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Oppositionsforderungen nach Regelungen für eine Erleichterung der Allgemeinverbindlicherklärung von Tarifverträgen finden im Bundestag keine Mehrheit. Mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen wurden am Donnerstag, 25. April 2013, dahingehende Vorlagen der SPD-Fraktion (17/8459), der Linksfraktion (17/8148) und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen (17/4437) auf Empfehlung des Ausschusses für Arbeit und Soziales (17/10220) abgelehnt.
Die Opposition begründete ihren Vorstoß mit der ständig abnehmenden Zahl von tarifvertragsgebundenen Arbeitgebern. Eine Allgemeinverbindlicherklärung von Tarifverträgen sei derzeit jedoch nur möglich, wenn 50 Prozent der in der Branche Beschäftigten in tarifgebundenen Unternehmen arbeiten.
Die Koalition lehnt gesetzliche Regelungen hingegen ab und setzt auf die Wahrung der Tarifautonomie, wie im Verlauf der Debatte deutlich wurde.
Auf die Situation im Einzelhandel ging Sabine Zimmermann (Die Linke) ein. Fast überall hätten die Arbeitgeber die Manteltarifverträge gekündigt, sagte sie. "Darin wird aber nun einmal geregelt, welchen Wert die Arbeit, die wir alle schätzen, hat", so Zimmermann. Lohndumping und schlechte Arbeitsbedingungen seien die Folge.
Diesen "Generalangriff" dürfe der Bundestag nicht einfach schweigend hinnehmen, forderte die Linken-Abgeordnete. Mit der Forderung nach einer Erleichterung der Allgemeinverbindlicherklärung von Tarifverträgen entspräche man nicht nur den Interessen der Arbeitnehmer. "Auch die Arbeitgeber müssen davor geschützt werden, dass der Wettbewerb über die Löhne und die Arbeitsbedingungen geführt wird", sagte Zimmermann.
"Das Erfolgsmodell der sozialen Marktwirtschaft lebt davon, dass wir ein hochentwickeltes System von Tarifverträgen haben", sagte Peter Weiß (CDU/CSU). Darin würden die Tarifpartner sowohl Lohn als auch Arbeitsbedingungen aushandeln. "Wir als Bundestag sollten davon tunlichst die Finger lassen", forderte Weiß.
Die Forderung nach einem gesetzlichen Mindestlohn, so der Unionsabgeordnete, sei ein staatlicher Eingriff in die Lohnpolitik. Das führe jedoch in aller Regel zu einer Verschlechterung der Situation der Arbeitnehmer. "Wir setzen uns für eine Stärkung der Tarifautonomie ein", machte Weiß deutlich. Die Tarifautonomie sei der beste Weg, um zu guten Lösungen für die Arbeitnehmer in Deutschland zu gelangen.
Wenn viele Menschen nicht mehr von ihrer Arbeit leben könnten, zeige dies, dass die soziale Marktwirtschaft "aus dem Gleichgewicht geraten ist", befand hingegen Josip Juratovic (SPD). Wenn Arbeitgeber über niedrige Löhne konkurrierten, sei das nicht nur schlecht für die Arbeitnehmer, sondern für unser Land. "Wir brauchen einen Wettbewerb um Innovationen und nicht um Niedriglöhne", machte Juratovic deutlich.
Zwar sei die Aussage richtig, dass die Tarifvertragssysteme elementare Bestandteile der sozialen Marktwirtschaft seien. Jedoch nur, wenn auch die gesetzlichen Rahmenbedingungen dafür geschaffen würden. "Wir dürfen die Tarifpartner nicht allein lassen, sondern müssen sie gesetzlich unterstützen", forderte der SPD-Abgeordnete, der zugleich der Regierung vorwarf, hierfür nichts zu tun. Ein Gesetz nütze nichts, wenn es nicht anwendbar ist, sagte er weiter und bezog sich dabei auf die 50-Prozent-Quote für die Allgemeinverbindlicherklärung.
Dass Deutschland eine Niedriglohnsektor habe, sei die Folge "rot-grüner Regierungsentscheidungen", sagte Dr. Heinrich L. Kolb (FDP). "Sie wollten das damals so", sagte er an SPD und Grüne gewandt. Seine Fraktion stehe zu der Entscheidung, so der FDP-Abgeordnete. Ohnehin sei es so, dass die Niedriglöhne oftmals nur Durchgangsstation für Arbeitnehmer seien.
Ein Beispiel dafür, dass Verhandlungen zwischen Tarifpartner zu einer Lösung führen könnten, sie die Friseur-Branche, sagte Kolb. Dort habe man sich auf einen branchenspezifischen Mindestlohn geeinigt. Das zeige: "Es gibt keinen Anlass für die Politik in funktionierende Tarifvertragssysteme einzugreifen."
Der ständige Verweis der Regierungsfraktionen auf die Tarifautonomie sei zu wenig, kritisierte Beate Müller-Gemmeke (Bündnis 90/Die Grünen). Gerade in Einzelhandel laufe derzeit vieles schief. Ohne Allgemeinverbindlichkeitserklärung fehle der soziale Schutz der Arbeitnehmer. Es gebe aber zu viele Unternehmen ohne Tarifbindung, um diese Allgemeinverbindlichkeitserklärung anwenden zu können.
Ein weiteres Problem seien die vielen "zweifelhaften Werkvertragskonstellationen", kritisierte Müller-Gemmeke. Ihre Fraktion habe daher einen Gesetzentwurf (17/13106) vorgelegt, der festlege, dass festgestellte Scheinwerksverträge verdeckte Leiharbeit seien "und mit allen Konsequenzen geahndet werden". Im Anschluss an die Debatte wurde der Gesetzentwurf der Grünen ebenso wie ein Antrag der Linksfraktion (17/13104) zur weiteren Beratung in die Ausschüsse überwiesen. (hau/25.04.2013)