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Mit der Novelle des Atomgesetzes vollendet die rot-grüne Koalition (1998 bis 2005) am 22. April 2002 eines ihrer wichtigsten Vorhaben: Das "Gesetz zur geordneten Beendigung der Kernenergienutzung zur gewerblichen Erzeugung von Elektrizität" änderte die seit 1959 in der Bundesrepublik geltende Rechtslage grundlegend. An die Stelle des bisherigen Atomförderungsgesetzes trat ein neues Atomausstiegsgesetz.
Bereits im Koalitionsvertrag hatten SPD und Bündnis 90/Die Grünen angekündigt: "Der Ausstieg aus der Nutzung der Kernenergie wird innerhalb dieser Legislaturperiode umfassend und unumkehrbar geregelt." Ein erfreulicher Tag war es dann auch für den damaligen Bundesumweltminister Jürgen Trittin (Bündnis 90/Die Grünen), als das Atomausstiegsgesetz am 14. Dezember 2001 in dritter Lesung mit den Stimmen der rot-grünen Koalitionsmehrheit den Bundestag passierte.
Rechtlich sicherte das wichtige Reformwerk der rot-grünen Koalition, wie es der SPD-Politiker Horst Kubatschka formulierte, die im Juni 2001 unterzeichnete Vereinbarung zwischen der Bundesregierung und der Atomwirtschaft zum Ausstieg aus der Atomenergie, den sogenannten Atomkonsens, ab. Nach schwierigen Verhandlungen wurde sich darauf verständigt, die Nutzung der Kernenergie in Deutschland geordnet zu beenden.
Im Bundestag war ein solcher Konsens mit den Oppositionsfraktionen nicht zu erzielen. Die Unionsfraktion bekräftigte ihre Absicht, den Atomausstieg so bald wie möglich rückgängig zu machen. Die FDP warf der Regierung Konzeptlosigkeit vor. Der PDS - Vorgängerin der heutigen Fraktion Die Linke - ging der Ausstieg nicht schnell genug.
"Herr Trittin, Sie freuen sich zu früh. Wir werden das, was sie als dauerhaften Kernenergieausstieg bezeichnen, wieder rückgängig machen", sagte der CDU-Energieexperte Dr. Klaus Lippold. Wirtschaft und Verbraucher würden in konjunkturell schwierigen Zeiten belastet. Die sichersten Atomkraftwerke in Europa würden abgeschaltet und weniger sichere in den Nachbarländern blieben am Netz. "Sie machen Schnellschüsse, ohne sich genau zu überlegen, welche Konsequenzen daraus resultieren", sagte Lippold. Außerdem gefährde der Atomausstieg deutsche Klimaschutzziele und bedeute einen zusätzlichen Kohlendioxidausstoß von rund hundert Millionen Tonnen pro Jahr.
Auch die FDP-Abgeordnete Birgit Homburger kritisierte, dass der Atomausstieg zulasten des Klimaschutzes gehe. Anstelle der abgeschalteten Kraftwerke müsste, wenn nicht auf importierte Kernenergie, massiv auf fossile Brennträger zurückgegriffen werden. Die Konzeptlosigkeit rot-grüner Politik zeigte sich in den Augen der Liberalen an kaum einer Stelle so deutlich wie bei der Energieversorgung und beim Klimaschutz.
SPD und Bündnis 90/Die Grünen hingegen verteidigten das Reformprojekt vor allem mit dem Hinweis auf die Sicherheitsrisiken der Kerntechnologie. Trittin fügte hinzu: "Wir sind dabei nicht allein." Die Mehrheit der Mitglieder der Europäischen Union sei auf dem Weg, aus der Atomenergie auszusteigen.
Nach der Novellierung des Atomgesetzes vom 22. April 2002 sollten bis etwa 2021 alle 19 deutschen Kernkraftwerke abgeschaltet sein. Der Bau neuer gewerblicher Atomkraftwerke und Wiederaufbereitungsanlagen war nicht mehr erlaubt. Am 26. April, dem sechzehnten Jahrestag der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl, verkündet, trat das Atomausstiegsgesetz einen Tag später am 27. April 2002 in Kraft. Als erstes ging 2003 der Reaktor Stade (Niedersachsen) vom Netz, 2005 der Reaktor Obrigheim (Baden-Württemberg).
Im September 2010 setzte die schwarz-gelbe Regierungskoalition die Laufzeitverlängerung der Atomkraftwerke um acht beziehungsweise 14 Jahre durch. Nach der Reaktorkatastrophe in Fukushima am 11. März 2011 wurde mit dem sogenannten Atom-Moratorium die Laufzeitverlängerung für drei Monate ausgesetzt und die Abschaltung der sieben ältesten deutschen Reaktoren für die Zeit des Moratoriums beschlossen.
Danach beschloss die schwarz-gelbe Koalition, den Atomausstieg wieder vorzuziehen. Am 30. Juni 2011 verabschiedete der Bundestag mit großer Mehrheit den Atomausstieg bis 2022. 513 Abgeordnete stimmten dafür, 79 Abgeordnete dagegen, acht enthielten sich der Stimme. Die sieben ältesten Kernkraftwerke und Krümmel wurden vom Netz genommen. Die verbleibenden neun sollen bis spätestens 2022 abgeschaltet werden. (klz)