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Das Zwischenfazit der Arbeit der Enquete-Kommission „Internet und digitale Gesellschaft“ fällt durchwachsen aus. Das wurde während der Debatte des Tätigkeitsberichts der Kommission (17/5625) am Freitag, 20. Januar 2012, deutlich. Während auf der einen Seite die insbesondere in der Projektgruppe Medienkompetenz erreichten konsensualen Handlungsempfehlungen gelobt wurden, warfen sich auf der anderen Seite Redner von Koalition und Opposition gegenseitig vor, allzu oft tages- und parteipolitisch entschieden zu haben, statt wie vorgesehen den Blick auf die Zukunft der digitale Gesellschaft zu richten.
Die Politik tue sich schwer, die sozialen und gesellschaftlichen Umbrüche, die durch das Internet entstanden seien zu gestalten, sagte der SPD-Abgeordnete Lars Klingbeil. Es gehe darum eine Balance zwischen Sicherheit und Freiheit im Netz zu finden, wie auch das Urheberrecht den neuen Anforderungen anzupassen. „Der Deutsche Bundestag muss anfangen, diesen Wandel zu gestalten“, forderte er.
Angesichts dieser Herausforderungen sei im Jahr 2010 die Enquete-Kommission eingesetzt worden, die eine Art Denkfabrik und auch ein Experimentierfeld für neue Möglichkeiten der politischen Partizipation sein sollte. Nach zwei Jahren müsse jedoch festgestellt werden: „Diesem Anspruch ist die Kommission nicht gerecht geworden.“ Auf viele drängende Fragen seien noch keine Antworten gefunden worden, urteilte Klingbeil.
Die Abgeordnete der Linksfraktion Halina Wawzyniak zeigte sich ebenfalls enttäuscht. „Ich habe zu Beginn die Hoffnung gehabt, dass jenseits parteipolitischer Zwänge diskutiert werden kann“, sagte sie. Es sei leider nicht so gewesen, dass „das Argument zählt und nicht die Fraktionszugehörigkeit“. Dennoch sei ein Erfolg zu verzeichnen: „Es gibt eine Sensibilisierung der Politik für Netzpolitik.“
Dass es nicht zu mehr gereicht habe, habe damit zu tun, dass es sehr häufig um „Formalien und Klein-Klein“ gegangen sei. Ärgerlich sei es auch gewesen, dass die Abstimmungen über die Zwischenberichte der Projektgruppen Netzneutralität und Datenschutz durch die Koalition mehrfach verschoben wurden, „weil Mehrheiten unsicher waren“.
Es habe in der Tat „politische Schützengräben gegeben, hinter denen sich abgeduckt wurde“, sagte der Unionsabgeordnete Jens Koeppen. Für ihn sei jedoch entscheidend, dass „engagierte Debatten mit sehr viel Herzblut geführt wurden und ein Konsenswille erkennbar war“. Man müsse akzeptieren, dass es das „weiße Blatt Papier“, auf dem man alles neu anfangen könne nicht gibt. „Politik“, so zitierte Koeppen seinen Fraktionsvorsitzender Kauder, „beginnt mit dem Betrachten der Wirklichkeit.“
Bei der Arbeit der Kommission sei es ihm auch darum gegangen, den gefühlten Klassenkampf zwischen digitaler und analoger Welt zu beenden. Es müssten zudem Überreglementierungen vermieden werden und das Prinzip der Selbstregulierung Vorrang haben. „Unser Leitbild ist der mündige Bürger. Wir setzen auf Wettbewerb“, machte der CDU-Politiker deutlich.
Dass es nicht immer zu konkreten konsensualen Handlungsempfehlungen gekommen ist, sei nicht so schlimm, sagte Manuel Höferlin (FDP). Schließlich sollte die Kommission nicht beschließen, sondern nur Empfehlungen geben. „Im Deutschen Bundestag werden später die Schlussfolgerungen gezogen“, sagte Höferlin. Wenn wie im Bereich Datenschutz passiert keine der Handlungsempfehlungen eine Mehrheit gefunden hat, zeige das, dass es „zwei Wege zum gleichen Ziel gibt“, mit denen sich der Bundestag befassen könne.
Auf die Kritik eingehend, dass vielfach tagespolitische Debatten geführt worden seien, sagte Höferlin, dass es die Opposition gewesen sei, die die Tagespolitik oftmals thematisiert habe. Es sei verständlich, dass dann die Regierungsfraktionen darauf achten müssten, dass „tagespolitische Entscheidungen nicht blockiert werden“.
Anders als die Redner der anderen Oppositionsfraktionen zog der Grünen-Abgeordnete Dr. Konstantin von Notz ein positives Zwischenfazit. Auch wenn nicht alles perfekt sei, „sind wir doch auf dem richtigen Weg“, sagte von Notz.
„Wer hätte denn zu Beginn der Arbeit der Enquete-Kommission gedacht, dass sich der Bundestag fraktionsübergreifend gegen Netzsperren, für mehr Open-Data, für verbessertes E-Government, für mehr Open-Source-Lösungen, für die Privatkopierregelung bei Downloads, für die Netzneutralität und die Weiterentwicklung des bestehenden Urheberrechts einsetzt?“, fragte der Grünen-Abgeordnete. Er hoffe nun, dass die Bundesregierung diese Handlungsempfehlungen auch später umsetzt „und nicht tagespolitisch entscheidet“.
Die Arbeit der Projektgruppe Medienkompetenz, deren Zwischenbericht (17/7286) auch Grundlage der Debatte war, fand während der Diskussion viel Lob. Angesichts der Abläufe in den anderen Projektgruppen sei dies offenbar ein „Hort der Harmonie gewesen“, befand Tabea Rößner (Bündnis 90/Die Grünen).
Der Vorsitzende der Projektgruppe Thomas Jarzombek (CDU/CSU) betonte, dass man einen guten Bericht vorgelegt habe, der auch „in der Szene gut angekommen ist“. Ein wichtiger Punkt darin sei die Feststellung, dass es künftig für jeden Schüler einen Laptop geben müsse.
Die Ausstattung mit Laptops allein reiche nicht, ergänzte Aydan Özoğuz (SPD). „Die Computer müssen auch sinnvoll im Unterricht integriert werden“, forderte sie.
Die Linken-Abgeordnete Dr. Petra Sitte machte deutlich, dass Medienkompetenz für alle nur erreichbar sei, wenn künftig eine internetfähige Hardware zum Existenzminimum gehören würde. (hau)