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Sollten den deutschen Bürgerinnen und Bürgern mehr Mittel zur direkten Einflussnahme in der Politik an die Hand gegeben werden? Die Idee der Einführung einer dreistufigen Volksgesetzgebung in das Grundgesetz stieß mit Ausnahme von CDU/CSU jedenfalls auf breites Interesse der Fraktionen. Allerdings standen während der 45-minütigen Debatte am Donnerstag, 8. Juli 2010, einzelne Punkte aus dem entsprechenden Gesetzentwurf der Linksfraktion (17/1199) in der Kritik, der in einer ersten Beratung debattiert und anschließend in die Ausschüsse überwiesen wurde.
Halina Wawzyniak (Die Linke) begründete den Vorstoß ihrer Fraktion mit der Förderung der partizipatorischen Demokratie: "Wir müssen bürgerliches Engagement auch strukturell unterstützen und in die parlamentarische Entscheidungsfindung einbeziehen.“
Die Transparenz aller Entscheidungsprozesse müsse wieder sichergestellt werden, da die Arbeit und Funktionsweise der Organe der repräsentativen Demokratie auf Bundesebene durch weite Teile der Bevölkerung kaum noch nachvollzogen werden könne. "Bürgerinnen und Bürger bekommen durch eine direkte Einflussnahme das Gefühl, aus der Zuschauerrolle herauszutreten."
Demgegenüber kritisierte Helmut Brandt (CDU/CSU) den Antrag der Linken als populistisch. "Wir dürfen nicht so tun, als ob Volksentscheide ein Allheilmittel gegen Politikverdrossenheit wären“, forderte er. Zudem könnten extrem komplexe Entscheidungsprozesse nicht schlicht mit "Ja“ oder „Nein“ beantwortet werden.
Auch aus historischer Sicht spreche Vieles gegen dieses Instrument auf Bundesebene. "Schon in Weimar haben Plebiszite das Vetrauen in die Politik erschüttert“, so Brandt und fragte gleichzeitig: "Warum sollen sich Parlamentarier ihrer Verantwortung entziehen und insbeondere unpopuläre Entscheidungen der Bevölkerung überlassen?“
Michael Hartmann (SPD) betonte indes, dass es sinnvoll wäre, mehr direkte Demokratie einzuführen. Die Deutschen seien reif hierfür. Immerhin habe man im vergangenen Jahr 60 Jahre Grundgesetz gefeiert. Außerdem gebe es zu allen denkbaren Themen täglich in den Zeitungen neue Meinungsumfragen zu lesen.
"Wäre es da nicht sinnvoller, Bürgerinnen und Bürgern in einem geordneten Verfahren die Möglichkeit zu geben, sich an Fragen der aktuellen Politik zu beteiligen?“ Plebiszite einzuführen bedeute nicht automatisch den Verfall in die Gefälligkeitsdemokratie, betonte Hartmann.
Zwar sei es richtig, dass bisweilen Entscheidungen gegen die breite öffentliche Meinung gefällt werden müssten. Umso mehr schaffe aber eine entsprechende Gesetzesänderung den Druck, dem Volk diese Entscheidungen umfassend zu erklären. Fragen, die das Grundgesetz berührten, seien ohnehin von Plebisziten ausgeschlossen.
Jimmy Schulz (FDP) begrüßte grundsätzlich den Gedanken einer direkten Demokratie, zeigte sich jedoch skeptisch gegenüber der im Gesetzentwurf der Linken enthaltenen Vorgehensweise. So sei das Quorum von 100.000 Stimmen zur Durchsetzung des Rechts auf eine Anhörung im Plenum und seinen Ausschüssen "eine deutlich zu niedrige Schwelle“, sagte Schulz. Stattdessen schlage seine Fraktion 400.000 Stimmen vor. "Es darf keine Diktatur durch eine Minderheit geben“, begründete Schulz seine Kritik und forderte gleichzeitig, die Beteiligung der Bürger über das Petitionsrecht weiter auszubauen.
Auch Ingrid Hönlinger (Bündnis 90/ Die Grünen) sprach sich für ein höheres Quorum von 400.000 Stimmen aus und bemängelte außerdem die "zu kurzen Fristen“, die der Gesetzentwurf der Linken zwischen den drei Stufen der geplanten Volksgesetzgebung vorsehe. Für eine Ausbesserung der Details müsse man nun fraktionsübergreifend Antworten finden.
Grundsätzlich sei die Idee hinter dem Entwurf aber definitiv zu begrüßen."„Jeder Bürger“, so Hönlinger, "sollte auch zwischen den Wahlen demokratisch aktiv leben können.“ Dies gelte besonders auch für Bürger mit Migrationshintergrund, deren bessere Integration auch demokratischen Fortschritt bedeute. "So wird Deutschland bunter, lebendiger, zukunftsfester.“