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Der haushaltspolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Otto Fricke, sieht durch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Europäischen Stabilitätsmechanismus ESM und zum Fiskalpakt die deutsche Rolle in Europa ganz wesentlich gestärkt. Dies betonte er in einem am Montag, 17. September 2012, erschienenen Interview mit der Wochenzeitung "Das Parlament". Jetzt werde der ESM, der im Zusammenspiel mit dem Fiskalpakt den Euro wieder auf stabile Füße stellen könne, auf den Weg gebracht. "Diese Bundesregierung ist auf dem Konsolidierungspfad bereits ein gutes Stück vorangekommen", sagte Fricke mit Blick auf den Haushalt 2013, dessen Regierungsentwurf in der vergangenen Woche erstmals im Bundestag beraten wurde. Trotzdem sieht er noch Raum für weitere Konsolidierung. Dazu zählte er den Abbau von Subventionen und die Deckelung des Elterngelds. Das Interview im Wortlaut:
Herr Fricke, das Bundesverfassungsgericht hat am Mittwoch sein Urteil zum ESM gesprochen. Haben Sie mit diesem Urteilsspruch gerechnet?
Ich habe mit einer "Ja, aber"-Entscheidung gerechnet. Die genauen Konsequenzen werden wir uns im Detail ansehen müssen. Das betrifft sowohl die Folgerungen auf europäischer Ebene als auch die Aufgaben, die das Parlament vor sich hat, und das betrifft auch die Politik der Europäischen Zentralbank.
Was bedeutet dies für den Europäischen Stabilitätsmechanismus ESM?
Das Verfassungsgericht hat die Entscheidungen der Koalition bestätigt, den ESM als kurzfristige, im Zusammenspiel mit dem Fiskalpakt als langfristige Lösungsperspektive für die Probleme in der Eurozone auf den Weg zu bringen. Das Gericht hat die Schlüsselrolle des Parlaments in seinem Königsrecht, der Haushaltshoheit, gestärkt und zugleich die Haftungsbegrenzung der Mittel, die das Parlament als Gewährleistungen bereitstellt, betont. Die deutsche Rolle in Europa hat damit eine ganz wesentliche Stärkung erfahren. Der ESM, der im Zusammenspiel mit dem Fiskalpakt unsere gemeinsame Währung wieder auf stabile Füße stellen kann, wird jetzt auf den Weg gebracht. Auch dies ist aber nur eine Momentaufnahme. Die zu Grunde liegenden Probleme, die zu hohe Staatsverschuldung und das geschwundene Vertrauen, müssen gelöst werden. Wir haben dafür die richtigen Mittel beschlossen.
Nun zum Haushalt 2013, über den der Bundestag vergangene Woche erstmals beraten hat. Wo sehen Sie noch weitere Einsparmöglichkeiten?
Zuallererst: Das ist ein guter Haushalt. Diese Bundesregierung ist auf dem Konsolidierungspfad bereits ein gutes Stück vorangekommen. Sie hat es als erste Bundesregierung geschafft, die Ausgaben im Großen und Ganzen stabil zu halten. Wir werden zum Ende der Legislaturperiode als Bund jährlich weniger ausgeben als zu Beginn. Das halte ich für einen guten Erfolg. Im Übrigen: Bei den Kernaufgaben des Bundes steht bereits im Haushalt 2013 eine schwarz-gelbe Null. Sieht man von den Belastungen durch den ESM in Höhe von rund acht Milliarden Euro sowie von den finanziellen Zugeständnissen, die der Bund den Ländern gemacht hat, in Höhe von rund zehn Milliarden Euro ab, liegt für 2013 ein ausgeglichener Haushalt vor. Ich gebe aber auch zu: Ich persönlich hätte mir auch bei diesem guten Haushalt noch mehr gewünscht. Dabei kann ich mir nicht nur vorstellen, an die Subventionen heranzugehen. Auch eine Deckelung beim Elterngeld halte ich für diskussionswürdig. Es gibt noch Raum für weitere Konsolidierung.
Die Opposition wirft der Koalition sozialen Kahlschlag vor. Wie sehen Sie das?
In dieser Frage wird sehr viel mit dem Gefühl der Menschen gespielt. Wie sozial ein Haushalt ist, kann man ganz nüchtern, aber sehr schön an den Zahlen ablesen. Der Anteil, den der Bund für soziale Dinge ausgibt, die sogenannte Sozialquote des Bundes, liegt in dieser Legislatur zwischen 48 und 54 Prozent. Rund die Hälfte aller Ausgaben des Bundes fließt also in die soziale Sicherheit der Bürger. Das ist um einiges mehr als zu Zeiten von Rot-Grün.
Wo müssen andere Schwerpunkte gesetzt werden?
Die großen Fehler in der Haushaltspolitik werden dann gemacht, wenn es vermeintlich gut läuft. Wir sind weit davon entfernt, uns über neue Ausgaben Gedanken machen zu können. Kluges Sparen bedeutet aber auch, dass man Schwerpunkte setzt. Diese Koalition setzt Schwerpunkte mit 13 Milliarden Euro im Bereich Bildung und Forschung.
Die Neuverschuldung soll 18,8 Milliarden Euro betragen. Ist das das letzte Wort?
Die parlamentarischen Beratungen sind immer noch für eine Verbesserung in dieser Frage gut, das haben die letzten Jahre unter Schwarz-Gelb gezeigt. Allerdings sehe ich diesmal nicht viel Spielraum. Letztlich haben aber auch die vergangenen Jahre gezeigt, dass die Zahl, die am Ende des Haushaltsjahres herauskommt, wesentlich besser aussehen kann als die Zahl, mit der man den Haushalt im Jahr davor plant.
Laut mittelfristiger Finanzplanung will der Bund 2016 einen ausgeglichen Haushalt vorlegen. Klappt das?
Soweit in der Bundesregierung weiterhin die Kraft vertreten ist, die sich konsequent gegen gewünschte Mehrausgaben von Ausgabenpolitikern stellt, bin ich bei diesem Ziel sehr zuversichtlich. Man muss anerkennen, dass der Bund schon 2013, drei Jahre früher, die Vorgaben der Schuldenbremse erfüllt, was das strukturelle Defizit betrifft.
Der Finanzminister hat für dieses Jahr einen zweiten Nachtragshaushalt angekündigt. Wozu ist dieser notwendig? Kann die geplante Neuverschuldung von 32,1 Milliarden Euro eingehalten werden?
Ein Nachtragshaushalt wird aus Gesichtspunkten der Haushaltsklarheit und Haushaltswahrheit dann notwendig, wenn sich höhere Ausgaben oder Mindereinnahmen abzeichnen. Insofern ist ein Nachtragshaushalt ein Zeichen von Haushaltsehrlichkeit. Im Rahmen der europäischen Staatsschuldenkrise wurde unter anderem ein Wachstumspakt beschlossen, dessen deutscher Beitrag sich über die Europäische Investitionsbank auf 1,6 Milliarden Euro beläuft. Darüber hinaus haben auch an dieser Stelle die Bundesländer sich ihre Zustimmung zum Fiskalpakt teuer bezahlen lassen. Der Bund übernimmt hier die Grundsicherung in Höhe von 580 Millionen Euro. Davon abgesehen bin ich guter Dinge, dass die prognostizierte Nettokreditaufnahme für 2012 eingehalten werden kann.
Welche Haushaltsrisiken sehen sie noch in den kommenden Jahren?
Es gibt zwei Risiken, die wir im Auge behalten müssen. Zum einen das Risiko eines wirtschaftlichen Abschwungs. Hier hat die Bundesregierung jedoch bereits sehr vorsichtig gerechnet. Wie in den vergangenen Jahren der christlich-liberalen Koalition ist auch der Etat 2013 sowie die mittelfristige Finanzplanung nicht auf Kante genäht. Die viel gravierendere Gefahr jedoch sind die Ausgabenwünsche vieler Politiker, im Übrigen nicht nur in der Opposition. Gerade in Zeiten, in denen die Wirtschaft gut läuft und der Staat genug Geld durch Steuern einnimmt, darf man nicht der Versuchung erliegen, neue Ausgaben zu erfinden. Wir Liberale sehen hier bekanntermaßen sowohl die Vorschläge zu einer Einheitsrente als auch zu einem Betreuungsgeld kritisch.
Bleibt Griechenland im Euro?
Das liegt in den Händen der Griechen. Unser Ansatz war immer: Wer sich der Stabilität verpflichtet und die notwendigen strukturellen Reformen durchführt, der kann mit klar definierter Solidarität der europäischen Wertegemeinschaft rechnen. Irland und Portugal sind gute Beispiele dafür, dass dies der richtige Weg ist. Griechenland hat auf diesem Weg noch ein langes Stück vor sich.
Wie lange werden wir mit der Krise noch zu tun haben?
Es gibt auch bei der Staatsschuldenkrise keinen Schalter, den man umlegen kann, und dann ist wieder alles gut. Es sind viele kleine Schritte, die in die richtige Richtung gegangen werden müssen, damit man letztlich bei einem guten Ziel ankommt. Die Herausforderung, die geltenden und jetzt auf den Weg gebrachten Regeln einzuhalten und durchzusetzen, wird kontinuierlich bestehen bleiben.
Wir die FDP auch nach der Bundestagswahl noch in der Verantwortung sein?
In den Fragen der Eurostabilisierung hat die FDP eine Schuldenunion, die zulasten des deutschen Steuerzahlers gehen würde, verhindert. Im Bereich des Bundeshaushalts ist die FDP der Garant dafür, dass die Ausgaben des Bundes stabil gehalten werden. An der Wertschätzung dieser Erfolge durch den Bürger werden wir arbeiten. Als Rheinländer bin ich auch in dieser Frage Optimist.
(mik/17.09.2012)