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Die Koalitionsfraktionen haben ihr Vorhaben zur Reduzierung der Steuerbelastung durch die kalte Progression massiv verteidigt. "Das ist ein Versprechen aus unserem Koalitionsvertrag von CDU, CSU und FDP, und das halten wir heute ein", sagt der CDU/CSU-Finanzexperte Klaus-Peter Flosbach am Donnerstag, 29. März 2012, in der Debatte des Deutschen Bundestages über den von der Bundesregierung eingebrachten Gesetzentwurfs zum Abbau der kalten Progression (17/8683). Der Bundestag nahm den Gesetzentwurf auf Empfehlung des Finanzausschusses (17/9201) mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen CDU/CSU und FDP an. Die Oppositionsfraktionen SPD, Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen stimmten dagegen.
Flosbach erklärte, es gehe in dem Entwurf um Einkommen bis 55.000 Euro. Die heimlichen Steuererhöhungen für diese Einkommensbezieher, die eintreten, wenn es Lohnerhöhungen zum Ausgleich der Inflation gibt, sollten reduziert werden. "Es ist für uns überhaupt nicht nachvollziehbar, dass beispielsweise die Sozialdemokraten nicht mitziehen, dass wir kleinere und mittlere Einkommen von Steuern entlasten", kritisierte Flosbach.
Der Staat werde 2013 und 2014 zusammen sechs Milliarden Euro Steuern durch die kalte Progression einnehmen. "Das heißt, hier entstehen Einnahmen beim Staat nur aufgrund der Inflation, und das hat nichts mit der Leistungsfähigkeit zu tun." Es handele sich um eine Einnahme ohne gesetzliches Handeln.
Von einem "hervorragenden Gesetzentwurf", den auch die Opposition unterstützen sollte, sprach Dr. Volker Wissing (FDP). Er wies den Vorwurf zurück, es handele sich um Steuergeschenke. Lohnerhöhungen seien keine Geschenke, sondern die Menschen hätten sich diese Lohnerhöhungen mit harter Arbeit erarbeitet.
Die Koalition verzichte auf Steuererhöhungen, wodurch sich die Einnahmen des Staates nicht reduzieren würden. Sie würden sich nur nicht erhöhen. "Wozu muss man denn dafür einen Kredit aufnehmen?", fragte Wissing, der auch ausrief: "Endlich hören die schleichenden, heimlichen Steuererhöhungen auf."
"Die kalte Progression, die Sie abschaffen wollen, existiert in der Praxis für die Menschen nicht", stellte Lothar Bindig (SPD) fest. Die Koalition rede an der Wirklichkeit vorbei. Die Steuerbelastung auf Einkommen mit gleicher Kaufkraft habe 2011 deutlich niedriger gelegen als 1999. In den letzten 16 Jahren habe es zehn Tarifsenkungen gegeben. Das steuerfreie Einkommen habe immer deutlich oberhalb des Existenzminimums gelegen.
Den Bürgern seien die Gefahren, die durch die kalte Progression entstehen könnten, "schon vorauseilend genommen" worden. Selbst der jetzige Grundfreibetrag von 8.004 Euro liege deutlich oberhalb des verfassungsrechtlich gebotenen Maßstabs.
"Das Vorhaben ist fasch. Es ist nicht gegenfinanziert. Die Umsetzung Ihres Gesetzes führt zu einer Vergrößerung der Schere zwischen Arm und Reich", rief Dr. Barbara Höll (Die Linke) aus. An den Grundproblemen des Einkommensteuertarifs werde nichts verändert. Der Verlauf dieses Tarifs müsse wieder durchgehend linear-progressiv werden: "Dann hätten wir überhaupt nicht das Problem der kalten Progression."
Das Gerechtigkeitsprinzip, wonach höhere Einkommen auch höhere Steuern zu zahlen hätten, sei leider ausgehebelt worden. Es habe in den letzten Jahren vielmehr eine gezielte Entlastung hoher Einkommen gegeben, wie etwa die Absenkung des Spitzensteuersatzes von 53 Prozent im Jahr 1999 auf 42 Prozent im Jahre 2005. Auch Kapitaleinkünfte seien wegen des einheitlichen Steuersatzes von 25 Prozent ohnehin nicht von der kalten Progression betroffen.
Wenn es heute noch die Steuersätze von 1970 geben würde, "dann müsste man dem reicheren Teil der Bevölkerung 1,5 Billionen Euro abnehmen und an die unteren 90 Prozent der Bevölkerung abgeben. Dann hätten diese unteren 90 Prozent der Bevölkerung pro Kopf 20.000 Euro mehr in der Tasche. Das ist die Verteilungssituation", sagte Dr. Gerhard Schick (Bündnis 90/Die Grünen), der darauf hinwies, dass drei Viertel der in Deutschland lebenden Bevölkerung die bestehende Einkommens- und Vermögensverteilung als ungerecht empfinde.
Der Koalition gehe es nicht, wie von ihren Rednern behauptet werde, um die Entlastung der kleinen Einkommen, sondern sie wolle die großen Einkommen entlasten. Die Hälfte der jetzt vorgesehenen Entlastungssumme gehe an die oberen 20 Prozent der Einkommensbezieher.
Die Bundesregierung will verhindern, "dass Lohnerhöhungen, die lediglich die Inflation ausgleichen, zu einem höheren Durchschnittssteuersatz führen". Daher ist eine stufenweise Anhebung des steuerlichen Grundfreibetrags in zwei Schritten zum 1. Januar 2013 auf 8.130 Euro und zum 1. Januar 2014 auf 8.354 Euro (insgesamt plus 350 Euro) vorgesehen. Die Anhebung orientiert sich an der voraussichtlichen Entwicklung des steuerfrei zu stellenden Existenzminimums.
Auch der Tarifverlauf soll prozentual wie der Grundfreibetrag um 4,4 Prozent angepasst werden. Ohne diese Anpassung käme es durch die alleinige Anhebung des Grundfreibetrags bei konstantem Eingangssteuersatz zu einer nicht gewollten "Stauchung" des Tarifs innerhalb der ersten Progressionszone und damit zu einem Anstieg der Progression, heißt es in der Begründung.
Darin verweist die Bundesregierung auf die positiven Ergebnisse des Arbeitskreises Steuerschätzungen. Dessen Prognosen würden für die nächsten Jahre den Spielraum eröffnen, den Bürgern in zwei Schritten inflationsbedingte Mehreinnahmen in einem Volumen von sechs Milliarden Euro zurückzugeben und das "im vollen Einklang mit der konsequenten weiteren Umsetzung der im Grundgesetz verankerten Schuldenbremse".
Im Verhältnis zur gezahlten Steuer soll die Entlastung der unteren Einkommensgruppen nach Angaben der Regierung am größten sein. (hle)