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Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) hat den Weg der Bundesregierung nach weiterer steuerlicher Entlastung für untere und mittlere Einkommen zur Bewältigung der Finanzkrise verteidigt. Es sei unerlässlich, Leistungsbereitschaft und Konsum zu stärken, sagte Brüderle am 11. November 2009 in der rund 100-minütigen Aussprache zur Wirtschafts- und Technologiepolitik im Bundestag.
Deshalb sei das auf den Weg gebrachte Wachstumsbeschleunigungsgesetz so wichtig. Die Auftragsbücher der Unternehmen füllten sich zwar wieder. "Aber ich kann keine Entwarnung geben. Die schwerste Wirtschaftskrise der Nachkriegszeit ist noch nicht überwunden", sagte Brüderle.
Die Opposition warf der Regierung Versagen in der Opel-Krise vor und verlangte unverzügliche Verhandlungen mit General Motors(GM) unter Führung der Bundesregierung. "Es nützt nichts, mit dem Finger nach den USA zu zeigen", sagte der neue stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Hubertus Heil. Er sprach von einem "unwürdigen Spiel" im Kampf um den Erhalt von Arbeitsplätzen der Opel-Mitarbeiter.
Brüderle kündigte an, in der Wirtschaftspolitik werde der Mittelstand als Leistungsträger der Gesellschaft wieder ins Zentrum gerückt. Dafür werde die Erbschaftssteuer unternehmerfreundlich gestaltet und die "gröbsten Schnitzer" der Unternehmensteuerreform verändert. Alles in allem würden Bürger und Unternehmen mit 21 Milliarden Euro entlastet. "Das ist eine konjunkturwirksame Größe", betonte Brüderle.
Die KfW (Kreditanstalt für Wiederaufbau) solle als Mittelstandsbank gestärkt werden. Vor allem mittlere Unternehmen brauchten Kredite für Investitionen, Innovation und zur Sicherung von Arbeitsplätzen. In der Debatte um den geplatzten Einstieg des Automobilzulieferers Magna bei Opel sprach Brüderle von einer Warnung. Entscheidungen hätten viel zu lange gebraucht und es sei viel zu viel Geld verbrannt worden. "Der Ball liegt jetzt in den USA und nicht in Berlin", sagte der Minister.
Heil warf der Bundesregierung eine "widersinnige Klientelpolitik" vor, die die Wirtschaftsprobleme in Deutschland nicht löse. Der Koalitionsvertrag sei eine Aneinanderreihung von Allgemeinplätzen und enthalte keine klare Konzeption. Das einfache Credo "Steuern runter macht Deutschland munter" sei Voodoo-Ökonomie, die an den volkswirtschaftlichen Bedürfnissen vorbei gehe.
Besonders hart kritisierte Heil die Einführung des ermäßigten Mehrwertsteuersatzes von sieben Prozent für Hotelübernachtungen. Das sei reine Klientelpolitik, sagte er. Auch in der Unternehmensbesteuerung setze die Regierungskoalition auf Steuerschlupflöcher für Großkonzerne und schaffe keinen Beitrag zur Stabilisierung des Konsums.
Solch eine Politik müsse scheitern, meinte Heil. Unterstützung der SPD-Fraktion sagte er beim Umbau der KfW zu einer Mittelstandsbank zu.
Die wirtschaftspolitische Sprecherin von Bündnis 90/Die Grünen, Kerstin Andreae, bemängelte das Fehlen von Ideen, Zukunftsvisionen, Gründergeist und Innovationen in der Wirtschaftspolitik der neuen Regierung. "So viel gestern war noch nie", sagte sie. Als "unseriös und unverschämt" kritisierte sie die geplanten Steuersenkungen.
Die Folgen würden zuerst die Kommunen treffen, die dann Gebühren für Schwimmbäder und Kitas erhöhen müssten. Das sei eine "hochgradig ungerechte Klientelpolitik" und ein Verschiebebahnhof, sagte Andreae.
Die Wirtschaftsexpertin der Fraktion Die Linke, Sahra Wagenknecht-Niemeyer, hielt der Bundesregierung vor, eine "wahnwitzige Politik" zu betreiben, die die oberen Zehntausend noch reicher macht und die Mittelschicht schrumpfen lässt.
Lohndumping, Sozialabbau, Deregulierung und Privatisierungen hätten dazu geführt, dass die Menschen heute nicht mehr genug Geld im Portemonnaie hätten. Gleichzeitig sei Deutschland für Großkonzerne längst zu einem "Steuer-Eldorado" geworden.
Gegen die Kritik der Opposition wehrte sich der Finanzexperte der FDP-Fraktion, Dr. Hermann Otto Solms. Es gebe nur einen Weg, aus der Krise herauszukommen: die Entlastung der Leistungsträger der Gesellschaft, um so Wachstumsimpulse auszulösen und mehr Beschäftigung zu erzielen."Nur so kann eine erfolgreiche Strategie aussehen", sagte Solms. Das Wachstumsbeschleunigungsgesetz der Regierung setze diesen Ansatz um.
Der Wirtschaftsexperte der CDU/CSU-Fraktion, Dr. Michael Fuchs, hielt der Opposition Theater vor. "Die Nation braucht Freiheit und Verantwortung, statt mit ideologischen Scheuklappen Zukunftsthemen zu verhindern", sagte er. Um aus Deutschland ein Gründerland zu machen, müssten noch mehr als bisher bürokratische Hemmnisse abgebaut werden.
"Freiheit heißt auch, dass sich der Staat aus der Lohnfindung herauszuhalten hat", sagte Fuchs. Die Tarifautonomie habe sich bewährt und werde nicht verändert. Gleichzeitig trat Fuchs aber dafür ein, sittenwidrige Löhne zu verbieten und Lohndumping zu unterbinden: "Freiheit ist nicht grenzenlos."
Wichtigstes Ziel bleibe, Deutschland wieder auf den Wachstumspfad zurückzuführen. Deshalb müssten alle Subventionen und Förderprogramm auf den Prüfstand gestellt werden.