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Ein mögliches Verbot des Schenkelbrandes bei Pferden durch die geplante Novellierung des Tierschutzgesetzes bewerten Experten unterschiedlich. In einer öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz unter Vorsitz von Hans-Michel Goldmann (FDP) am Mittwoch, 17. Oktober 2012, äußerten acht Sachverständige ihre Einschätzungen zum Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Änderung des Tierschutzgesetzes (17/10572).
Dr. Helmut Born vom Deutschen Bauernverband forderte ein "behutsames Vorgehen" bei der Umsetzung der Novelle. Deutsche Landwirte würden durch zu scharfe Regelungen im globalen Wettbewerb einseitig benachteiligt. Er forderte, dass die Bundesregierung sich dafür einsetzen soll, dass die selben Tierhaltungsstandards in allen EU-Mitgliedstaaten gelten.
Dem möglichen Verbot des Schenkelbrandes erteilte Born eine Absage, "denn es ist ein Kulturgut." Seiner Ansicht nach würde das Setzen des Brandzeichens nicht mehr Stress bei Fohlen verursachen als das sogenannte Chippen. Stattdessen forderte er, alternativ zum Chippen den Schenkelbrand weiterhin zu erlauben, wie es auch das EU-Recht vorsehe.
Thomas Schröder vom Deutschen Tierschutzbund widersprach und setzte sich für ein Verbot des Schenkelbrandes ein. Denn aus Sicht des Tierschutzes gebe es keinen Grund, der für das Brandzeichen spreche. Die Methode sei veraltet und unsicher. Beim Brennen entstünden deutliche Gewebeschäden, und die eingebrannten Zeichen seien später selbst von Experten schwer zu entziffern.
Im Vergleich zur Transponderkennzeichnung, die auch einen Schmerzreiz verursache, sei das Brennen aufgrund der länger beobachtbaren Reaktionszeit als stärkerer Schmerz zu beurteilen. Des Weiteren kritisierte Schröder den schleppenden Vollzug bereits geltender Gesetze zum Schutz von Tieren. "Das muss verbessert werden", sagte er. "Sonst sei das Gesetz nur gut gemeint."
"Ein Verbot des Schenkelbrandes ist nicht sachgerecht", befand hingegen Prof. Dr. Volker Steinkraus vom Dermatologikum Hamburg. Die äußere Haut von Säugetieren sei evolutionsbedingt auf Verletzungen vorbereitet. Aus wissenschaftlicher Sicht sei der Heißbrand als komplikationsfreie und artgerechte Kennzeichnungsmethode zu bewerten.
Hingegen seien die kurz- und langfristigen Auswirkungen des Chips auf Gesundheit und Psyche der Pferde unbekannt. Die Implantation von Chips könne zu erheblichen Komplikationsraten führen.
Der Einzelsachverständige Jochen Dettmer sprach sich gegen die Ferkelkastration ohne Narkose aus. Der Entwurf sieht ein Verbot nicht vor dem Jahr 2017 vor. Die betäubungslose Ferkelkastration ist aus Dettmers Sicht nicht mehr notwendig, weil wirtschaftliche Technologien als Alternativen am Markt seien, die schonende Eingriffe ermöglichen. Der Arbeitsaufwand sei zwar höher, würde aber weniger Schmerzen verursachen.
Der Jurist und Einzelsachverständige Dr. Thorsten Gerdes blickte rechtsphilosophisch auf die Bedingungen der Tierhaltung. Der moderne Verfassungsstaat ruht laut seiner Stellungnahme auf der Prämisse einer qualitativen Unterscheidung von Mensch und Tier. Tierquälerei sei im Wesentlichen Ergebnis ökonomischer Sachzwänge und deshalb sei eine Intensivierung der Tierschutzbemühungen wünschenswert. Probleme sah er in der unzureichenden strafrechtlichen Ahndung der Tierquälerei. Gerdes forderte den "Ausbau behördlicher Tierschutzbeauftragter". Auch sollten in Tierschutzfragen Verbandsklagen zugelassen werden.
Dr. Manfred Liebsch vom Bundesinstitut für Risikobewertung begrüßte die Novellierung, soweit es um den Schutz von Versuchstieren geht. Bereits durch die Verankerung des Tierschutzes im Grundgesetz als Staatsziel sei eine "Werterhöhung" erreicht worden, heißt es in seiner Stellungnahme. Das habe dazu geführt, dass Handlungen, die Tiere belasten, mehr als bisher gerechtfertigt werden müssen.
Zudem würde ein solches Staatsziel das staatliche Bemühen um wissenschaftliche Erkenntnisse zu Fragen des Tierschutzes befördern. So reduziere zum Beispiel der verstärkte Einsatz bildgebender Verfahren den Eingriff bei Versuchstieren, führte er im Ausschuss aus.
Dass in Deutschland im Vergleich zu anderen EU-Ländern deutlich schärfere Tierschutzregeln gelten, stellte der Sachverständige Prof. Dr. Steffen Hoy fest. Er betonte, dass die Diskussionen um Tierwohlaspekte sehr emotional geführt würden, obwohl nicht klar sei, was darunter zu verstehen ist. Hoy zählte als wichtigste Tierwohlkriterien unter anderem eine niedrige Sterblichkeitsrate, geringe Erkrankungshäufigkeit, physiologische Kenngrößen wie die Herzfrequenz und das Verhalten der Tiere auf.
Prof. Martin Lohse stellte fest, dass "die Wissenschaft mit dem Gesetzentwurf leben kann". Er führte aus, dass jeder Mensch das Recht auf körperliche Unversehrtheit habe. "Wir erwarten, dass der Staat alles dafür tut, Diagnostik und medizinische Verfahren zu verbessern." Aus diesem Grund müsse hinsichtlich des den Versuchstieren zugefügten Leides eine Abwägung stattfinden, um letzten Endes heilen zu können.
"Wenn für die Rechte der Tiere die Verbandsklage ermöglicht werden soll, dann muss das Verbandsklagerecht auch für die Rechte der Patienten eingeführt werden", gab Lohse zu bedenken. Verbandsklagen sind Klagen, die von Vereinen oder Verbänden im Interesse der Allgemeinheit eingereicht werden können. (eis/17.10.2012)