Navigationspfad: Startseite > Presse > Aktuelle Meldungen (hib) > Oktober 2012 > Experten für Mindeststandards beim Datenschutz bei der Strafverfolgung
So sagte der Berliner Rechtswissenschaftler Hartmut Aden, angesichts des immensen Anwachsens des Datenaustauschs zwischen Polizeibehörden in Europa sei die Initiative einer Harmonisierung zu begrüßen. Dennoch weise der Entwurf „Schwachstellen auf“ und mache „Nachbesserungen“ nötig. Sinnvoller als eine Vollharmonisierung sei die Einführung von Mindeststandards, von denen die Mitgliedstaaten nach oben abweichen könnten. Dass die Kommission sich im Richtlinienentwurf neue Aufgaben zuweise, gehe zum Teil „weiter als das, was die Kommission allein machen soll“. Bislang fehlten zudem Datenübermittlungsvorschriften für den Datenaustausch innerhalb der EU. Es gebe „gute Gründe“, dafür spezielle Regelungen zu treffen.
Marion Albers, Professorin an der Universität Hamburg, sagte, mit dem Entwurf reduziere die Kommission die Umsetzungsspielräume der Mitgliedstaaten. Eine umfassende Harmonisierung sei jedoch „nicht gerechtfertigt“. Sinnvoller sei die Schaffung von Mindeststandards bei der polizeilichen Zusammenarbeit. Der Vorschlag bleibe „an vielen Stellen hinter den Schutzstandards“ des nationalen Polizeirechts und der Strafprozessordnung zurück.
Matthias Bäcker von der Universität Mannheim betonte, bei der Regelungskompetenz für das Datenschutzrecht bestehe Gefahr, dass durch eine „unscheinbare Hintertür“ ein „gigantischer Kompetenzstaubsauger“ entstehe, der alles regele. Grundsätzlich handele es sich bei allen behördlichen Tätigkeiten um Datenverarbeitung. Die Kommission könne spezifische Fragen wie die Datenschutzaufsicht und die Datensicherheit regeln, nicht aber, welche Ermittlungsmethoden zulässig seien. Die Spielräume der Mitgliedstaaten müssten klar formuliert werden, sonst werde es zu „Auslegungsschwierigkeiten“ kommen.
Auch Els de Busser vom Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Strafrecht in Freiburg plädierte für klarere Festlegungen. So solle das Prinzip der Datenminimierung explizit in die Richtlinie aufgenommen werden. Zudem müsse der Zweck der Datenerhebung klarer definiert werden.
Gerrit Hornung, Jurist an der Universität Passau, betonte, die datenschutzrechtlichen Standards im Sicherheitsbereich seien in Deutschland höher als im Ausland. Nachgebessert werden müsse beim Punkt der Datenübermittlung an Drittstaaten. Hier gelte eigentlich der Grundsatz, dass dies unzulässig sei, wenn es in den betreffenden Staaten kein ausreichendes Datenschutzniveau gebe. Die zahlreichen Ausnahmen aber machten letztlich jede Form von Datenübermittlung möglich. Man dürfe aber nicht auf Anforderungen in den Empfängerländern und eine Festlegung auf eine bestimmte Schwere der Straftat als Voraussetzung für die Datenübermittlung verzichteten.
Dieter Kugelmann, Professor an der Deutschen Hochschule der Polizei in Münster, sagte, Mindeststandards würden die Zusammenarbeit zwischen Polizei- und Justizbehörden erleichtern. Wichtig seien aber die „praktischen Aspekte“ der „anspruchsvollen Konzepte“, die letztlich „in den normalen Polizeibehörden vor Ort“ umgesetzt werden müssten. Deshalb müsse die Richtlinie vor allem in den Bereichen Organisation und Verfahren nachgebessert werden.
Der Präsident des Bundeskriminalamts Jörg Ziercke sagte, er befürchte, der bislang zu undifferenzierte Entwurf könne das deutsche Datenschutzniveau absenken und die Polizeiarbeit erschweren. So sei etwa das grundsätzliche Verbot von besonderen Kategorien von Daten – wie etwa religiöse und politische Überzeugungen, Krankheiten oder genetische Daten – schwierig, da genau diese Informationen für die polizeiliche Arbeit wichtig seien. Zudem kritisierte Ziercke die „kaum handhabbaren Informationsrechte der Betroffenen“, die bereits beim Zeitpunkt der Datenerhebung informiert werden müssten. Für problematisch halte er auch die Kompetenzen einer Datenschutz-Aufsichtsbehörde, die noch während des laufenden Verfahrens die Datenverarbeitung von Polizei und Staatsanwaltschaft überwache. In Deutschland sei das gesamte Verfahren durch die Strafprozessordnung geregelt – eine Behörde, die noch während des Verfahrens anordnen könne, Daten zu löschen und so Beweismittel vernichten könne, scheine ihm nicht sinnvoll.
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