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Die Verbraucher profitieren von der geplanten Novellierung des Verbraucherinformationsgesetzes (VIG). Dieser Ansicht war die Mehrheit eingeladener Sachverständiger am Mittwoch, 9. November 2011, in einer öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz. Es gab aber auch kritische Anmerkungen. Nach der Evaluierung des im Mai 2008 in Kraft getretenen VIG will die Bundesregierung das Gesetz ändern (17/7374). In der von Friedrich Ostendorff (Bündnis 90/Die Grünen) geleiteten Anhörung nahmen die Experten dazu Stellung.
Gerd Billen von der Verbraucherzentrale Bundesverband begrüßte die von der Bundesregierung vorgelegte VIG-Novelle. „Der Verbraucher hat nach Artikel 2 des Grundgesetzes das Recht auf körperliche Unversehrtheit“, sagte er. Der Entwurf würde in diesem Sinne Verbrauchern einen leichteren Zugang zu Informationen gewähren. Billen forderte jedoch, dass das VIG auch dem in Artikel 14 des Grundgesetzes festgeschriebenen Schutz des Eigentums gerecht werden müsse. „Der Geltungsbereich sollte auf Dienstleistungen ausgedehnt werden, die das Eigentum berühren.“ Der Informationsanspruch könnte dann auch gegenüber Finanzdienstleister und Unternehmen, die mit Strom sowie Versicherungen handeln, gelten.
Gut sei, dass nach dem Entwurf Verbraucher in Zukunft mit einer einfachen E-Mail-Anfrage Informationen einholen können. Ein Erfolg für die Verbraucher sei auch, dass die Möglichkeiten eingeschränkt werden, die Weitergabe von Informationen zu blockieren. Einen wesentlichen Nachteil sah Billen jedoch darin, dass sich das VIG nicht den Menschen erschließe. „Es ist zu kompliziert verfasst“, sagte er.
Christoph Hahn vom Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) schloss sich seinem Vorredner an und drang darauf, dass das Auskunftsrecht gegenüber allen Produkten und Dienstleistungen gelten müsse. Er trat für mehr Transparenz in der Finanzbranche ein, die sowohl im Interesse der Verbraucher als auch der Beschäftigten der Finanzinstitute sei. Der Druck auf die Angestellten sei in dieser Branche besonders hoch.
Hahn plädierte ebenfalls dafür, dass das ab 2012 geplante Restaurantbarometer in der Gastronomie auf soziale Standards ausgeweitet werden soll. „Die Verbraucher haben einen Anspruch darauf zu wissen, ob diese Standards eingehalten werden.“
Peter Knitsch vom Ministerium für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz Nordrhein-Westfalen bezeichnete die Novellierung als „dringend überfällig“. Er forderte, dass der Informationsanspruch gegenüber Unternehmen unter ethischen Gesichtspunkten und in Fragen der Nachhaltigkeit erweitert werden soll. „Einer Kaufentscheidung müssen entsprechende Informationen zugrunde liegen können“, sagte er.
Er sprach sich gegen die im Entwurf vorgesehene Erhebung von Gebühren bei einem Aufwand von mehr als 1.000 Euro. „Informationen über Verstöße sollten immer kostenlos zur Verfügung gestellt werden“, sagt er. Sonst würde die Informationsfreigabe durch das Gesetz gehemmt und nicht gefördert.
Nach Ansicht von Anne Markwardt von Foodwatch wird die VIG-Novelle in Zukunft ihr Ziel nicht erreichen. "Verbraucher werden nicht ausreichend informiert, weil Händler und Firmen, die zum Beispiel Gammelfleisch in Umlauf bringen, nicht zeitnah genannt werden", kritisierte sie. Es gebe zu viele Schlupflöcher, um die Informationenfreigabe zu behindern und aufzuhalten.
"Es wurde immer wieder versprochen, dass Ross und Reiter genannt werden." Doch zeige das Beispiel vergangener Gammelfleischskandale, dass verdorbenes Fleisch bereits verzehrt gewesen sei, bevor es nach der Anhörung der Verursacher zu einer angemessenen Warnung der Verbraucher gekommen sei. "Das bisherige System hat nur die schwarzen Schafe geschützt", sagte sie.
Dr. Marcus Girnau vom Bund für Lebensmittelrecht und Lebensmittelkunde warnte vor dem Zwang zu früher Informationsoffenlegung. "Das VIG dient nicht der Abwehr der akuten Gesundheitsgefährdung", sagte er. "In diesem Gesetz geht es um Auskunftsansprüche ohne Verfahrensdruck." Alles andere darf nach Girnau nicht Maßstab sein. Er befürchtet die einseitige Benachteiligung der Wirtschaft durch die Novelle.
„Die Behörden brauchen eine umfassende Informationsgrundlage, um ihre Meinung bilden zu können.“ Doch das VIG werde die Schutzrechte der Wirtschaft unangemessen einschränken. Vor Schnelligkeit müsse das Recht des Unternehmers gewahrt werden, Stellung zu Vorwürfen nehmen zu können. Fehler, die unter Zeitdruck gemacht werden könnten, würden für die Betroffenen unübersehbare Konsequenzen haben und existenzgefährdend sein.
Rechtsanwalt Dr. Walter Scheuerl kritisierte den Gesetzentwurf als Medienversorgungsgesetz. "Die bisherige Regelung hat ausgereicht", sagte er. Durch den vorgelegten Entwurf würden die Behörden bei Verdacht die gesetzliche Ermächtigung erhalten, ohne Anhörung und ohne Rechtsschutz der betroffenen Unternehmen Informationen zu veröffentlichen. "Die Unternehmen werden dadurch rechtslos gestellt, weil der Amtshaftungsanspruch durch das Gesetz nicht mehr gültig ist."
Der Unternehmer, der durch falsche veröffentlichte Informationen Schaden erleide, würde nicht mehr entschädigt werden. „Dieser Gesetzentwurf ist extrem wirtschaftsfeindlich und nimmt den Behörden nur das Risiko, die Konsequenzen zu tragen, wenn falsche Informationen veröffentlicht werden.“
Prof. Dr. Ferdinand Wollenschläger von der Universität Augsburg stellte fest, dass er das Gesetz für verfassungskonform erachte. Der bessere Informationszugang sei Grundlage für die den Verbrauchern zugesicherte Vertragsfreiheit. Er sah auch nicht, dass die Mitteilung über einen Rechtsverstoß eines Unternehmens durch die Behörden dem Verrat von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen gleichkomme.
Jedoch sah er es nicht als gerechtfertigt an, dass bei bloßem Verdacht jede beliebige Information weitergegeben werde. „Bei weniger dringlichen Veröffentlichungen sollte den Unternehmen die Stellungnahme ermöglicht werden.“
Gerhard Zellner vom Bayerisches Staatsministerium für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz stimmte zu, dass der Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen bewahrt bleibe. Er mahnte die starke Dramatisierung der Diskussion um das VIG an. "Sachlichkeit ist notwendig", sagte er. "In Deutschland muss sich erst noch eine Kultur der Transparenz ausbilden", sagte er. Das novellierte VIG könne ein Element dieser Kultur werden. (eis)
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