lohnlücke von Frauen und Männern soll sich schließen: Das befürworten alle Fraktionen des Deutschen Bundestages. Doch während die Oppositionsfraktionen dafür gesetzliche Regelungen für unabdingbar halten, setzt die schwarz-gelbe Koalition auf Freiwilligkeit und Eigenverantwortung der Frauen. Dies wurde in der Debatte am Freitag, 22. März 2013, erneut deutlich. Darin verabschiedete der Bundestag einen Antrag von CDU/CSU und FDP (17/12483), wonach die "Benachteiligung von Frauen in Wirtschaft und Arbeitswelt" beseitigt werden soll. Ein Entwurf der SPD für ein Entgeltgleichheitsgesetz (17/9781) und ein Antrag von Bündnis 90/Die Grünen zur Verhinderung von Entgeltdiskriminierung von Frauen (17/8897) fanden dagegen keine Mehrheit. Die Abgeordneten folgten damit Empfehlungen des Ausschusses für Arbeit und Soziales (17/12782, 17/12575).
In der Debatte betonte sich die stellvertretende Vorsitzende der Gruppe der Frauen in der Unionsfraktion, Nadine Schön, die Koalition habe mit ihren Initiativen zum Ausbau der Kita-Betreuung und familienfreundlichen Arbeitszeiten sowie Projekten für mehr Frauen in technischen Berufen und dem Bestreben, mehr Frauen in Führungspositionen zu bringen, bereits viele strukturelle und nachhaltige Maßnahmen auf den Weg gebracht. Die Union sei zudem entschlossen, noch in dieser Legislatur mehr Rentenpunkte für Frauen durchzusetzen, die vor 1992 Kinder bekommen haben. Eine größere Entgeltgleichheit wirke auch der Rentenlücke entgegen.
Die Anträge der Opposition bezeichnete Schön als "Placebo-Gesetze". Wenn sie sehe, dass die Opposition den Eindruck zu erwecken versuche, es brauche "nur ein kleines Gesetz", um die Lohnlücke zu bekämpfen, überfalle sie "das kalte Grausen". Der Vorschlag, dass künftig alle Unternehmen mit mehr als 15 Mitarbeitern regelmäßig ihre Lohnstrukturen offenlegen sollen und dass darüber als letzte Instanz die Antidiskriminierungsstelle entscheiden solle, sei "rechtlich äußerst bedenklich" und nicht umsetzbar. Auf ein so durchschaubares "Wahlkampfmanöver", mit dem der SPD-Spitzenkandidat "aufgehübscht" werden solle, würden die Frauen in Deutschland nicht hereinfallen.
Für die FDP betonte Nicole Bracht-Bendt, Handlungsbedarf bestehe da, wo es unterschiedliche Löhne bei gleicher Qualifikation gebe. Es sei aber eine "reine Irreführung und Stimmungsmache", wenn behauptet werde, Frauen würden generell bei gleicher Qualifikation 22 Prozent weniger verdienen als Männer.
Der größte Anteil der Lohnlücke lasse sich auf familienbedingte Erwerbsunterbrechungen zurückführen, zudem entschieden sich viele Frauen "für Berufe im unteren Einkommensniveau". Es sei nötig, junge Frauen darauf hinzuweisen, dass die Berufswahl "das entscheidende Kriterium" für Verdienst und Aufstiegsmöglichkeiten sei.
Dies traf auf den entschiedenen Widerspruch der Oppositionsfraktionen. Deutschland sei beim Lohnunterschied zwischen Frauen und Männern "europaweit Schlusslicht", unterstrich der SPD-Fraktionsvorsitzende Dr. Frank-Walter Steinmeier. Die Einkommenunterschiede seien kein individuelles Problem der Frauen. Diese würden systematisch benachteiligt.
Die Bundesregierung kenne die Diagnose und die nötigen Rezepte, handle aber nicht. Das "Betreuungsgeld, das mehr Probleme schafft als beseitigt", sei die "zynische Antwort" der Regierung auf die Frauen, die arbeiten müssten und verzweifelt nach Kita-Plätzen suchten.
Auch Diana Golze, Familienpolitikerin der Linksfraktion, sagte, mit der Zuweisung der Verantwortung an die Frauen stehle sich die Politik aus ihrer Verantwortung. Es gehe um "gesellschaftliche Ungerechtigkeiten". Es sei bezeichnend, dass das Thema der Erzieher-Bezahlung erst auf den Tisch gekommen sei, als mehr Männer für den Beruf gewonnen werden sollten.
Die Koalition solle in ihrer Ablehnung von Frauenquoten, dem Festhalten am Ehegattensplitting und der Einführung des Betreuungsgelds gar nicht erst "so tun, als ob die Gleichstellung der Geschlechter" ihr Thema sei.
Für die Bündnisgrünen forderte Katrin Göring-Eckardt die Koalition zum Handeln auf. Der Terminus "freiwillige Verpflichtung", der in all ihren Anträgen zum Thema auftauche, sei "ein Codewort für Abwarten und Nichtstun".
Verbindliche Regelungen zur Überprüfung und Durchsetzung von Entgeltgleichheit seien nötig. Es wäre allerdings "absurd", so Göring-Eckardt, von der schwarz-gelben Regierung zu erwarten, sie werde die Situation von Frauen zu deren Wohl ändern. (suk/22.03.2013)