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Bundeswirtschaftsminister Dr. Philipp Rösler (FDP) hat weiteres Wachstum als das erklärte Ziel der christlich-liberalen Koalition bezeichnet. In einer Regierungserklärung zum Jahreswirtschaftsbericht 2012 der Bundesregierung (17/8359) sagte Rösler am Donnerstag, 19. Januar 2012, vor dem Bundestag, das Wachstum komme bei den Menschen durch steigende Renten, sinkende Sozialbeiträge und höhere verfügbare Einkommen an. „Das erklärt, dass 76 Prozent der Deutschen optimistisch in das Jahr 2012 hineingehen“, sagte der Minister. Im Jahreswirtschaftsbericht wird für 2012 von einem Wachstum von nur noch 0,7 Prozent nach drei Prozent im Jahr zuvor ausgegangen. Erwartet werden eine weitere Zunahme der Beschäftigung und ein Absinken der Arbeitslosenquote von 7,1 Prozent im vergangenen Jahr auf 6,8 Prozent.
Rösler sagte, aufgrund der langsameren Erholung der Weltwirtschaft und nachlassender Dynamik in den Schwellenländern erwarte er eine „vorübergehende Wachstumsdelle, ausdrücklich keine Rezession“. Es werde 220.000 neue Arbeitsplätze geben
Die Koalition setze sich von den Pessimisten, Fortschrittsverweigerern und Neinsagern in Deutschland ab: „Wir sind das gelebte Gegenmodell zu roten, grünen und linken Pessimisten in Deutschland.“ Rösler wies aber auch darauf hin, dass die weitere wirtschaftliche Entwicklung in Deutschland auch von der Entwicklung in Europa abhängen werde."
Der Wirtschaftminister warf der Opposition vor, die Energiewende durch Widerstand gegen die Kohlendioxidspeicherung (CCS) und gegen die Förderung der Gebäudesanierung zu blockieren. Die Koalition werde für Umweltverträglichkeit, Versorgungssicherheit und Bezahlbarkeit der Energie sorgen.
Rösler sprach sich für den weiteren Ausbau erneuerbarer Energien aus, verlangte jedoch zugleich Änderungen am Fördersystem: „Es kann doch nicht sein, dass mehr als sechs Milliarden Euro für drei Prozent der Energieproduktion, nämlich die Photovoltaik, ausgegeben werden. Mit Wirtschaftlichkeit hat das nichts zu tun.“
Demgegenüber warf Hubertus Heil (SPD) dem Wirtschaftminister Realitätsverweigerung vor. Zwar sei Deutschland aufgrund seines industriellen Rückgrats besser als andere Volkswirtschaften durch die Krise gekommen. Die industrielle Stärke könne aber auch zu einer verwundbaren Stelle werden, wenn die Nachfrage nach deutschen Produkten in Europa nachlasse.
Daher sprach sich Heil für eine Doppelstrategie aus: Durch Investitionen in Bildung, Forschung und Infrastruktur müsse die Binnennachfrage gestärkt werden. Dazu gehöre aber auch eine angemessene Lohnentwicklung. Es würden immer mehr Menschen von Vollzeitarbeit nicht mehr leben können, weil sie mit „Hungerlöhnen“ abgespeist würden. Heil plädierte für einen gesetzlichen Mindestlohn. Als Beitrag gegen die Spekulation verlangte er die Einführung einer Finanztransaktionssteuer. Deren Aufkommen müsse für ein wirtschaftliches Aufbauprogramm in Europa verwendet werden.
Wie Heil warf auch Michael Schlecht (Die Linke) dem Wirtschaftminister Realitätsverweigerung vor. Deutschland rutsche bereits in die Rezession hinein, und der Wirtschaftminister trage „haltlose Phantasien“ vor. Schlecht verlangte eine deutliche Stärkung der Binnennachfrage: „Lohnerhöhungen sind das Gebot der Stunde.“
Er forderte einen Mindestlohn von zehn Euro und kritisierte zudem die Sparprogramme in Europa, die sich auf 600 Milliarden Euro summieren würden. „Es ist doch klar, dass dieses Strangulierungsprogramm auf Deutschland zurückschlägt.“
Konservativ gerechnet seien die Prognosen im Jahreswirtschaftsbericht, sagte der CDU/CSU-Wirtschaftsexperte Dr. Michael Fuchs. Er erwartet ein höheres Wachstum: „Der Export wird besser laufen.“ Zur Lage stellte Fuchs fest: „Es gibt kein Land in Europa, dem es so gut geht wie Deutschland.“
Wie zuvor Rösler sprach auch Fuchs die Probleme bei der Förderung erneuerbarer Energien an: „Mit Marktwirtschaft hat das nicht mehr allzu viel zu tun.“ Es werde mit Förderung durch das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) Strom hergestellt, egal ob man ihn brauche oder nicht. Fuchs verlangte, dass der Vertrieb von Strom auch von denen mitorganisiert werde, die ihn produziert hätten. Der Zubau bei der Photovoltaik, der unwirtschaftlichsten Methode zur Produktion von Strom, werde nicht so weitergehen können.
Dr. Hermann Otto Solms (FDP) lobte den Jahreswirtschaftsbericht und stellte fest, die positive Botschaft zeige sich besonders auf dem Arbeitsmarkt. Wie Fuchs verlangte auch Solms, die Subventionierung durch das EEG zurückzuführen. Zu hohe Energiepreise seien neben den Problemen im Euro-Raum die großen Risiken für die Wirtschaft.
Die Einführung einer Finanztransaktionssteuer lehnte Solms strikt ab. Die Steuer sei mittlerweile zu einer Art „Wundertüte“ geworden, die für alles herhalten solle. Aber in der Praxis sei sie bereits in Schweden gescheitert. Der Vorsitzende des Wirtschaftsausschusses, Ernst Hinsken (CDU/CSU) sagte, der Wirtschaftsbericht zeige, dass Deutschland zur „Wachstumslokomotive für den ganzen Kontinent“ geworden sei.
Auf die Risiken für die Wirtschaft wies Fritz Kuhn (Bündnis 90/Die Grünen) hin: Er halte es für eine Beschönigung, wenn Rösler von einer Delle rede. Der Wirtschaftsbericht enthalte die Annahme, dass die Euro-Krise gelöst werde. Aber angesichts der Krisenpolitik dieser Regierung, sei „sehr im Zweifel, ob es gelingen wird, diese Krise 2012 in den Griff zu bekommen“. Es dürfe nicht nur gespart werden in Europa, sondern es müsse auch investiert werden.
Neben dem Jahreswirtschaftsbericht wurde auch das Jahresgutachten des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung (17/7710) an die Ausschüsse überwiesen. Auch ein Antrag der SPD-Fraktion für ein „industrielles Erneuerungsprogramm“ (17/8346) wird in den Ausschüssen weiterberaten. (hle)