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Der Europaausschuss befasste sich mit dem Verfassungsgerichtsurteil zu den Beteiligungsrechten des Bundestages am Euro-Rettungsschirm. © DBT/studio kohlmeier
Das Bundesverfassungsgericht hat das sogenannte Neunergremium des Haushaltsausschusses in seinem Urteil vom 28. Februar nicht grundsätzlich infrage gestellt. Das betonte der Prozessbevollmächtigte des Deutschen Bundestages, Prof. Dr. Marcel Kaufmann, in der Sitzung des Ausschusses für die Angelegenheiten der Europäischen Union unter Vorsitz von Gunther Krichbaum (CDU/CSU) am Mittwoch, 29. Februar 2012. Im Kern gehe es in dem Urteil darum, dass der Kreis der Kompetenzen dieses Gremiums zu weit gezogen sei. Mit der Klage zweier Bundestagabgeordneter sei jedoch ein Angriff auf das Gremium als Ganzes geführt worden, und dieser Angriff sei abgewehrt worden. Das habe nichts mit Schönfärberei zu tun, so Kaufmann. Erfolg hätten die Kläger aber in dem Punkt gehabt, welche Zuständigkeiten dem Gremium übertragen werden dürften.
Das neunköpfige Sondergremium ist Bestandteil des im Oktober geänderten Stabilisierungsmechanismusgesetzes. In dem Gesetz verpflichtet sich Deutschland auf Gewährleistungszahlungen in Höhe von 211 Milliarden Euro im Rahmen des Euro-Rettungsschirms EFSF. Das Gesetz regelt aber auch die Beteiligungsrechte des Bundestages neu. Danach bedürfen Entscheidungen des deutschen Vertreters in der EFSF grundsätzlich der Zustimmung des Bundestages. In Fällen besonderer Eilbedürftigkeit oder Vertraulichkeit sollte dieses Beteiligungsrecht von einem Sondergremium ausgeübt werden.
Kaufmann betonte, dass das Gericht keinesfalls die Einrichtung von Sondergremien als solches untersagt habe. Vielmehr habe es klargestellt, dass es zum Selbstorganisationsrecht des Parlaments gehöre, Untergremien zur selbstständigen und plenarersetzenden Wahrnehmung von Aufgaben einzusetzen. Bei der Beschränkung der Statusrechte von Abgeordneten müsse jedoch der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gewahrt werden. In seiner politischen Dimension habe das Bundesverfassungsgericht also die Selbstorganisationsrechte des Bundestages gestärkt, so seine Schlussfolgerung.
Als schwieriger erweise sich die Interpretation des Urteils in Bezug auf dessen konkrete politische Handlungsanleitung. Diese Auffassung vertrat nicht nur Kaufmann, sondern auch die Mehrheit der anwesenden Abgeordneten aller Fraktion. Kaufmann betonte, dass das Urteil „eine Fülle von Gestaltungsmöglichkeiten“ biete. So könne man beim Neunergremium bleiben, mit veränderten Zuständigkeiten. Es sei aber auch denkbar, das Gremium durch den Haushaltsausschuss zu ersetzen.
Die Frage, ob man das Neunergremium nur für die eine Aufgabe, nämlich die Entscheidung über den Ankauf von Staatsanleihen, brauche, warf auch die Unionsfraktion in den Raum. Bündnis 90/Die Grünen, die FDP und Die Linke betonten, es sei nicht ganz eindeutig, welche „politische Handhabbarkeit“ sich aus dem Urteil ableiten lasse. Die SPD appellierte daran, künftig Veränderungen bei den Gestaltungsrechten des Bundestages gemeinsam mit allen Fraktionen zu treffen. (che)