Navigationspfad: Startseite > Presse > Aktuelle Meldungen (hib) > Juni 2012 > Experten diskutieren Strafverschärfung bei Hasskriminalität
Der Bundesrat fordert in seinem Gesetzentwurf (17/9345), dass menschenverachtende Tatmotive strafverschärfend bewertet werden sollen. Dazu müsse das Strafrecht in Teilen geändert werden. Die Länderkammer argumentiert, dass Hassdelikten gegenüber sonstigen Gewaltdelikten ein erhöhter Unrechtsgehalt inne wohne. Ähnlich argumentiert die SPD-Fraktion in ihrem Gesetzentwurf (17/8131). Das Strafrecht müsse deutlicher als bisher zum Ausdruck bringen, dass die Gesellschaft Straftaten nicht duldet, die sich gegen Personen richtet allein oder vorwiegend wegen ihrer politischen Einstellung, Nationalität, Hautfarbe, Religion, Weltanschauung oder aufgrund ihres äußeren Erscheinungsbildes, ihrer Behinderung, ihrer sexuellen Orientierung oder ihres gesellschaftlichen Status. Dass durch Vorurteile motivierte Straftaten von der Justiz mehr verfolgt werden sollen, verlangt die Grünen-Fraktion. In einen entsprechenden Antrag (17/8796) fordert sie die Bundesregierung auf, einen Gesetzentwurf vorzulegen, der Straftaten wegen sexueller Identität, des Geschlechts, der Weltanschauung, Behinderung oder Alters gegen andere Menschen verfolgt.
Neun Experten waren zu der Anhörung des Rechtsausschusses geladen, um ihre Positionen zu Hassdelikten und deren Strafverfolgung darzulegen: Dr. Jürgen P. Graf, Richter am Bundesgerichtshof in Karlsruhe, Dr. Claudia Keiser Rechtsanwältin und Inhaberin des Lehrstuhls für Strafrecht, Strafprozessrecht und Kriminologie an der Leibnitz Universität in Hannover, der Hannoveraner Staatsanwalt Dr. Jens Lehmann, Prof. Dr. Henning Radtke, Direktor des Kriminalwissenschaftlichen Instituts der Leibniz Universität Hannover, Prof. em. Dr. Dieter Rössner (Institut für Kriminalwissenschaften der Philipps-Universität Marburg) aus Tübingen, der Leitende Oberstaatsanwalt Gerd Schnittcher von der Staatsanwaltschaft Neuruppin, der Berliner Rechtsanwalt Peer Stolle sowie der Hamburger Verteidiger Dr. Oliver Tolmein.
Insgesamt waren sich die Experten einig, dass eine menschenverachtende Motivation bei der Festlegung des Strafmaßes bei Gewaltdelikten berücksichtigt werden solle und strafverschärfend wirken müsse. Alle Experten seien sich einig, „dass ein klares Signal gesetzt werden muss“, sagte Prof. Dr. Henning Radke. Allerdings, gab Dr. Claudia Keiser zu bedenken, bedürfe es nicht unbedingt einer solchen „Symbolik“. Während Keiser einen Bedarf an Sensibilisierung im Ermittlungsbereich ortete, erklärte Dr. Jens Lehmann, dass die aktuelle Gesetzgebung bereits die menschenverachtende Motivation berücksichtige. Prof. Dr. Rössner stellte heraus, dass den Tätern beigebracht werden müsse, „dass jeder Mensch gleich viel wert ist.“ Man müsse gegen den Rechtsextremismus vorgehen und „klare Signale an die Opfer senden, dass sie integriert sind.“ Jürgen Konrad zeigte sich überzeugt, dass den Opfern an einer Strafverfolgung gelegen sei. Und Dr. Oliver Tolmein vertrat die Meinung, dass den Opfern auch wichtig sei, was in dem Urteil stehe. Allerdings bringen Opfer von Hasskriminalität aus Angst oftmals Straftaten nicht zur Anzeige. Peer Stolle betonte in diesem Kontext, dass „man nicht erst die Taten des Nationalsozialistischen Untergrunds nehmen muss um zu merken, dass es Defizite bei den Ermittlungen gibt. Gerd Schnittcher betonte, dass es auch Fälle gebe, bei denen die Motivation nicht gesichert festzustellen sei und Dr. Jürgen P. Graf bezweifelte, dass eine Strafe mathematisch zu berechnen sei. Theoretisch müsse das Strafmaß für eine bestimmte Tat deutschlandweit gleich hoch sein, führte er an. Allerdings seien die Strafen im Norden milder als im Süden der Republik.
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