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Es sind nur zehn schmucklose Archivregale — gefüllt mit schwarzen Aktenordnern und gekennzeichnet mit dem Kürzel "Karik" —, doch sie beherbergen einen Schatz: Rund 400.000 Karikaturen aus Jahrzehnten deutscher Geschichte (Beispiele zum deutsch-französischen Verhältnis, siehe unten). Als Zeitungsausschnitt fein säuberlich einzeln auf DIN-A4-Blätter geklebt, lagern sie bei konstant 18 Grad Celsius und etwa 40 Prozent Luftfeuchtigkeit in einem Archivraum im Marie-Elisabeth-Lüders-Haus des Bundestages in Berlin. "Wir haben hier die wohl größte Sammlung von politischen Karikaturen in Europa", sagt Uta Martensen, Leiterin der Pressedokumentation in der Bundestagsverwaltung, zu der das Karikaturenarchiv gehört. "Es ist ein über fünf Jahrzehnte gewachsener Schatz, den es in dieser Art nirgends sonst gibt."
So finden sich hier etwa stilbildende Karikaturen wie die im britischen Magazin "Punch" erstmals erschienene des Engländers Sir John Tenniel über Bismarcks Entlassung als Kanzler 1890 mit dem Titel "Der Lotse geht von Bord" ("Dropping the pilot").
Teil des Archivs ist auch beispielsweise die 1990 veröffentlichte Zeichnung des DDR-Karikaturisten Roland Beier, die Karl Marx sagen lässt "Tut mir leid Jungs, war halt nur so 'ne Idee von mir". Darüber hinaus finden sich in der Sammlung Karikaturen aus längst eingestellten Blättern wie dem "Hamburger Echo" und aus DDR-Zeitungen wie etwa der "Tribüne" oder der "Volksarmee", welche bis zur Wende ausgewertet wurden.
Den Grundstein für die außergewöhnliche Sammlung legte Kurt Georg Wernicke, der 1953 Direktor der Bundestagsbibliothek wurde. Er sammelte Karikaturen — zunächst rein chronologisch. Erst Prof. Dr. Walther Keim begann als Leiter der Pressedokumentation ab 1974 damit, die Zeichnungen systematisch zu archivieren: Sie wurden nun nach Sachthemen und Personen "verschlagwortet", wie es Archivare nennen.
Die Liste der Stichworte, zu denen sich Karikaturen im Archiv finden lassen, ist lang und reicht von A wie Außenpolitik bis U wie USA oder UNO. Die meisten Karikaturen finden sich allerdings unter dem Schlagwort "Kohl, Helmut": Fast 50 Ordner füllen die rund 25.000 Zeichnungen des Bundeskanzlers, dem die Karikaturisten — allen voran der Cartoonist Hans Traxler — gern mit ihren spitzen Federn einen birnenförmigen Kopf verpassten.
Solche Zeichnungen habe Walther Keim als "optischen Juckreiz" bezeichnet, erinnert sich Uta Martensen schmunzelnd, die ihn noch aus Bonner Zeiten im Bundestag kannte, bevor er 1999 aus dem Dienst ausschied. Am 1. April 2012 ist Keim im Alter von 76 Jahren gestorben. Seine Verdienste allerdings werden auch in Berlin nicht vergessen: In den 25 Jahren an der Spitze der Pressedokumentation des Bundestages habe der gelernte Journalist die Informationsarbeit des deutschen Parlaments nachhaltig geprägt, erzählt Martensen: "Er hat das Pressearchiv systematisch aufgebaut und erweitert."
Keims besondere Aufmerksamkeit galt jedoch der Karikaturensammlung, die er oft als "letzte Humorecke im Bundestag" rühmte. Seinen Traum, sie in einem Museum in Bonn unterzubringen, konnte Keim nicht verwirklichen. So blieb der Karikaturenschatz dort, wo er bis heute ist: im Archiv des Bundestages. (sas)
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